Mehr Fragen als Antworten

Andrea Wenzek, freie Journalistin in Frankfurt/Main Foto: privat

Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Monika Grütters hat am 4. März 2021 ein Eckpunkte-Papier zur Wiedereröffnung des Kulturbetriebs unter Pandemiebedingungen vorgelegt. Dies stößt beim Hauptverband deutscher Filmtheater (HDF) auf Unverständnis, denn bei 50 Prozent Auslastung im Saal ist die Maskenpflicht ein tragendes Element des Konzepts. Und dann kollidieren auch noch die neusten Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz mit dem Eckpunktepapier.

Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des HDF, grollt: Eine Maskenpflicht am Platz sei nicht akzeptabel. Im nicht staatlich subventionierten Kinobetrieb sei der Verzehr von Speisen und Getränken während des Kinobesuchs eine zwingende Voraussetzung, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Berg mag hierbei vor allem an die Multiplex-Kinoketten denken, die publikumsträchtige Filme aus den großen Hollywood-Studios zeigen. Seit Beginn der Blockbuster-Ära gilt in der Kinobranche ein globales Geschäftsmodell, das nun pandemiebeding droht, aus den Fugen zu geraten: Die Einnahmen durch den Verkauf der Kinotickets fließen um die 50 Prozent an die Verleihunternehmen, die vorab in den Einkauf der Filmrechte und seine Vermarktung investiert haben. Die Multiplexe finanzieren sich hingegen vor allem aus dem Verkauf von Snacks und Getränken, denn deren Fixkosten für den Unterhalt des Hauses gestalten sich wesentlich höher als etwa für die Betreiber*innen kleinerer Kinosäle.

Dazu gehören auch Programmkinos. Sie haben derzeit kaum zu fürchten, dass ihre vorwiegend gezeigten Arthouse-Filme parallel zum Kino via Streaming-Dienst starten – wie von den Hollywood-Studios für einige Blockbuster bereits angekündigt. Wie lange sich das mit der Pandemie eingeschlichene Streaming-Virus in den Wohnzimmern hält, bleibt zudem fraglich. Das Publikum dürfte mittlerweile digital übermüdet sein. Es dürstet nach der großen Leinwand und einem differenziert hörbaren Sound. Dies hat zuletzt das rege Echo auf den Aktionstag „Kino leuchtet“ gezeigt: Am 28.Februar gingen bundesweit in den Foyers von 300 Filmtheatern die Lichter an. Und nicht zu vergessen: Das Kino ist ein Kulturort, wo sich Menschen begegnen und sich über das gemeinsam Gesehene austauschen können.

Doch das Leuchtsignal der Kinobetreiber*innen mit ihren Beschäftigten hat die Entscheidenden in der Politik nicht unbedingt erhellt. Die in der Bund-Länder-Konferenz jüngst beschlossenen Kriterien für die Wiedereröffnung der Kinos – alles unter Einhaltung der Hygiene- und Lüftungsregeln – stiften Verwirrung: Man darf ohne Maske mit einem tagesaktuellen negativen Corvid19-Schnelltest zwar ins Kino, aber nur wenn ein Inzidenzwert zwischen 50 bis 100 vorliegt. In dem einen Bundesland gilt der Landesdurchschnitt, in dem anderen ist der Landkreis maßgeblich. Doch wie sollen die Kinos die Testkontrollen überhaupt handhaben? Gilt ohne eine Maskenpflicht weiterhin eine maximale Auslastung der Säle bis zu 25 Prozent und die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Besucher*innen? Und was ist mit dem Eckpunktepapier, das eine Maskenpflicht empfiehlt? Mehr Fragen als Antworten – eine sinnvolle Strategie sieht anders aus.  Andrea Wenzek ‹‹

 

 

 

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