Good News und Schlafschafe

Konstruktiver Journalismus und Instant Fiction im ZDF

Das ZDF hat im vergangenen Jahr neue Genres und Sendeformate geschaffen, die gleichermaßen auf die Pandemie und aktuelle Medientrends reagieren. So hat der Sender im Bereich Factual den konstruktiven Journalismus gestärkt und neue Bildungsangebote für Schüler*innen an den Start gebracht. Im Bereich Fiction hob der Sender mit Instant Fiction ein neues Genre aus der Taufe und produziert mit „Echt“ seine erste reine Web-Serie für Kinder. Mit kleinen, schnell und „agil“ produzierten Formaten wollen die Mainzer*innen direkt auf gesellschaftliche und politische Diskussionen reagieren. Neben der TV-Ausstrahlung gibt es Streams in der ZDF Mediathek, begleitende Social Media-Auftritte und Podcasts.

Hoffnungsvolle aktuelle Nachrichten

Zum ZDFheute Online Angebot gehört seit April der „Good News-Blog“ (Claim: “Aktuelle Nachrichten, die Hoffnung machen”). Er präsentiert konstruktive News und berichtet über lösungsorientierte Projekte und Entwicklungen aus der ganzen Welt. Dabei bündelt der Blog eigene Stücke mit Meldungen, die unter anderem von „plan b“ stammen, dem ersten hauseigenen konstruktiven Magazin. Es werden aber auch Beiträge aus den sozialen Medien integriert.

Christian Dezer verantwortet die Good News von „plan b“ Foto: ZDF/Rico Rossival

Produziert wird der „Good News-Blog“ in der Redaktion von „plan b“. Dieses erste, explizit konstruktive Magazinformat ist seit 2017 beim ZDF auf Sendung und wird von Christian Dezer verantwortet. Bereits 2019, bei einem M-Interview zum einjährigen Bestehen von „plan b“, hatte Dezer angedeutet: „Ich weiß nicht, ob man jetzt noch mehr spezielle monothematische Formate braucht, wie plan b eines ist. Eher färben wir auf die Berichterstattung anderer ab.” Das scheint jetzt tatsächlich eingetreten zu sein. Die ZDF-Zuschauer*innen sind selbst aufgerufen, ihre Good News einzusenden. Die Good News zum Wochenende werden von „plan b“-Chef Dezer persönlich gefeatured. Ganz offensichtlich arbeitet das ZDF da fleißig an seiner “konstruktiven” Profilierung und gleichzeitig an einer kleinen plan b-Markenfamilie.

„Good News zum Wochenende“ sind auch fester Bestandteil des neuen digitalen Formats „ZDFheute Update“. Dieses Nachrichten-Update können die Nutzer*innen in einer Morgen- oder in einer Abend-Ausgabe abonnieren und bekommen es dann per Mail-Newsletter, in der ZDFheute-App, über Telegram oder über den Facebook-Messenger gepusht. Auch hier stehen prominente Namen vor den News, wie der von ZDF-Chefredakteur Peter Frey oder von der stellvertretenden ZDF-Chefredakteurin und Leiterin der Hauptredaktion Aktuelles, Bettina Schausten.

Salwa Houmsi spricht einmal die Woche mit einem Gast über dessen Ideen und Visionen im Podcast „Pitch“ Screenshot aus dem Trailer von „Pitch“

Auch bei Podcasts hat das ZDF nachgelegt, ebenfalls unter der Marke „plan b“. Im Podcast „Pitch“ spricht plan b-Moderatorin Salwa Houmsi einmal wöchentlich mit einem Gast über seine Ideen und Visionen. Die Gespräche werden ergänzt durch Wissensblöcke, Hintergrundfakten und unterhaltsame Rubriken. Crossmedial begleitet wird der Podcast von einem eigenen Instagram-Kanal. Dort kann sich die Pitch-Community weiter informieren und über neue Lösungsansätze austauschen.

Auch das ZDF-Magazin „Terra X“ hat seine Markenfamilie erweitert und gleich mehrere neue Spin-offs gestartet. Im „Terra X“-Podcast, der 14-tägig immer freitags erscheint, diskutiert Moderator Dirk Steffens mit Wissenschaftler*innen, Moderator*innen und Expert*-innen über wissenschaftliche Fragen, wie etwa „Kann Kernkraft den Klimawandel verhindern helfen?”.

