„Wie digital sind Deutschlands Medien?“, fragte der Berliner Mediensalon von DJV Berlin, dju in ver.di und meko factory, der gestern zum zweiten Mal im Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation stattfand. Eine befriedigende Antwort blieb er dem zahlreich erschienenen Publikum leider schuldig. Stattdessen gab es Insiderinfos aus dem „Neuigkeiten-Zimmer“ von Verkehrsminister Andreas Scheuer und aus der BuzzFeed Deutschland-Redaktion, in die sich immer öfter noch ein Fax verirrt.
So stellten Liana Stavenhagen und Laura Wolfs vom Marktforschungsunternehmen Ipsos Germany gleich zu Beginn eine neue repräsentative Studie zur Akzeptanz von Digitalisierung und neuen Technologien in neun Ländern, darunter Deutschland, China und die USA, vor. Pro Land habe man dabei 1000 Online-Befragungen durchgeführt und zusätzlich jeweils fünf Experten mit einem Digitalisierungshintergrund interviewt, erklärte Stavenhagen. Ein Fazit: In allen Ländern werde die Digitalisierung tendenziell eher positiv gesehen, dabei sei die Digitalisierungseuphorie in Asien jedoch am stärksten. Insgesamt ließe sich zudem sagen, dass die Akzeptanz neuer Technologien mit dem Maß an „benefits“ für das alltägliche Leben steige. Wer sich demnach dank des digitalen Fortschritts in seinem persönlichen Vorankommen gestärkt sieht und sich besser selbst verwirklichen kann, steht der Digitalisierung auch positiver gegenüber. Als größten Hoffnungsträger des technologischen Wandels hätten die Befragten das Einsparen von Ressourcen, als größte Gefahr Cyber-Angriffe benannt, fasste Stavenhagen die Ergebnisse zusammen.
Überraschend: Zwar ist die Digitalisierungsskepsis in den USA weitaus niedriger als in Deutschland. Doch nutzen in den Staaten nur 74 Prozent der Bevölkerung das Internet, während das hierzulande rund 85 Prozent tun, in Großbritannien sind es sogar 95 Prozent. Zudem ist die Gender Gap bei der Bewertung der Digitalisierung in den USA (aber auch in Europa) deutlich größer als etwa in Indien oder China, Frauen bewerten die neuen Technologien also häufiger negativ als die männlichen Befragten. Das liege, so Wolf, vor allem an fehlenden „Role Models“. Frauen seien in den USA demnach in viel geringerem Maße in Führungspositionen von Tech-Unternehmen vertreten als in den asiatischen Ländern.
Nur von News kann keiner leben
Über das Geschäftsmodell von BuzzFeed Deutschland berichtete Entertainment-Chefin Anna Aridzanjan. Der deutsche Ableger des 2006 gegründeten US-Medienportals hat sich seit der Übernahme des Chefredakteurspostens durch Daniel Drepper (vorher Correct!v) zu einem Newsportal gewandelt, das auch durch investigative Rechercheprojekte auf sich aufmerksam macht. So wurde etwa die BuzzFeed News-Recherche „Vergewaltigt auf Europas Feldern“ der Reporterinnen Pascale Müller und Stefania Prandi erst im September mit dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet.
Drepper habe den Newsbereich bei BuzzFeed überhaupt erst aufgebaut, erzählte Aridzanjan. Vorher habe es den gar nicht gegeben. Dennoch existiere das Portal vor allem dank der zwei anderen Säulen, dem Entertainment und dem Business-Bereich. Denn: „News ist eigentlich immer ein Zuschussgeschäft, so wie bei vielen anderen Medien.“ Dabei setze BuzzFeed allerdings nicht auf Paid Content, sondern finanziere sich ausschließlich durch Werbung, zu einem Teil mit klassischer Bannerwerbung und zu einem anderen, „nicht kleinen Teil“, mit Native Advertising, also werblichen Inhalten in der Form redaktioneller Beiträge. Zuletzt habe man etwa größere Deals mit der Sparkasse und Tinder abgeschlossen, sagte Ardizanjan, betonte aber zugleich, dass diese bezahlten Inhalte immer auch als solche gekennzeichnet würden.
Die Newsroom-Inflation
Auf dem Podium im Vodafone Institut saß auch Christiane Germann. Sie berät Behörden beim Einsatz von Social Media und hat sich bereits den neuen Newsroom des Bundesverkehrsministeriums, genannt das „Neuigkeiten-Zimmer“, angeschaut. Hier kümmern sich 14 Mitarbeiter_innen um die crossmediale Kommunikation zwischen Pressemitteilung und Social Media. Zielgruppe seien, so Germann, zum einen Journalistinnen und Journalisten und zum anderen die Bürgerinnen und Bürger, mit denen der Dialog gestärkt werden solle. Nicht wenige der neuen Scheuer-Kommunikationsprofis kommen von Springer, darunter auch Inga Thomas, die an diesem Abend im Publikum sitzt. Für den Minister sei das neue Projekt eine „Herzensangelegenheit“, betonte die ehemalige Journalistin der Welt, jeden Tag schaue er im „Neuigkeiten-Zimmer“ vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.
Doch welche Auswirkungen hat diese neue Newsroom-Inflation auf die Rolle des Journalismus? Immerhin statten sich nicht nur immer mehr Behörden mit einer Kommunikationsschaltzentrale aus, auch Unternehmen nehmen die eigene Außendarstellung mittlerweile lieber vollständig selbst in die Hand. Christoph Dernbach, Leiter der dpa-Netzwelt, sieht diese Entwicklung skeptisch und wertet sie als Versuch, den klassischen Journalismus als Vermittler auszuschalten. Bestes und ein alarmierendes Beispiel dafür, wo diese Reise hingehen könnte, sei Donald Trump. Germann dagegen sieht diesen Trend gelassener. Für sie ist klar: Eine der wichtigsten Zielgruppen der Kommunikation des Newsrooms, auch der Social Media-Arbeit, seien noch immer die Journalistinnen und Journalisten.