Gebremste Offensive

Essener WAZ-Mediengruppe baut erneut Redaktionen um

Nach der mehrheitlichen Übernahme der WAZ-Mediengruppe durch Petra Grotkamp Ende Januar 2012 ging ein spürbares Aufatmen durch die Redaktionen der vier NRW-Zeitungstitel der Gruppe. Mit der Familie Grotkamp verband sich die Hoffnung auf klare Ansagen aus der Geschäftsführung und die gradlinige Umsetzung eines Kurses. Nur knapp vier Monate später mehren sich die Fragezeichen, wohin es gehen soll.

WAZ-Verlagsgeschäftsführer Manfred Braun Foto: Jakob Studnar-WAZ Fotopool/dpa
WAZ-Verlagsgeschäftsführer Manfred Braun
Foto: Jakob Studnar-WAZ Fotopool/dpa

Vordergründig scheint klar zu sein: Die Ressourcen sollen zurück ins Lokale. Den Anstoß gab Verlagsgeschäftsführer Manfred Braun. Details sind kaum bekannt. „Wir planen eine Lokaloffensive, die den Wünschen unserer Leserinnen und Leser entspricht“, lässt er via Pressestelle verlauten. Alle Maßnahmen dafür würden mit den Redaktionen unter Beibehaltung des Personalstandes umgesetzt. Alles Weitere sei momentan Inhalt der Gespräche mit den Betriebsräten. Darüber werde keine Auskunft gegeben.
Jedoch, so viel scheint sicher: Auch in der Ära Grotkamp wird es keine Neueinstellungen in den ausgedünnten Lokalredaktionen geben. Deshalb gibt es das recht mühsame und zeitraubende Verfahren der Stellenausschreibung, bei dem sich jeder intern bewerben kann. Von ca. 70 Stellen ist die Rede. So soll das Redaktionspersonal ermuntert werden, sich wieder zurück ins Lokale zu bewerben – all jene, die vor drei oder vier Jahren zum Essener Contentdesk, den Regiodesks oder in die Titelredaktionen versetzt worden waren. Nach allem was aus dem Hause WAZ zu hören ist, fallen die Reaktionen der Betroffenen recht unterschiedlich aus. Ein Teil scheint bereit zu sein, das hohe Tempo mitzugehen, das von der WAZ-Geschäftsführung bei der Umsetzung der Lokaloffensive angestrebt wird. Viele wollen nur noch wissen, woran sie zukünftig sind. Die Beschäftigten an den Desks und in den Titelredaktionen erwarten eine noch stärkere Belastung und fürchten um ihre Titelidentität. Dabei sind sich die Beteiligten einig, dass das Ziel richtig ist. Als unstrittig gilt, dass nur mit inhaltlich und personell wieder aufgewerteten Lokalteilen der rapide über dem Branchendurchschnitt liegende Auflagenverlust der Titel Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung, Westfälische Rundschau und Westfalenpost gestoppt werden kann.

Künftig im Fotopool

Schon mit dem Start der Offensive hat die Geschäftsführung allerdings einiges an Kredit und Vertrauen in der Belegschaft verspielt. So bekamen die zehn Fotografen der Westfälischen Rundschau Ende März mitgeteilt, dass sie zukünftig – um Platz zu schaffen für die neuen Kollegen – nicht mehr bei „ihrer Rundschau“ sondern beim WAZ-Fotopool in Essen beschäftigt werden sollen. Auch wenn deren Rechte nach § 613 a BGB weitgehend gewahrt bleiben, sie nicht in Essen arbeiten müssen und überwiegend ihre Einsatzgebiete behalten werden, hat die Versetzung an die tarifungebundene WAZ New Media Sorgen geschürt. Wer weiß, was als Nächstes kommt?
Als dann Anfang Mai noch die Nachricht die Runde machte, dass die sehr erfolgreich arbeitende Redaktion der Siegener Rundschau geschlossen werden sollte, erlebte der Protestblog medienmoral-nrw.de höchst lebendige Zeiten. Gerade erst war den Siegenern ein Zuwachs von zwei Stellen zugesichert worden. Rasch bekam die lokale Offensive das Etikett der „Mogelpackung“ verpasst. Unterdessen hat die Geschäftsführung nach einem Protestschreiben des Betriebsrats der Rundschau klargestellt, dass Siegen zukünftig von einer Gemeinschaftsredaktion von Westfalenpost und Westfälischer Rundschau betreut wird. Allerdings nun unter Verantwortung der Westfalenpost. Keinesfalls, so Braun in einem Schreiben an den Betriebsrat, drohe der Rundschau das Aus. Im Gegenteil: beide Titel sollten im Wettbewerb mit dem Marktführer Siegener Zeitung gestärkt werden.
Kritische Beobachter der WAZ-Mediengruppe wie Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut glauben zwar, dass „die Entscheidung für das Lokale auch als Rolle rückwärts richtig ist. Wenn der Ankündigung der Offensive aber erst mal nichts folgt, scheint der Elan schon wieder erloschen“. Und die Entscheidungen der Geschäftsführung bezüglich der Redaktion in Siegen zeigten „allenfalls wie es um die Halbwertzeit von Entscheidungen in der WAZ-Zentrale bestellt ist“, so Röper.

Online Rolle rückwärts

Auch beim Onlineauftritt der WAZ-Mediengruppe gibt es eine Rolle rückwärts. Nachdem 2007 mit viel Pomp und Gloria und der neuen Chefredakteurin Katharina Borchert derwesten.de als gemeinsame Dachmarke der vier Zeitungstitel online ging, gibt es nun eine Rückkehr zu den vier „alten“ – sprich lokalen – Marken, die gestärkt werden sollen.
An Geld für Neuerwerbungen und Neueinstellungen fürs Führungspersonal scheint es weiter nicht zu mangeln. Beim Kartellamt beantragte die WAZ-Gruppe gerade die Übernahme der zweimal wöchentlich erscheinenden Sportzeitung Reviersport. Zur Entlastung von Verlagsgeschäftsführer Manfred Braun rückt zusätzlich Karin Hilbert, die 2001 von Springer zur WAZ gewechselt war, in die neu geschaffene Position Verlagsgeschäftsführerin Anzeigen auf. Unterstützung bekommt Braun zudem ab 1. August von Frank Fligge, bis dahin stellvertretender Chefredakteur der Westfälischen Rundschau. Er soll „titelübergreifend an der Qualitätssicherung und -entwicklung der lokalen Berichterstattung“ arbeiten und an der Konzeptionierung neuer Printprodukte mitwirken.
Für den Bereich Finanzen wird von einer finanzstarken Immobilientochter der Metro Thomas Ziegler geholt. Dieser wird neben Christian Nienhaus und Braun zukünftig als „Chief Financial Officer“ in der Gruppengeschäftsführung firmieren. Die Belegschaft hofft einstweilen darauf, dass die Erkenntnis greift, „dass man nicht noch mehr Häuptlinge, sondern auch Indianer braucht“.

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