Der Hörfunk in Deutschland bleibt weiterhin auf digitalem Wachstumskurs. Mehr als jeder vierte Haushalt verfügt aktuell über mindestens ein digitales Empfangsgerät. UKW behauptet sich weiter auf sehr hohem Niveau, verliert aber im Verhältnis zum Digitalempfang zunehmend an Bedeutung. Das ergibt sich aus dem jüngsten Digitalisierungsbericht Audio 2021, der am 6. September beim diesjährigen – coronabedingt online übertragenen – Digitalradiotag präsentiert wurde.
„Das Radio hat während der Hochwasser-Katastrophe wieder einmal seine Systemrelevanz bewiesen“, konstatierte Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), in Personalunion auch Präsident der der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg. Viele Menschen hätten in der Notsituation sofort auf ihr Lokalradio als erste Informationsquelle zurückgegriffen. Der Hörfunk sei in den betroffenen Gemeinden meist verlässlicher gewesen als das Internet, das vielfach ausgefallen sei. Radio Wuppertal sei bei der Verleihung des Deutschen Radiopreises in Hamburg sogar mit dem Sonderpreis ausgezeichnet worden. Es war in der Katastrophennacht auf Sendung geblieben, bis auch das Notaggregat aufgegeben hatte.
Kreißig lobte die konzertierte Reaktion von DLM, Bund und Ländern nach Ausbruch der Corona-Pandemie. Wegen des Gebots der Staatsferne habe die Hilfe nur in Form von infrastrukturellen Maßnahmen erfolgen können. Dadurch sei es der Branche gelungen, die anfänglich massiven Werbeumsatzverluste einigermaßen aufzufangen. Das Radio sei selbst in der Krise ein Medium, dass sich auf dem Markt sehr schnell wieder erholt habe. Und zwar so gut, „dass wir niemanden auf der Strecke verloren haben“, sagte Kreißig.
Die Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland hat gegenüber dem Vorjahr erneut einen Sprung nach vorn gemacht. Über 11 Millionen Haushalte verfügen inzwischen über mindestens ein Radiogerät mit dem terrestrischen Digitalstandard DAB+ Das sind gut 1,1 Millionen mehr als im Vorjahr und entspricht 27 Prozent aller Haushalte, ein Wachstum von 11 Prozent. Insgesamt finden sich hierzulande mehr als 21,7 Millionen DAB+-Geräte, das sind gut 5 Millionen mehr als im Vorjahr.
Ein kräftiges Plus verzeichnet auch die Ausstattung der Haushalte mit IP-Radioempfang, also solchen, die Programme über das Internet empfangen. Knapp 6,9 Mio. bzw. 16,8 Prozent aller Haushalte in Deutschland verfügen über ein solches Gerät. Der digitale Radioempfang über einen Kabel-oder Satellitenanschluss liegt jeweils bei 11 Prozent. Dominanter Empfangsweg bleibt jedoch weiterhin die analoge UKW-Übertragung, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Die Ausstattung mit UKW-Geräten sinkt um gut zwei auf 88,9 Prozent. Jeder Haushalt verfügt im Schnitt über vier Empfangsgeräte (UKW: 3,4; DAB+:2,0; IP: 1,6).
Auch bei den Autoradios ist der Digitalisierungstrend unverkennbar. Für alle Neuwagen gilt seit Dezember 2020 die Pflicht zur Ausstattung mit einem digitalen Radioempfangsweg. Davon profitiert derzeit vor allem DAB+: Bereits jetzt machen DAB+-Empfänger ein Fünftel aller Autoradios in Deutschland aus.
Der verstärkte Umstieg auf Digitalradioempfang verdankt sich auch der deutlichen Erweiterung der Programmvielfalt. Mit dem Start des zweiten bundesweiten DAB+-Multiplexes im Oktober 2020 sind inzwischen 27 DAB+-Radiosender bundesweit zu empfangen. Dazu kommen weitere private und öffentlich-rechtliche Sender, die in lokalen und regionalen DAB+-Netzen verbreitet werden. In Kürze soll ein neuer landesweiter DAB+Multiplex in Nordrhein-Westfalen die private Hörfunklandschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland ergänzen. Nach Berlin hat auch Hamburg Anfang des Jahres neue digitalterrestrische Kapazitäten für einen zweiten regionalen Multiplex privater Hörfunkprogramme ausgeschrieben.
Bei „DAB+“ sei inzwischen der „point of no return erreicht“, sagte Siegfried Schneider, der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) im Anschluss an die Präsentation des Berichts. „Wer einmal auf DAB+ ist, bleibt im Bouquet und wechselt nicht mehr zwischen den Übertragungsformaten hin und her“. Für die Sender bedeute DAB+ gegenüber UKW – je nach Verbreitungsgebiet – eine Kostenersparnis von 70 bis 80 Prozent. Zugleich sei DAB+ auch gegenüber dem IP-Streaming wesentlich kosteneffizienter. Schneider verwies auch auf klimapolitische Aspekte beim Streaming. Je erfolgreicher es beim Publikum sei, desto kostenintensiver werde es – „gerade auch im Hinblick auf die Ökobilanz“.
In einer Stellungnahme zum Digitalisierungsbericht erklärte Marco Maier, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VAUNET, der Bericht dokumentiere „neben der Dynamik im digitalen Bereich auch die ungebrochen hohe Relevanz des UKW-Empfangs in Deutschland“. Dieser Übertragungsweg bleibe daher „absehbar noch lange die wirtschaftliche Grundlage des Privatradios“. Die UKW-Verbreitung sei der „Garant für die bestehende Vielfalt von Radio und Audio in Deutschland und darf nicht angetastet werden“.