Durch die Finanzprobleme des Medienmultis kommen Murdoch und Berlusconi ins Spiel
Für die Kirch-Gruppe – den zweitgrößten deutschen Medienkonzern – wird 1999 ein Wendejahr sein. Erstmals in der Firmengeschichte muß Leo Kirch seine Alleinherrschaft teilen. Wie es aussieht, werden Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi (womöglich noch der Saudi-Prinz Al Waleed) als neue Teilhaber einsteigen. Damit werden die übelsten internationalen Medienherrscher auf dem deutschen Markt mitmischen.
Der Grund für diese Entwicklung: Leo Kirch hat sich mit seinen Investitionen im Digital- und Abofernsehen überhoben. Dieser Markt wird zwar vielfach als hoch profitabel, aber auch als spekulativ angesehen. Kirch hat voll auf Risiko gesetzt, das Risiko selbst aber wohl unterschätzt.
Denn die Deutschen wollten nicht so, wie Kirch sich das gedacht hatte. Die Abosender Premiere (25% Kirch, 37,5% Bertelsmann) und DF 1 (100% Kirch) haben bisher keinen großen Erfolg. Deshalb dachten sich Bertelsmann und Kirch eine Strategie aus, wie sie die Zuschauer zu ihrem Glück zwingen könnten. Die beiden Abosender sollten zusammengelegt werden und ein konkurrenzloses Spezialangebot liefern.
Kirch hatte hierfür vorgesorgt, indem er exklusive Übertragungsrechte an neuen Hollywood-Produktionen und den Fußball-WMs 2002 und 2006 erwarb. Kinoreißer, Sexfilme und Fußballspiele nur noch im Abofernsehen – das hätte der Hebel sein können, um den Durchbruch in Deutschland zu schaffen und dann das große Geld zu machen.
Rechnung ohne Wirt
Aber der Deal klappte nicht. Es fing damit an, daß Ende 1997 die Ministerpräsidenten der Länder eine Schutzliste von Spitzenveranstaltungen im Sport festlegten. Fußballwelt- und -europameisterschaftsspiele z.B. müssen im freien Fernsehen zu empfangen bleiben.
Im Mai 1998 verbot dann die EU-Kommission die Fusion von Premiere und DF 1. Auch der Versuch, das Ziel auf anderen Wegen zu erreichen, scheiterte im Oktober 1998 am Veto des Bundeskartellamts.
- Die Entwicklung brachte die Kirch-Gruppe ernsthaft in Bedrängnis. Schon im Juli 1997 hatte das Manager-Magazin, gestützt auf interne Papiere, von einer finanziellen Schieflage berichtet. Ähnliche Meldungen verbreitete im Mai 1998 die Süddeutsche Zeitung, und mittlerweile gilt es als gesichert, daß das stimmt. Der Grund ist, daß Kirch zwar weiterhin dicke Profite aus dem Filmrechtehandel (12000 Spielfilme, 48000 Programmstunden) zieht, daß die aber nicht ausreichen, seine eingegangenen Verpflichtungen zu decken:
- Durch Großeinkäufe hat Kirch Zahlungsverpflichtungen bei US-Filmstudios über etwa 10 Mrd. DM. Die Fußball-Übertragungsrechte kosteten 3,4 Mrd. DM. n Kirch hat dem französischen Konzern canal plus 25 Prozent Anteile an Premiere abgekauft. Die darf er nach dem Veto des Bundeskartellamts zwar nicht nutzen, er mußte aber Ende 1998 dafür 500 Mio. DM bezahlen.
- Die Verluste aus Premiere und DF 1 bedeutet jährlich mehrere hundert Millionen Miese für Kirch. Auch die Sender Sat 1 und DSF sind Verlustbringer. Außerdem hat Kirch in den letzten beiden Jahren Anteile an Fernsehsendern gekauft:
- Seine Beteiligung am DSF hat er von 17,6 auf 100 Prozent erhöht. Allein für Berlusconis 33,5 Prozent zahlte er im August 1998 180 Mio. DM.
- Im Oktober 1998 kaufte Kirch die Anteile des Holtzbrinck-Konzerns (15%) an Sat 1.
Kirch braucht rasch viel Geld, und deshalb muß er Teile seines Imperiums zum Kauf anbieten. Diesem Zweck dient eine Neustrukturierung, die seit Anfang Januar 1999 wirksam ist. Interessant für fremde Investoren ist die neue Kirch Media KGaA, in der die Filmhandelsfirmen, die Produktionsbetriebe und die Sender Sat 1 und DSF vereint sind. Seit Juli ’98 verhandelt Kirch mit Berlusconi, Murdoch und Al Waleed über einen Einstieg. Wer sind diese Leute?
Die „global players“
Silvio Berlusconi beherrscht mit Mediaset den größten privaten Medienkonzern Italiens. Seine Macht setzt er für politische Interessen ein: Als Führer eines Bündnisses aus Reaktionären und Faschisten war er 1994 Ministerpräsident und will es wieder werden. Mit Kirch verbinden ihn geschäftliche (dieser hält 1,3% an Mediaset) und persönliche Beziehungen.
Rupert Murdoch ist ein brutaler und skrupelloser Kapitalist. Er beherrscht Medien in Australien, Ostasien, England und den USA. 1997 versuchte er vergeblich, bei Kirch einzusteigen. Seit November besitzt er die Mehrheit am deutschen Fernsehsender TM 3. Außerdem hält er 49,9 Prozent am Sender Vox. Al Waleed schwimmt im Geld (Privatvermögen zwischen 13 und 20 Mrd. $ geschätzt) und kauft damit quer durch die Branchen Firmenanteile (u.a. Citibank, Eurodisney, Apple). Er ist auch an Murdochs News Corp. und an Berlusconis Mediaset beteiligt. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Saudi-Clans beherrscht er Fernsehsender, Filmstudios und Zeitungsverlage im Nahen Osten.
Die Medienlandschaft in Deutschland wird sich ändern. Durch eine Geschäftspolitik, die ausschließlich an Macht und Profit orientiert ist.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden zwei oder drei dieser Männer, die sich selbst gern „global players“ nennen, Teilhaber bei Kirch. Dadurch wird sich die deutsche Medienlandschaft verändern.
Sie stehen für eine Geschäftspolitik, die ausschließlich an Macht und Profit orientiert ist. Sie akzeptieren kein Hindernis, das dem im Weg steht – am allerwenigsten Belegschaften und Gewerkschaften -, und sind bereit, ihre Medien rücksichtslos und offen für politische und persönliche Kampagnen einzuspannen. Letzteres gilt am stärksten für Berlusconi, der seine Medienmacht mit rechtsradikalen politischen Zielen verbindet.
Es besteht gewiß kein Anlaß, die deutschen Medienkonzerne im Schutz zu nehmen. Betriebsräte und Redakteure bei Springer- und WAZ-Zeitungen, bei Bauer- und Burda-Zeitschriften oder bei Sendern von Bertelsmann und Kirch können manches Lied singen von Erpressung mit Arbeitsplatzvernichtung, Tarifbruch oder Eingriffen in die Redaktionsarbeit. Aber das, was sich Murdoch beim Londoner Druckerstreik 1986 und bei seinen hemmungslosen Pressekampagnen, oder Berlusconi beim Mißbrauch der Medien für seine politische Karriere geleistet haben und leisten, ist derzeit in Deutschland noch schwer vorstellbar.
Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, daß es in Zukunft vorstellbar sein wird.