„Terra X plus Schule“ kann vielseitig und frei genutzt werden

Einen weiteren neuen Schwerpunkt hat das ZDF während der Homeschooling-Ära auf Angebote für Schüler*innen gelegt. So wurde das Format „Terra X plus Schule“ gestartet. Die so gebrandete Beitragskollektion steht in der ZDF Mediathek und umfasst Erklärvideos zu naturwissenschaftlichen Fächern, Dokumentationen sowie Videos des „funk“-Programmplatzes „musstewissen“ und des YouTube-Kanals „Terra X plus Schule“. Dabei wurde einer oft und dringlich geäußerten Bitte von Bildungsexpert*innen entsprochen, denn die Beiträge werden in der Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht und sind so für Lehrer*innen und Schüler*innen vielseitig und frei nutzbar. Ein Newsletter, den man abonnieren kann, informiert über Neuzugänge im Angebot. „Terra X plus Schule“ wurde in diesem Jahr mit dem Comenius EduMedia Siegel ausgezeichnet. Das wird seit 1995 jährlich von der Gesellschaft für Pädagogik, Information und Medien verliehen. Mit dem Genre Instant Fiction hat das ZDF ein neues Spielfeld eröffnet. In einem “beschleunigten Produktionsprozess” will der Sender fiktionale Programme herstellen, um unmittelbar auf akute, aktuelle, gesellschaftliche und politische Ereignisse reagieren zu können. Die Produktion von Instant Fiction-Serien startete im März 2020. Das Genre ist inzwischen beim Publikum und bei der Kritik angekommen.

„Drinnen – Im Internet sind alle gleich“, eine “Comedy-Serie aus dem Homeoffice” war 2020 der erste Aufschlag des Genres. Die Reihe thematisiert in ihren 15 kurzen, schnellen, witzigen und äußerst authentischen Episoden das (Heim-)Arbeiten und Leben einer sehr Berlin-typischen Protagonistin unter Quarantänebedingungen. Die erste Staffel wurde bereits im April 2020 bei ZDFneo ausgestrahlt und ist in der ZDFmediathek abrufbar. In diesem Jahr ist „Drinnen“ mit dem Grimme Preis ausgezeichnet worden.

Serie mit über eine Million Abrufe

„Schlafschafe“, eine Instant Fiction-Serie, die in diesem Jahr bei ZDFneo auf Sendung und in der Mediathek online ging, verzeichnete in weniger als zwei Wochen mehr als eine Mio. Abrufe. Damit gehört sie nach ZDF-Angaben zu den erfolgreichsten ZDFneo-Serien. Durch ihr Sujet – eine junge Mutter schließt sich dem Querdenker-Milieu an und löst so eine Familienkrise aus – stand die Reihe sofort im Fokus der öffentlichen Diskussion. Zur großen Aufmerksamkeit trug auch der prominente Hauptdarsteller Daniel Donskoy bei, der gerade national und international (Netflix) als Film- und TV-Schauspieler, als Musiker und zuletzt als Gastgeber von „Freitagnacht Jews“, der ersten jüdischen Talkshow im deutschen Fernsehen, omnipräsent ist. Wegen seiner Mitwirkung in „Schlafschafe“ und seinem politischen Engagement gegen Rechts wird Donskoy heftig angegangen und macht das auch publik.

Möglich wird Instant Fiction durch Redaktionen wie die von ZDFneo, Das kleine Fernsehspiel und Quantum, die eng miteinander und gut mit externen Produktionsfirmen zusammenarbeiten. Besondere “beschleunigte” Entwicklungs- und Produktionsprozesse, schnelle Verwaltungsabläufe und Genehmigungsverfahren im Haus, schlanke mobile Technik und (Corona-bedingte) kleine Crews beim Dreh, Improvisationen und starker Einbezug der Darsteller*innen charakterisieren die Produktion. Inzwischen sind weitere Instant Fiction-Serien gelauncht worden, zum Beispiel „Liebe.Jetzt!“ oder „Lehrerin auf Entzug“.

Fiktionale Geschichten in „Echt“

Ebenfalls als Novität gilt die, gerade in Berlin und Umgebung entstehende, erste ZDF-Web-Serie für Kinder und Jugendliche. Unter dem Titel „Echt“, an Kinder ab zehn Jahre adressiert, adaptiert sie die norwegische Dramaserie „Lik meg“. Im Mittelpunkt stehen Schüler*innen einer sechsten Klasse, deren Freundschaften sich unter schwierigen Bedingungen bewähren, sich gegen Intrigen, Vertrauensmissbrauch und Ausgrenzung durchsetzen müssen. Ungewöhnlich ist die – für ein Kinderprogramm – sehr spezielle fiktionale Erzählweise. Die Geschichte wird zunächst, ab dem 11. September in einzelnen Video-Sequenzen non-linear auf kika.de, im KiKA-Player und in der ZDF-Mediathek veröffentlicht. Ab dem 17. September gibt es dann, immer am Freitagnachmittag um 15:00 Uhr im Fernsehkanal KIKA eine Fassung, bei der die einzelnen Sequenzen zu einer klassischen linearen Serienepisode gebündelt werden. „Echt“ wird von Studio Zentral, Berlin, im Auftrag des ZDF produziert. Ein Team von elf Autor*innen arbeitete an den Drehbüchern. Sechs Regisseur*innen inszenierten die einzelnen Folgen. Man darf gespannt sein, auf die Klickraten, die Abrufzahlen in den Mediatheken und nicht zuletzt auf die Reaktionen der Kinder und Eltern in den sozialen Netzwerken.

 

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