Gehaltsschere war ein Dorn im Auge

Betriebsratswahlen beim privaten Nachrichtensender n-tv in Berlin

Betriebsratswahlen sind beim privaten Nachrichtensender n-tv kein umstrittenes Thema. „Wir denken, die Kolleginnen und Kollegen haben in den letzten Jahren sehr deutlich gespürt, was ein funk- tionierender Betriebsrat wert ist – er wird akzeptiert“, so der Vorsitzende David Jacobs. Am 17./18. März soll der neue Betriebsrat für die 250 MitarbeiterInnen des 24-Stunden-Nachrichtenkanals gewählt werden. Der Wahlvorstand nahm im Dezember seine Arbeit auf. Langfristig wurden Schulungsangebote der Gewerkschaften eingeholt und genutzt. „Fehler können so ausgeschlossen werden. Tips und Ratschläge weiten den Blick“, erklärt Stellvertreter Holger Dittberner.

n-tv, das mit knapp 50 Prozent zum Time Warner Konzern gehört (25 Prozent Verlagsgruppe Handelsblatt, fast 17 Prozent Familie Nixdorf), startete am 30. November 1992. Von Anfang an arbeitete der Sender kostenorientiert mit vergleichsweise wenig Personal. Die Redakteure kamen aus dem gesamten alten Bundesgebiet, nur vereinzelt aus dem Osten Berlins. In der Technik fanden dagegen eine Reihe von Spezialisten des einstigen DDR-Rundfunks ein neues Betätigungsfeld. So war es nicht verwunderlich, daß die Gehaltshöhen ein breites Spektrum aufwiesen.

Bereits nach wenigen Monaten ergriffen Beschäftigte mit Betriebsrats- und Personalratserfahrung – in der Regel in öffentlich-rechtlichen Sendern gesammelt – die Initiative, einen Betriebsrat zu installieren. Die Gewerkschaften leisteten Schützenhilfe. Unter 20 Kandidatinnen und Kandidaten hatte die Belegschaft bereits im Juli 1993 ihr 7-Frau/Mann starkes Gremium auszuwählen.

Fast zum selben Zeitpunkt kam es bei n-tv zu ersten Entlassungen. Die Bilanz von n-tv nach einem halben Jahr auf Sendung war nicht so positiv wie erwartet. Im Ergebnis mußten die Produktionskosten heruntergefahren werden, was auch drastische Personaleinsparungen bedeutete. Somit wurde bei vielen Kolleginnen und Kollegen der Vertrag nach dem Probehalbjahr nicht verlängert – für den Betriebsrat gab es kaum eine Möglichkeit einzugreifen.

Ungleiche Eingruppierungen

Von Anfang an aber war den Betriebsräten die ungerechtfertigte Gehaltsschere im Unternehmen ein Dorn im Auge. „Unablässig haben wir die Geschäftsleitung deshalb mit Vorschlägen für eine Betriebsvereinbarung bombardiert“ erinnert sich Toningenieur David Jacobs, heute verantwortlich für die Ablaufregie Ton/Bild. Ziel sei gewesen, die Beschäftigten entsprechend ihrer Qualifikation und vergleichbarer Arbeitsfelder einzugruppieren und somit Gräben zu schließen. Auch hier halfen die Gewerkschaften IG Medien, DAG und DJV mit einer „gekonnten und hartnäckigen Führung der Verhandlungen um einen Haustarifvertrag“, so Holger Dittberner aus der Bereichsleitung Bildmischung und Bildschnitt. Irgendwann habe sich dann in der Geschäftsleitung offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, daß es ja ein fertiges Tarifwerk für den privatrechtlichen Rundfunk gebe und warum das Fahrrad neu erfinden? Die Arbeitgeber erklärten sich im April 1994 in einem Haustarifvertrag bereit, den geltenden Manteltarif anzuerkennen und später auch den Gehaltstarifvertrag des Tarifverbandes Privater Rundfunk (TPR) zu übernehmen. Die Eingruppierung dauerte dann schließlich fast ein Jahr. Jeder Einzelfall wurde genau unter die Lupe genommen. Immer wieder war die Geschäftsleitung bemüht, „Unterschiede kleinzureden“, so David Jacobs. „Es war ein zähes Ringen.“ Letztlich konnten Ungleichheiten abgebaut werden. Die Lücke zwischen den Gehältern der einzelnen Beschäftigten ist bedeutend kleiner geworden. Der Betriebsratsvorsitzende sieht in dieser Debatte einen „dynamischen Prozeß“, der sicher noch lange fortdauern werde.

