Funke: „Spartenstruktur mit schlanker Holding“ anvisiert
Bei der Funke Mediengruppe beginnt eine neue Zeitrechnung. 73 Jahre nach der Gründung des Unternehmens übernimmt die Familie Grotkamp die alleinige Macht. Damit endet eine lange Phase der gegenseitigen Blockade durch verschiedene Eigentümer. Die Gruppe kündigte umgehend eine „umfassende Neuausrichtung“ an. Für die Beschäftigten eine weitere Zeit der Unsicherheit.
Seit 2011 gehörten zwei Drittel des Unternehmens Petra Grotkamp, der Tochter von Firmenmitgründer Jakob Funke. Ende 2017 übertrug sie ihre Anteile an ihre drei Kinder Julia Becker, Nora Marx und Niklas Wilcke. Seit 2018 ist Julia Becker Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns. Bereits im Juni 2021 hatte Funke den Kauf der Unternehmensanteile der Familien Schubries und Holthoff-Pförtner durch die Grotkamps bekanntgegeben. Während die unternehmerische Führung sofort auf die neuen Alleineigner überging, erfolgt der Anteilserwerb erst zum 2. Januar 2024. Nach Medienberichten beträgt der Kaufpreis für das veräußerte Drittel 280 Millionen Euro. Als Grund für die Übernahme wurde die „Notwendigkeit klarer Gesellschafter- und Führungsverhältnisse in einer sich verschärfenden Marktsituation“ genannt.
Immer noch hoher Marktanteil
Eine vornehme Umschreibung für die überfälligen Konsequenzen, die nach Branchenbeobachtern jetzt aus unternehmensinternem Dauerzwist und wirtschaftlichem Abwärtstrend gezogen wurden. Zwar liegt Funke unter den großen Verlagsgruppen laut Zeitungsforscher Horst Röper noch auf dem 3. Rang. Allerdings sind die Marktanteile seit Jahren rückläufig. Der Umsatz schrumpfte seit 2006 von 1,7 auf 1,2 Milliarden Euro. Das liegt vor allem an den überdurchschnittlich sinkenden Auflagen der zwölf Regionalzeitungen, darunter das Stammblatt „Westdeutsche Allgemeine“ (WAZ), die „Thüringer Allgemeine“ und das „Hamburger Abendblatt“. Die Gesamtauflage rutschte 2019 erstmals seit der Wende unter die Ein-Millionen-Grenze – ein Wert, der Röper zufolge „in besseren Zeiten“ allein im Stammland Nordrhein-Westfalen („WAZ“, „Westfälische Rundschau“, „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung/Westfalenpost“) überschritten wurde. Bei den Publikumszeitschriften liegt Funke trotz sinkender Auflagen mit einem Marktanteil von 16,2 Prozent bundesweit auf Rang 2. Zu den erfolgreichsten der rund drei Dutzend Titel zählen vor allem Programmzeitschriften („Hörzu“, „Gong“) sowie Frauenblätter („Bild der Frau“, „Frau aktuell“) und Triviales wie „Das Goldene Blatt“.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Deals kündigte Funke den Aufbau einer „Spartenstruktur mit schlanker Holding“ in den kommenden zwei Jahren an. Vorgesehen sind drei Sparten: Regionalmedien, Zeitschriften und Digitales. Damit einher geht ein weitgehender Austausch des Managements. Andreas Schoo, der bisherige Konzerngeschäftsführer mit dem Schwerpunkt Zeitschriften und Digitales und weitere Spitzenmanager müssen gehen. Neuer starker Mann ist Christoph Rüth, verantwortlich vor allem für Regionalmedien und Digitales. „Wir wollen den Wert des unabhängigen Journalismus erhalten, ja stärken“, verspricht Aufsichtsratsvorsitzende Julia Becker. Ähnliches hatte man schon öfter im Hause Funke gehört. „Mehr denn je brauchen wir guten, verlässlichen Regional- und Lokaljournalismus“, tönte beispielsweise Anfang 2019 Ove Saffe, der langjährig für das Zeitungsgeschäft zuständige Geschäftsführer. Anlass war die Präsentation des „Zukunftsprogramms Funke 2022“, mit dem vor allem das Digitalgeschäft angekurbelt werden sollte. Ein Jahr später war Ove Saffe weg. Offenbar traute man ihm nicht mehr zu, das für den Konzern wichtige Zeitungsgeschäft – es sorgt für etwa die Hälfte des Umsatzes – digital zu transformieren.
Das damals ausgegebene Ziel, ein „forcierter Wachstumskurs mit dem Schwerpunkt auf digitale Aktivitäten“, gilt allerdings nach wie vor. Das alles vor dem Hintergrund überdurchschnittlich sinkender Werbeerlöse und mutmaßlich roter Zahlen vor allem in Thüringen und Berlin. In Thüringen verfügt der Konzern seit der Wende über ein Regionalmonopol. Beim Versteigerungspoker mit der Treuhand hatte man sich neben der „Thüringer Allgemeinen“ (Ex-Freies Wort) auch die „Thüringische Landeszeitung“ und die „Ostthüringer Zeitung“ gesichert. Die Geschäfte wurden nach dem Essener WAZ-Modell organisiert: die Redaktionen autark, Anzeigenverkauf, Werbung und Druck dagegen von gemeinsamen Service-Gesellschaften betreut. Nach einer kurzen Scheinblüte geht es seit Jahren bergab. Seit 2004 hat sich die Leserschaft der drei Printmedien halbiert. Ende 2020 rutschte die gesamte Verkaufsauflage der Blätter erstmals unter die Marge von 200.000 Exemplaren.
Schon einige Monate zuvor hatte das Funke-Management auf diesen Abwärtstrend reagiert. Allerdings nicht mit Investitionen in die Qualität der teilweise arg ausgedünnten Blätter. Stattdessen beschloss man, zum Jahresende 2021 das Erfurter Druckzentrum dichtzumachen. Eines Werks, das erst 1994 in Anwesenheit des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl („blühende Landschaften“) eingeweiht worden war. Die Herstellung der drei Thüringer Blätter, so zunächst die Ankündigung, solle dann hauptsächlich in Funkes Braunschweiger Druckerei erfolgen. Eine folgenschwere Entscheidung: 270 Beschäftigte verlieren in Erfurt demnächst ihren Arbeitsplatz.
Kampflos mochten die Betroffenen das indes nicht hinnehmen. Rein betriebswirtschaftlich lasse sich die Schließung nicht begründen, rechnete der Betriebsrat vor. Eine verkleinerte Druckerei würde Arbeitsplätze erhalten und dank späterer Andruckzeiten weiterhin aktuelle Zeitungen garantieren. Eine Verlagerung des Drucks nach Braunschweig würde einen um mehrere Stunden vorgezogenen Redaktionsschluss erfordern und zudem höhere Vertriebskosten verursachen. „Doch alle unsere Vorschläge wurden abgewiegelt“, moniert Dustin Hertel, Betriebsratsvorsitzender der Funke Thüringen Druckzentrum GmbH.
Regionale Verankerung entscheidend
Der Vorgang offenbare „die hässliche Fratze des Kapitalismus“, kommentierte ungewohnt klassenkämpferisch der Erfurter Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider in einem Gastbeitrag für „T-Online“. „Für die Glaubwürdigkeit in der Berichterstattung ist die regionale Verankerung entscheidend“, so der in Erfurt geborene Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach sich vehement gegen die Schließung aus. Thüringen dürfe „keine Verschiebemasse in den Kalkulationstabellen des Funke-Verlages sein“.
