Neuer Anlauf zur Presseförderung

Zeitungen

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Der Strukturwandel auf dem deutschen Zeitungsmarkt ist in vollem Gange. Auflagen und Umsätze sind weiterhin rückläufig. Die digitale Transformation läuft schleppend. Mit einer staatlichen Presseförderung – so sieht es der Koalitionsvertrag vor – sollen die Zeitungsverlage unterstützt werden. Passiert ist seit Regierungsantritt nichts. Unter dem Eindruck multipler Krisen und steigender Vertriebspreise für Printmedien verstärkt die Verlegerlobby ihren Druck auf die Ampel. Jetzt sorgt auch eine Bundesratsinitiative für Bewegung. 

Kaum war die neue Bundesregierung im Amt, wurde auch schon die Lobbymaschine der Printbranche angeworfen. Sigrun Albert, erst seit April neue Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), spricht von einer Deckungslücke bei den jährlichen Vertriebskosten von 600 Millionen Euro. Allein die im Oktober geplante Erhöhung des Mindestlohns belaste die Branche mit Zusatzkosten von 220 Millionen Euro. Als Ausgleich erwartete man staatliche Subventionen für den Vertrieb. Denn: „Können Zeitungen nicht mehr zugestellt werden, entstehen bei gewissen Teilen der Bevölkerung Versorgungslücken mit seriösen nachrichtlichen Informationen“, warnte Albert Mitte Juni im Branchendienst „Medieninsider“. Was ja wohl niemand ernsthaft wollen könne. 

Eine Woche später legten die Zeitschriftenverleger nach. Der Absturz des Anzeigengeschäfts durch die Marktmacht von Amazon, Google & Co, die Effekte von Pandemie und Ukraine-Krieg – Philipp Welte, Vizepräsident des Medienverbands der freien Presse (MVFP, früher VDZ) sieht aufgrund dieser „bisher nie dagewesenen Kombination von strukturellen Veränderungen und massiven aktuellen Bedrohungen“ auf dem deutschen Markt fast jedes dritte Printprodukt in seiner Existenz gefährdet. Dazu noch der grassierende Materialmangel: „Viele Verlage wissen bis heute nicht, auf welchem Papier sie im dritten oder vierten Quartal ihre Zeitschriften drucken sollen“, klagte Welte unlängst beim European Publishing Congress in Wien. 

Auf demselben Kongress machte sich Funke-Verlegerin Julia Becker stark für einen staatlichen Verzicht auf die Mehrwertsteuer. „Wer es schafft, innerhalb weniger Wochen Steuern auf klimaschädliche Treibstoffe zu reduzieren und tatenlos dabei zuschaut, wie Ölkonzerne Teile der Steuerreduzierung als Gewinn abschöpfen, wird es wohl auch hinbekommen, journalistische Produkte als ‚Treibstoff der Demokratie‘ geringer zu besteuern“, gab sich Becker geradezu kapitalismuskritisch – wenn auch mit durchsichtigem Eigeninteresse.

Angesichts der Tatenlosigkeit der Ampel drückt die Branche aufs Tempo. „Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten“ – dies hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag gelobt. Passiert ist seither aber wenig. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte lediglich am 1. Juni auf dem Kongress des Verbands Deutscher Lokalzeitungen die Bereitschaft der Ampelparteien erneuert, die Rahmenbedingungen für die Branche und speziell den Lokaljournalismus zu verbessern. 

Womöglich steckt dem Kanzler noch das peinliche Spektakel um die Presseförderung aus der letzten Legislaturperiode in den Knochen. Ein Jahr lang hatte die GroKo über das Prestigeprojekt gestritten. Scholz, damals noch Finanzminister, hatte die Bazooka ausgepackt und wollte den Verlagen stattliche 220 Millionen Euro spendieren – erst als Vertriebsförderung, später umdeklariert als Mittel zur Unterstützung der „digitalen Transformation“. 

Was folgte, war ein öffentlicher Hickhack, an dessen Ende sogar eine Verfassungsbeschwerde digitaler Startups wie „Krautreporter“ drohte: Wegen mutmaßlicher Verletzung der Pressefreiheit durch Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs – schließlich sollten kleine Digitalunternehmen außen vor bleiben. Das Vorhaben zum „Erhalt der Medienvielfalt“ erlitt ein Begräbnis dritter Klasse. Im April 2021 wurde es stillschweigend von der Agenda gestrichen. 

Vier Länder gehen jetzt voran 

Jetzt wird ein neuer Anlauf unternommen, diesmal auf Initiative einiger Bundesländer. Anfang Juli brachten Sachsen und Niedersachsen im Bundesrat eine Entschließung „für den Erhalt der Pressevielfalt“ ein. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, eine „innovationsoffene und plattformneutrale Förderung der flächendeckenden Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen schnellstmöglich“ zu beginnen. Bremen und Schleswig-Holstein schlossen sich der Aufforderung an.  

Eine freie, lokal und regional verwurzelte Presse sei „für unsere Demokratie eine Lebensversicherung“, so die Antragsbegründung von Sachsens Medienminister Oliver Schenk (CDU). Zugleich bedauern die Antragsteller, dass – anders als noch im Jahr zuvor – für das Haushaltsjahr 2022 „keine Mittel“ für die Presseförderung eingestellt worden seien.

Zur „Absicherung einer qualitativ hochwertigen Berichterstattung im Lokal- und Regionalbereich“ sollen auch Maßnahmen zur Erprobung und Umsetzung „innovativer Ansätze“ in den Unternehmen unterstützt werden, heißt es. Als da wären: „neue Geschäftsmodelle, Verbreitungswege, Produkte, Formate oder neuartige Kooperationsmodelle“. Zugleich lege der Bundesrat „besonderen Wert darauf, dass sich die Förderung nicht auf die unabhängige journalistische Tätigkeit der Medienhäuser auswirken darf“. Ein Hinweis darauf, dass man die Verleger bei der Mittelvergabe nicht mit unbotmäßigen Qualitätsauflagen belästigen will.

Keine Rede ist einstweilen von der Ampel-Ankündigung, „Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“ zu schaffen. Die von den Grünen in den Koalitionsvertrag eingebrachte Anerkennung von Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig würde ermöglichen, Finanzierungsquellen etwa aus dem Stiftungsbereich für Lokal- und Investigativjournalismus zu eröffnen. Ein Projekt, das bei der Verlegerlobby naturgemäß auf Misstrauen stößt. Die ist mehr an klassischer Gießkannenförderung interessiert. Weshalb neben BDZV und MVFP auch der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) die Bundesratsinitiative wärmstens begrüßte.

Bleibt zu hoffen, dass die Ampel-Koalition nicht die Fehler der Vorgänger-Regierung wiederholt. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist zu hören, vor einer Entscheidung warte man noch auf die Ergebnisse einer Studie zur „Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Bundesförderung der Pressewirtschaft“ sowie einer weiteren Studie aus dem Hause der Bundesstaatsministerin für Kultur und Medien. Auf Basis dieser Arbeiten werde nach der parlamentarischen Sommerpause ein Branchendialog anvisiert. 

Der Antrag der vier Bundesländer wird zunächst auf Ausschussebene erörtert und kommt frühestens im Herbst im Bundesrat zur Abstimmung. An das Ergebnis halten muss sich die Bundesregierung indes nicht. 

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