Gemeinnützigen Journalismus fördern

OBS-Studie: Die Rahmenbedingungen für gemeinnützigen Journalismus sind nicht opimal. Foto: neh

„Die Rahmenbedingungen für gemeinnützigen Journalismus sind in Deutschland alles andere als optimal.“ Das konstatierte das am 4. Oktober veröffentlichte „Whitepaper Non-Profit-Journalismus“ der Otto Brenner Stiftung. Würde journalistische Arbeit  in Deutschland als gemeinnützig anerkannt, würde dies Steuervorteile bringen und die Annahme von Spenden sowie die Möglichkeit einer Förderung durch Stiftungen, andere gemeinnützige Akteure und die öffentliche Hand erleichtern. Nötig seien neue Förderstrukturen und regulatorische Maßnahmen. 

„Non-Profit-Journalismus könnte zum Game Changer für den Journalismus werden, wenn sich die Förderkulisse und Spendenbereitschaft in Deutschland in den kommenden Jahren radikal wandelt“, sagte Studienautor Stephan Weichert vom Vocer Institut für Digitale Resilienz. „Unser Whitepaper entlarvt etliche Fallstricke, aber auch Zwänge und Risiken, die sich aus neuen Konkurrenzen und möglichen Abhängigkeiten in diesem Feld ergeben.“ Leif Kramp vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen, erklärte: „Wir erleben eine tiefe Zerstrittenheit zwischen alten und neuen Marktakteuren, wenn es um allgemeine Fragen der Presse- und Journalismusförderung geht.“ Kontrovers werde insbesondere die Gemeinnützigkeit im Journalismus diskutiert: „Die einen erkennen darin eine überfällige regulatorische Maßnahme, um Medienvielfalt zu fördern. Andere befürchten eine bevor- stehende Wettbewerbsverzerrung.“ Eine gemeinsame Diskussionsbasis sei daher „schwer herzustellen“.

Die Bereitstellung von hochwertigen journalistischen Inhalten sei akut gefährdet, weil Produktions- und Vertriebskosten explodierten, klassische Werbefinanzierung einbreche und Bezahlschranken im Digitalen oft hinter den Erwartungen blieben. Um der für die Demokratie so wichtigen Aufgabe auch künftig nachzukommen, brauche der Journalismus mittelfristig mehr öffentliche und private Unterstützung, so die Autoren. „In der angespannten Wirtschaftslage votierten Journalist*innenverbände und -Gewerkschaften sowie weite Teile der Medienpolitik für eine Rechtssicherheit von gemeinnützigem Journalismus, Presseverbände seien dagegen.  

Dass sich journalistische Non-Profit-Unternehmungen häufig mit Not- und Zwischenlösungen behelfen müssten, sorge für Rechtsunsicherheit. Dem gegenwärtigen Fördervolumen für journalistische Non-Profit-Projekte sind in Deutschland enge Grenzen gesetzt, es bleibt weithin schwammig, „ob der Non-Profit- Markt weitere Neugründungen verträgt, und ob die ersehnte Änderung der Abgabenordnung eine neue Spendenbereitschaft in der Bevölkerung stimuliert“, resümierten die Autoren. Sie warnen angesichts der diffusen Förderlage davor, nicht zum Spielball von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu werden. Den Schnittstellenorganisationen im Feld des gemeinnützigen Journalismus schreiben sie eine zentrale Rolle zu, weil sie mit der Organisation von Trainings, Studien, Weiterbildungsangeboten und Netzwerkveranstaltungen neutral zwischen journalistischer Praxis, Förderern und Öffentlichkeit vermitteln. 

Das Arbeitsheft bietet einen aktuellen Lagebericht und eine Diskussionsgrundlage zum gemeinnützigen Journalismus in Deutschland. Dazu haben die Medienwissenschaftler Stellungnahmen und Gedankenanstöße unterschiedlicher Stakeholder eingeholt. Unter den befragten Pionieren des gemeinnützigen Journalismus wurden unter anderen netzpolitik.org, Kontext:Wochenzeitung oder dekoder.org befragt. Außerdem geben sie Empfehlungen für ein aussichtsreiches Vorgehen in diesem Problemfeld.


 

Leif Kramp, Stephan Weichert: Whitepaper Non-Profit-Journalismus. Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen, OBS-Arbeitsheft 112, Frankfurt am Main, Oktober 2023

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Trumps digitaler Medienpranger

Donald Trump verfolgt mit seinen Attacken auf Medien und Journalist*innen drei Hauptziele: Ablenkung von eigenen Verfehlungen, Bindung seiner rechten Unterstützer*innen und Selbstbereicherung. Große Medienkonzerne unterstützen ihn, um eigene Profitinteressen zu fördern. Das Resultat ist eine Bedrohung von Pressefreiheit und Demokratie.
mehr »