Nach mehreren Streiks und Protestaktionen konnte Mitte Mai für die rund 100 Drucker des Druckzentrums ein Sozialplan abgeschlossen werden. Er sieht neben Abfindungszahlungen die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vor. Auch erhalten die betroffenen Mitarbeiter*innen eine Treueprämie, wenn sie bis zur Schließung im Betrieb bleiben. Die drei Thüringer Zeitungen werden künftig an drei Standorten gedruckt: in Braunschweig, Halle und Chemnitz. Ausgerechnet in der Landeshauptstadt Erfurt erhalten die Leser*innen dann aufgrund des notwendigerweise früheren Redaktionsschlusses ein weniger aktuelles Blatt. Nicht wenige „desertieren“ inzwischen zur „Freien Presse“ aus Chemnitz oder zur „Leipziger Volkszeitung“. „Die lesen lieber die anderen Zeitungen, weil da zum Teil mehr Regionales drinsteht“, urteilt Betriebsrat Dustin Hertel.
Vom Aus des Druckzentrums Erfurt zum Jahresende sind aber auch 170 Versandhelfer betroffen. Die entsprechenden Sozialplan-Verhandlungen ziehen sich hin. ver.di-Sekretär Jan Schulze-Husmann erwartet vom Funke-Management, dass die Kolleg*innen des Druckservices „nicht mit Almosen abgespeist werden. Sie haben jahrelang die Profite erwirtschaftet, die an die Konzernspitze nach Essen geflossen sind.“ Für den Fall, dass Funke sich nicht bewegt, will der ver.di-Mann Arbeitskampfmaßnahmen nicht ausschließen. Dass diese wirkungsvoll sein können, hätten die Kolleg*innen des Druckzentrums im Mai „eindrucksvoll unter Beweis gestellt“.
Eine Million Zeitungsabos bis 2025, davon die Hälfte digital, hat der zuständige Konzerngeschäftsführer Christoph Rüth unlängst als Zielmarke ausgegeben. Dass die Umsatzeinbußen bei Print im Digitalen aufgefangen werden können, erscheint eher zweifelhaft. Im redaktionellen Bereich setzt Funke zunehmend auf Kooperation. Konzernintern würden schon seit Jahren die Kosten durch eine titelübergreifende Übernahme von Zeitungsteilen gesenkt, und zwar sowohl bei den Haupt- als auch bei den Lokalteilen, beobachtet Medienforscher Horst Röper. Unter dem Sparkurs leidet die Qualität. Die Essener Konzern-Spitze handelt nach dem Motto: Abbau in der Provinz zugunsten von immer mehr Zentralisierung. Die Redaktionen holten mit den begrenzten Ressourcen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, das Beste heraus, findet Betriebsrat Dustin Hertel. „aber sie stoßen in der Essener Zentrale auf taube Ohren“. Auch in der Vermarktung der Regionalpresse wird der Rotstift angesetzt. Nach der Ausdünnung des Anzeigenbereichs im Stammland NRW trifft es jetzt die entsprechenden Abteilungen anderer Bundesländer. Wie an Rhein und Ruhr reagiert der Konzern auf die Umsatzrückgänge im Werbemarkt auch in Hamburg („Abendblatt“) und Berlin („Morgenpost“) mit der Auflösung dezentraler Verkaufsbüros. Nach Medienberichten sollen dadurch rund 50 Stellen eingespart werden.
Allein am Standort Braunschweig gehen durch die ersatzlose Streichung der lokalen Verkaufsbüros 20 Jobs verloren. Andererseits sichert die Verlagerung des Drucks einer Teilauflage der Thüringer Blätter die Beschäftigung die Arbeitsplätze im dortigen Druckzentrum bis 2025. Auch bei der „Braunschweiger Zeitung“ – derzeitige Auflage: rund 90.000 Exemplare – läuft die digitale Transformation auf Hochtouren, berichtet Jörg Brokmann, Betriebsratsvorsitzender im BZV Medienhaus. Der Umbau betreffe auch die Redaktion, aber „glücklicherweise personalneutral“. Einige Kolleg*innen hätten Angebote auf Vorruhestand gegen faire Abfindungen angenommen. Der Betriebsrat versuche, „den Prozess der Digitalisierung zu begleiten, unter der Voraussetzung, dass keine Abstriche im Redaktionellen stattfinden“. Dabei sollen auch die älteren Kolleg*innen „mitgenommen werden, auch wenn das für die Verlage manchmal mühsam ist“.