Mit siebtem Sinn und Tipps fürs Internet

Screenshot: Aktuelle Stunde im WDR "Angelickt"

An den Erfolg des früheren Verkehrsratgebers anknüpfen und ihn als Medienmagazin reaktivieren? Zwei Bundestags-abgeordnete haben den WDR aufgefordert, die Sendung „Der 7. Sinn“ wiederzubeleben und daraus eine regelmäßiges Format mit Tipps für die Internetnutzung zu machen. Die Idee kommt einige Jahre zu spät. Tatsächlich tun ARD und ZDF in Sachen Medienkompetenz-Bildung schon eine Menge.

Innenexperte Clemens Binninger und Internetpolitiker Thomas Jarzombek (beide CDU) haben in einem Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow angeregt, der Sender möge seinen vor zwölf Jahren eingestellten Klassiker „Der 7. Sinn“ reaktivieren – als Format, das Anregungen zum Umgang mit dem Internet und den sozialen Medien gibt. Auf diese Weise könnten gerade ältere Zuschauer „unterhaltsam und innovativ“ Grundregeln für den digitalen Alltag lernen.

Interessant ist dabei die Einschränkung auf „ältere Zuschauer“. Junge Nutzer hätten die Nachhilfe ja nicht minder nötig, zumal viele Eltern keine Ahnung haben, womit ihre Kinder im Internet konfrontiert werden könnten. Mit einem „7. Sinn“ fürs Internet wäre bei entsprechender Qualität also womöglich beiden geholfen, Kindern und (Groß-)Eltern. Die Einführung der Ratgebersendung 1966 war eine Reaktion auf die zunehmende Motorisierung der Deutschen; die drei Minuten kurzen Filme behandelten Gefahren im Straßenverkehr. Nun wäre die Zeit in der Tat reif für ein Magazin, das sich mit den Gefahren im Internet befasst.

Die Crux mit Zielgruppe und Spezialsendungen

Praktisch gab es das bereits: 2011 bis 2014 hat der WDR gemeinsam mit NDR und SWR für das „Erste“ einmal im Monat den „Ratgeber Internet“ produziert. In den Sendungen wurde beispielsweise darüber informiert, wie man sich vor Betrügereien und Abzocke schützt, was man beachten muss, wenn man sich in sozialen Netzwerken bewegt, oder wie man sich gegen Cybermobbing wehren kann. Laut einer WDR-Sprecherin hat „das an diesen Themen interessierte Publikum eine solche Spezialsendung jedoch nicht gezielt eingeschaltet. Gleichzeitig hat die Fokussierung auf den Bereich Internet die traditionellen Zuschauer der Ratgeberformate nicht angesprochen.“ So habe man sich entschieden, solche Themen „nicht isoliert im Rahmen einer Spezialsendung, sondern in der gesamten Breite unserer Programmangebote abzubilden“, etwa im Rahmen des Verbrauchermagazins „Markt“ (mittwochs um 20.15 Uhr); hier würden jede Woche ein bis zwei Themen mit Bezug zur digitalen Lebenswelt aufgegriffen. Der NDR hat ebenfalls einen „Markt“ (montags um 20.15 Uhr), und auch hier geht es regelmäßig um Themen wie „Versteckte Reklame im Internet“, „Gefahr durch Datendiebstahl“ oder „Gefälschte Ware bei Amazon“. Der WDR hat zudem in seiner Nachrichtensendung „Aktuelle Stunde“ schon vor zwanzig Jahren die Rubrik „Angeklickt“ mit dem ARD-Netzexperten Jörg Schieb eingeführt. Die Servicemagazine des SWR greifen ebenfalls regelmäßig Online- und  Mulitmediathemen auf: im „Ersten“ beim mittäglichen „ARD Buffet“, im SWR-Fernsehen in erster Linie nachmittags bei „Kaffee oder Tee“. Im Wirtschafts- und Verbrauchermagazin „Marktcheck“ (dienstags um 20.15 Uhr) werden sowohl technische Entwicklungen wie auch konkrete Fragestellungen (Wie geht Facebook? Wie kann ich auf den Datenschutz in sozialen Netzwerken achten?) beleuchtet. Im ZDF werden solche und ähnliche Themen regelmäßig im Wirtschafts- und Verbrauchermagazin „WISO“ (montags um 19.25 Uhr) sowie in der Servicesendung „Volle Kanne“ (montags bis freitags um 9.05 Uhr) behandelt. Im Ableger ZDFinfo gab es kürzlich mit Dokumentationen wie „Ich weiß, wer du bist“ oder „Hasskommentare und falsche Likes“ einen Schwerpunkt zu diesem Themenkomplex.

Lernen können jüngere und ältere Nutzer

Im Internet selbst gibt es die von den Politikern geforderten Ratgeber ohnehin längst, auch von den Fernsehsendern; allerdings richten sie sich an unterschiedliche Zielgruppen. So geht Medien etwa, ein Bildungsangebot, das der Bayerische Rundfunk im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio produziert, ist eher für jüngere Nutzer gedacht. Lernen allerdings können auch Ältere eine Menge: Die rund fünf Minuten langen Erklärstücke zeigen, wie man Nachrichten in drei Schritten hinterfragen kann, wie sich Verschwörungstheorien entlarven lassen oder wie sich Lügen im Netz verbreiten. Die Zielgruppe sind vor allem Schüler und Lehrer; zu vielen Themen gibt es zusätzliches Unterrichtsmaterial.

Facettenreich ist auch das Medienkompetenzportal Medien360g des MDR, doch hier wird die Materie ungleich trockener behandelt. Für Menschen, die auf der Suche nach dem kleinen Internetführerschein sind, ist die Seite ohnehin nur bedingt hilfreich, weil sie sich offenkundig an Fortgeschrittene richtet. Konkrete Internet-Themen sind beispielsweise das Unwesen der „Social Bots“ oder die algorithmengesteuerten Suchmaschinen; ansonsten liefert Medien360g als Internetangebot Beiträge zu allen möglichen Medienthemen.

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