Nur Schlagwort oder wichtige Klammer?

Mediensalon in der TAZ-Kantine zum Thema Mittelstandskommunikation Foto: Christian v. Polentz

Ist „Purpose“ für Unternehmen die „Klammer, die alles zusammenhält“, wie Dr. Michael Johann von der Uni Leipzig meint, oder ist es nur ein „Buzzword“, das schnell „floskelhaft“ wirken kann, wie Katja Michel von der Zeitschrift „Capital“ sagte? Hilft „Purpose“, die Betonung eines gesellschaftlichen Mehrwerts, den ein Unternehmen bietet, mediale Aufmerksamkeit zu erregen? Darüber gingen die Meinungen auseinander beim Berliner Mediensalon.

„Let’s Purpose – Mittelstand neu kommuniziert“ heißt die Studie, die der Online-Kommunikationswissenschaftler Michael Johann mit seinen Studierenden im Auftrag der ETL-Steuerberatungsgruppe im vergangenen halben Jahr erstellt hat. Aufbauend auf den Ergebnissen des ETL-Mittelstandskompass von 2022 wurden 207 Kommunikationsverantwortliche in Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) nach ihrem „Purpose“ befragt. Dabei zeigte sich, dass es in den KMU selten klare Verantwortlichkeiten für die Kommunikation nach außen gibt. Laut Studie hätten aber 58 Prozent das „Warum“ ihres Unternehmens für sich beantwortet, zumeist sei es Chefsache. Laut Johann ist „Purpose die Klammer, die alles zusammenhält“ und helfe beim Erreichen der Kommunikationsziele, der Mitarbeitermotivation und der Bildung der Unternehmensidentität. „Möglicherweise ist nicht überall, wo Purpose draufsteht, auch Purpose drin“, gab Johann zu, aber die „Aufgabe des gesellschaftlichen Mehrwerts“ sei erkannt.

Identifikation mit Firma und Produkt

Als ein Beispiel befragte Moderator Johannes Altmeyer, Newsletter-Redakteur beim „Tagesspiegel“, den Pressechef von „Veganz“, Moritz Möller. Veganz betont auf der eigenen Website das Ziel, mit den veganen Pflanzenprodukten zur Nachhaltigkeit und dem Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. Für Möller ist „Purpose“ ein zentrales Element der Firma, auch intern. Arbeit habe einen anderen Stellenwert bekommen und lange Unternehmensbindungen seien heute weniger üblich. Engagierte Bewerber*innen erreiche man nur, indem man „Themen bedient, die jungen Leuten wichtig sind“. Alle Produkte würden einer „Lebensbilanz zum CO2-Abdruck“ unterzogen. Die Nachhaltigkeit gelte in allen Abteilungen als Ziel, so dass beispielsweise nur gebrauchte Software eingesetzt würde. Dieser Identifizierungsprozess funktioniere aber nur „bottom-up“ durch Einbindung der Mitarbeitenden, zeigte sich Möller überzeugt.

Floskel oder gute Absicht?

Die Abrufzahlen von Onlinebeiträgen zu diesem Thema zeigten deutlich, dass „Purpose“ ein Chefthema sei, sagte Wirtschaftspublizist Michael Oelmann, Herausgeber von „Die Deutsche Wirtschaft“ (DDW). Er forderte Unternehmer*innen auf, mehr Mut zu eindeutigen Äußerungen zu haben, in der Verbrenner-Diskussion sei von Verbänden und Firmen kaum etwas zu hören gewesen.

Der Chefredakteur von „KOM – Magazin für Kommunikation“, Volker Thoms, beobachtet nicht, dass viele Unternehmen „Purpose“-Kommunikation betreiben würden, “Purpose“ sei vor einigen Jahren eine Welle aus den USA gewesen, die bereits wieder abebbe. Jedes Unternehmen brauche „einen Sinn, warum es existiert“, um Fachkräfte anzuziehen, als Marketingbotschaft sei das aber „nicht unbedingt nötig“. Für Katja Michel, Redakteurin bei „Capital“, ist „Purpose“ ein „Buzzword“. Wenn Nachhaltigkeit nicht wirklich Unternehmensziel sei, könne die Botschaft schnell „nicht mehr glaubwürdig und floskelhaft“ wirken und als „Greenwashing“ wahrgenommen werden. Oelmann bemängelte, dass so ein Konzept nicht authentisch wirke, wenn es nicht aus dem Unternehmen selbst komme, sondern von Agenturen von außen aufgebaut werde.

„Wo steht denn der Mittelstand bei der wertebasierten Wirtschaft“, wollte Altmeyer von Oelmann wissen, der trocken antwortete: „Die Liga ist noch gar nicht erfunden.“ „News ist wichtiger als Purpose“, betonte ein Kommunikationsagent aus dem Publikum am Schluss der Diskussion, denn „die Absicht ist nicht interessant, nur das Umsetzen.“


Der Mediensalon ist eine Veranstaltung der gemeinnützigen meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz in Kooperation mit Deutscher Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, Deutschem Journalistenverband DJV Berlin – JVBB e.V. unterstützt von Landau Media und der Otto Brenner Stiftung.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Aktivrente: Keine Option für Freie

Ein Bestandteil des derzeit kontrovers diskutierten “Rentenpakts” ist die sogenannte Aktivrente. Wer trotz Ruhestand weiter erwerbstätig ist, bekommt einen Steuerbonus. Doch das geplante Gesetz enthält eine Schieflage: Freie Journalisten oder Autorinnen sind wie andere Selbstständige von der Regelung ausgenommen.
mehr »

COP30 und der Klimajournalismus

Die Weltklimakonferenz in Belém bringt das Thema Klimaschutz zurück auf manche Titelseiten. Aber welche Rolle spielt das Klima im Alltag in deutschen Medien? Alexandra Endres (table.media) und Torsten Schäfer (FH Darmstadt) beobachten das Geschehen schon länger und nehmen die CPO30 zum Anlass, um für eine Sendung des Deutschlandfunks darüber zu diskutieren.
mehr »

Ver.di: Deutsche Welle nicht kürzen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die geplante Etat-Senkung bei der Deutschen Welle, mit der eine Schrumpfung des deutschen Auslandssenders einhergehen wird. Stattdessen müsse eine ausreichende Finanzierung durch Bundesmittel gewährleistet werden.
mehr »

Schon entdeckt? Wie Rechte reden

Jede Woche die Analyse eines rechten Zitats – ob aus dem Bundestag oder beim Weihnachtsessen mit der Familie. Das bietet der Newsletter „Wie Rechte reden“ von Maria Timtschenko und Johannes Giesler. Denn: „Die Neue Rechte ist da“, wie die Autor*innen in der Ankündigung ihres Newsletters schreiben.
mehr »