Kein Widerstand der Geschäftsleitung

Insgesamt sei die Bereitschaft der Geschäftsleitung bei Beschwerden des Betriebsrates „korrektiv einzugreifen und sich mit den jeweiligen Leitern der betroffenen Kollegen auseinanderzusetzen, groß“, schätzt der stellvertretende Betriebsrat Holger Dittberner ein. Von Anfang an habe die Geschäftsleitung sich nicht gegen das Begehren der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt, einen Betriebsrat zu wählen. Es sei auch kein Druck auf Kandidaten ausgeübt worden. Heute werden die Betriebsräte so freigestellt, daß ihr Büro quasi immer besetzt ist. So ist immer ein Ansprechpartner da. Freie haben damit ebenfalls die Möglichkeit, vorbeizuschauen. Wenn hier die Einflußnahme der Betriebsräte auch gering ist, so war es doch manches Mal möglich, im Gespräch gemeinsam mit einem Vertreter des Betriebsrates Probleme zu klären.

Natürlich würden auch bei n-tv immer wieder Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht ernstgenommen, sagt David Jacobs. So wurden beispielsweise bei einer Umstrukturierung in der Redaktion Versetzungen nicht angezeigt. Die Betroffenen wandten sich an den Betriebsrat. Bei der Veränderung von Schichtplänen drängte der Betriebsrat darauf, daß Mehrbelastungen von Beschäftigten im Rahmen blieben. Gleichzeitig wurden Zusagen verlangt, damit nicht unter dem Deckmantel derartiger Veränderungen ein langfristiger Stellenabbau erfolgte. Nachdem der Betriebsrat eine einstweilige Verfügung in Erwägung gezogen hatte, lenkte die Geschäftsleitung ein.

Umschichtung der Spitzenbelastung

Mit der neuen Programmstruktur seit September vergangenen Jahres, setzte eine Umschichtung der Spitzenbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Mittags und abends nahm die Arbeitsdichte zu. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung überlegt nun der Betriebsrat, wie Entlastung geschaffen werden kann bzw. auftretende Lücken geschlossen werden können. Letzteres geschieht beispielsweise durch freie Mitarbeiterinnen. Eine Betriebsvereinbarung wäre auch hier nach Ansicht des Betriebsrates hilfreich.

Gleiches gilt für die Einführung neuer Technik, wie sie bei n-tv im Bereich Buchungs- und Rechnungswesen/Controlling bereits erfolgte. Zwei Betriebsratsmitglieder wurden dazu extra geschult. „So ist eine gewisse Transparenz gegeben“, sagt David Jacobs. Da sich jedoch neue Technik fast immer als Jobkiller entpuppt, hat der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung eine Vereinbarung über Rationalisierungsschutz abgeschlossen. Auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sehen die beiden Betriebsräte bereits Aufgaben für das neue Gremium. An Kandidatinnen und Kandidaten mangele es nicht, sagt Holger Dittberner. Geprüft werde außerdem, wieviele der mehr als 50 freien Mitarbeiterinnen von n-tv ebenfalls ihre Stimme abgeben und somit aufgrund ihrer regelmäßigen Arbeit mehr integriert werden können.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

ARD: Durchbruch in Tarifrunde

In dem seit Januar andauernden Tarifkonflikt in ARD-Rundfunkanstalten gibt es erste Verhandlungsergebnisse. Zum Wochenende hin konnte am Freitag (15. November) ein Ergebnis im SWR erreicht werden. Für ver.di ist das ausschlaggebende Ergebnis, dass neben sechs Prozent Tariferhöhungen in zwei Stufen über eine Laufzeit von 25 Monaten auch eine für mittlere und niedrige Tarifgruppen stärker wirkende jährliche Sonderzahlung so stark erhöht wurde, dass es nachhaltige Tarifsteigerungen zwischen sechs und über zehn Prozent gibt.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Drei Fragen: Zur Deutschen Welle

Bei der Deutschen Welle (DW) arbeiten rund 1.800 festangestellte und 2.000 freie Mitarbeiter*innen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Belegschaft der DW in Bonn und Berlin am 13.11. zu einem ganztägigen Streik aufgerufen. Denn nach sechs Runden stocken die Verhandlungen. Wir sprachen vor Ort in Berlin mit der ver.di-Sekretärin Kathlen Eggerling.
mehr »

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »