MVFP gegen selektive  Presseförderung 

MVFP-Vorstandvorsitzender Philipp Welte bei der digitalen Pressekonferenz. Bildschirmfoto

Der Medienverband der freien Presse (MVFP) fürchtet vor dem Hintergrund anhaltender Kostensteigerungen um die Vielfalt der deutschen Zeitschriftenlandschaft. Unter den aktuellen wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen seien 2024 „bis zu einem Drittel der Zeitschriften in Deutschland in ihrer Existenz gefährdet“, warnte MVFP-Vorstandsvorsitzender Philipp Welte am 18. April auf der digitalen Jahrespressekonferenz seines Verbandes. 

Trotz starker digitaler Transformationserfolge sieht Welte die „Grenzen der Selbstheilungskräfte der Branche“ erreicht. Angesichts einer Kombination aus massiv gestiegenen Produktions- und Zustellungskosten sowie der notwendigen Digitalinvestitionen mahnte er staatliche Unterstützung an. Wolle der Staat die „einzigartige Vielfalt der deutschen Printmedien“ erhalten, müsse die Ampel-Regierung jetzt handeln. Angesichts der aktuellen Bedrohungslage sei es an der Zeit, „endlich die im Koalitionsvertrag vereinbarte diskriminierungsfreie Förderung von periodischer Presse auf den Weg zu bringen“. Das gelte auch für Zeitschriften, denn ein „Ausschluss von Zeitschriften aus dem Förderprogramm wäre ein ordnungspolitischer Irrweg“. Eine selektive Förderung, so Welte, wäre ein „Eingriff in den wirtschaftlichen Wettbewerb der Medien“. 

Er habe den Eindruck, die Regierung betrachte das Projekt als „Aktion heiße Kartoffel“, sagte Welte, zugleich Vorstandschef von Hubert Burda Media.  Die Verantwortlichkeit werde offenbar von einem Ministerium zum anderen weitergeleitet. Er rechne aber mit einer Entscheidung „für das laufende Jahr“. Es gehe überdies nicht, wie vielfach missverständlich angenommen, um eine Zustellförderung, sondern generell um „eine Verfügbarkeit periodischer Presse“. Als „fairste Form der Förderung“ betrachtet Welte die Orientierung an den Verkaufszahlen einzelner Objekte. Die Nachfrage, so Welte, sei ein sinnvoller Weg, die Höhe der Förderung u bemessen. 

Zugleich warnte der MVFP-Chef davor, der Branche „mit weiteren Verboten und Restriktionen den Weg in die Zukunft zu erschweren“. „Ausufernde Datenschutzgesetze“ und neue Werbeverbote behinderten nur die ökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten der Verlage. Deutsche Verlage seien weiterhin eine „digitale Kolonie US-amerikanischer Technologieplattformen“. Man brauche in Europa einen diskriminierungsfreien Zugang aller Verlagsmedien auf diese Plattformen. 

Ungeachtet der schwierigen Rahmenbedingungen bleibt der Gesamtumsatz der Zeitschriftenverlage im Geschäftsjahr 2022 mit 19,3 Milliarden Euro nahezu stabil (Vorjahr: 19,4 Mrd.) Rückgänge gab es bei den Publikumstiteln sowohl in den Bereichen Print-Anzeigen und Print-Vertrieb (3,5 bzw. 4 Prozent). Kompensiert wurde dies teilweise durch Umsatzwachstum beim digitalen Werbegeschäft (+ 10%), im Digitalvertrieb (+ 15%) und bei Paid Content (+12%). Ein zweistelliges Umsatzplus erzielte auch der Bereich „sonstige Geschäftsfelder“, darunter vor allem die sogenannten Transaktionsplattformen, also Erlöse über Kanäle wie E-Commerce, Vergleichsportale und Online-Rubriken-Märkte. 

Laut einer aktuellen MVFP-Trendumfrage erwartet die Branche 2023 nur eine „durchwachsene Entwicklung“. Fast alle an der Umfrage teilnehmenden Verlage (96 Prozent) planen für dieses Jahr Preiserhöhungen für ihre Produkte. 87 Prozent wollen die Steigerung der Digitalerlöse vorantreiben, 41 Prozent inklusive vermehrte Umstellung auf digitale Ausgaben. 

Eine ganz neue Herausforderung bedeutet für die Verlage die rasante Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz. Laut MVFP-Bundesgeschäftsführer Stephan Scherzer fordern 78 Prozent der Umfrageteilnehmer, sicherzustellen, „dass eine Ausbeutung der Leistung der Verlage durch die konkurrierende KI-Presse unterbleibt“. Schon jetzt sei die „Roboterpresse“ ein relevantes Wettbewerbsprodukt, das aber auf von etablierten Verlagen und Redaktionen produzierten Inhalten fuße. Sollte sich herausstellen, dass diese Inhalteverwertung durch konkurrierende KI-Veröffentlichungen nicht verhindert werden könne, fordert die Mehrheit der befragten Verlage eine entsprechende Anpassung des Rechts. Allerdings, so Scherzer, würden auch in rund jedem fünften Verlag KI-Lösungen bereits bei der Inhalte-Produktion genutzt. Rund ein Drittel prüfe den Einsatz.

Die Aktivitäten zum diesjährigen Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai steht diesmal unter dem Motto „Pressefreiheit ist deine Freiheit“. Testimonials der gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen, den Journalistengewerkschaften und anderen organisierte Kampagne sind Can Dündar, Düzen Tekkal und die 2017 in Malta ermordete Journalistin Daphne Caruana Galizia.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »