Ein Ende September bekannt gewordenes juristisches Gutachten sorgt für neue Unruhe im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Erstellt wurde es von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität Potsdam. Er untersuchte im Auftrag von Personalrat und Freienvertretung die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretungen bei der Wahl der Intendantin. Und kommt zu dem Ergebnis: „Die Wahl der RBB-Intendanz im Frühjahr 2023 litt an zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern, so dass nur eine Neuwahl den eingetretenen rechtswidrigen Zustand beheben kann.“
Schladebach spricht der am 16. Juni gewählten und seit 1. September amtierenden Ulrike Demmer außerdem die Fähigkeit für die Aufgabe ab. „Weder hat sie vor der Wahl eine hierfür relevante hervorgehobene Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Medienkontext ausgeübt, noch kann sie die unabdingbare Staatsferne gewährleisten. Sie ist daher unverzüglich abzuberufen“, so Schladebach in dem Gutachten, aus dem der Tagesspiegel zitiert. Für die Neuwahl rät er, dass „die für die Neuwahl in die engere Wahl zu ziehenden Kandidat:innen auch tatsächlich dem Anforderungsprofil entsprechen sollten, das sich aus dem Ausschreibungstext (…) ergibt“.
Demmer erklärte auf der Rundfunkratssitzung am 28. September, das Wahlverfahren sei von starken Emotionen begleitet worden. „Ich habe einen transparenten und konstruktiven Dialog versprochen und begonnen. Diesen Weg werde ich mit dem RBB auch weitergehen, um das Beste für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer zu bewirken. Oliver Bürgel, der Vorsitzende des Rundfunkrats, kündigte an, in einer Arbeitsgruppe eine neue Wahlordnung zu erarbeiten.
Gutachter kritisiert nicht nur die Wahl
Der Gutachter kritisierte aber auch Bürgel, der als Chef der Findungskommission die Vorstellungsgespräche mit den Kandidaten als bloße „Kennenlerngespräche“ geführt habe. Überhaupt habe die Findungskommission an nur einem Tag die 50 Bewerbungen gesichtet.
Schladebach kritisierte ebenfalls den brandenburgischen Ministerpräsidenten. Dietmar Woidke habe parallel zur Vorstellung der Kandidaten im Rundfunkrat an die Verwaltungsratsmitglieder geschrieben, sie sollten die Hinweise der Rechnungshöfe zur Begrenzung der Vergütung der zukünftigen Intendanz (…) prüfen und berücksichtigen“.
In der Kritik steht außerdem der neue RBB-Staatsvertrag, der 2024 in Kraft treten soll. Aus Sicht des Rundfunkrates greifen die vorgelegten Änderungsvorschläge „tief – und möglicherweise rechtswidrig – in die grundgesetzlichen Freiheiten des RBB“ ein. Zu den Kritikpunkten zählen etwa die vorgesehene Schaffung sogenannter „Landesangebote“ und die sich daraus ergebenden Strukturen und Prozesse, etwa zur Wahl und Stellung des Leitungspersonals. Ulrike Demmer will die Bedenken des Senders am 10. Oktober im Brandenburger Landtag vortragen.