Wenig innovativ scheint das, was die Axel Springer SE da vorhat: Statt auf die Börse setzt sie künftig auf Private Equity, um noch profitabler zu werden. Zu Recht wird befürchtet, journalistische Qualität und Vielfalt könnten nach dem Einstieg des Finanzinvestors KKR der Rendite untergeordnet werden. Wer aber seiner Verantwortung nicht nachkommt, der hat auch keine Privilegien verdient.
In der vergangenen Woche hat der mächtige US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) die erforderliche Quote von 20 Prozent für den Einstieg bei Axel Springer geknackt. Fast 28 Prozent der Springer-Aktien habe das New Yorker Private-Equity-Unternehmen von den Aktionären eingesammelt, teilte das Unternehmen mit. Bis zum 21. August haben noch weitere die Möglichkeit, ihre Aktien dem Finanzinvestor anzudienen, wie es im Fachjargon heißt. Damit bekämen künftig die Heuschrecken das Sagen im Hause Springer, zumindest indirekt.
Denn Friede Springer und Vorstandschef Mathias Döpfner behalten ihren Anteil. Sie besitzt 42,6 Prozent, er seit einer Schenkung durch die Verlegerwitwe 2,8 Prozent. Gemeinsam mit KKR kommen sie nun auf gut 73 Prozent der Anteile an dem Medienkonzern. Weitere zehn Prozent liegen noch bei den Enkeln und Enkelinnen von Axel Springer, hier ist unklar, ob auch sie verkaufen wollen. Der Rest ist vor allem in der Hand von Kleinaktionären, die nicht viel gegen die Hauptanteilseigner ausrichten können. Hinzu kommt: Viele könnten sich angesichts der nun geschaffenen Mehrheiten noch entscheiden, auch ihre Anteile dem Investor zu übertragen.
Klar ist: Der Springer-Konzern soll mithilfe des Finanzinvestors von der Börse genommen werden, angeblich, um unabhängiger von den Aktionären zu werden und die Rendite stabiler zu machen. Klar scheint deshalb auch: Es geht um die Rendite – nicht die journalistischen Inhalte. Diese Strategie kennt man schon aus anderen Branchen, wo börsennotierte Firmen von Private Equity herausgekauft werden, um sie größer und noch profitabler zu machen – und später weiterzuverkaufen. Buy and build.
Für die Medienbranche wäre Springers Schritt ein Novum und man darf sich fragen, wie das mit publizistischer Verantwortung, mit dem demokratischen Auftrag von Presseunternehmen und den damit verbundenen Privilegien zusammenpassen soll.
Bei den Beschäftigten geht daher zu Recht die Sorge um, dass mit dem Einstieg von KKR bald andere Zeiten anbrechen, auch wenn Friede Springer verspricht, die journalistischen Prinzipien und die eigene Unternehmenskultur blieben unangetastet. Da hilft es ebenso wenig, dass Döpfner ankündigt, es solle ein neues Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm geben. Sicher: Man kann den Versprechungen des Managements glauben, dass Geld von der US-Heuschrecke besser für die Unabhängigkeit des Medienunternehmens sei – zum Beispiel, um neue journalistische Konzepte und Produkte zu entwickeln. Man kann gern glauben, dass es den Konzernlenkern nicht nur um Geld, sondern auch um publizistische Verantwortung gehe. Aber man muss es eben auch nicht.
Besser ist es vielleicht, wachsam und kritisch zu sein. Denn bisher war Private Equity nun einmal immer Kapitalismus in Reinform – und keineswegs besser als das alte Spiel an der Börse. Dort gibt es immerhin genaue Vorschriften, Regeln und Berichtspflichten. Und es gibt auch genaue Regeln für die Mitbestimmung. Die Sache sieht mit einem US-Finanzinvestor als Eigentümer hingegen etwas anders aus.
Das Beispiel der ProSiebenSat.1 Group zeigt, wohin es gehen könnte. Denn dort war KKR bereits aktiv und führte Sparrunden mit Personalabbau durch, um möglichst viel Geld rauszuholen. Eine Verbesserung des Programms oder gar ein Investment in journalistische Formate fand nicht statt. Statt der versprochenen Qualitätsverbesserung gab es Kahlschlag.
Bei Springer gibt man derweil vor, auch künftig ein journalistisches Haus bleiben zu wollen. Nur: In den letzten Jahren hat der Konzern wenig dafür getan, im Gegenteil zahlreiche journalistische Titel abgestoßen. Unter der Führung des ehemaligen Journalisten Mathias Döpfner ist der einstige Zeitungsverlag stattdessen zu einem Medien- und Internetkonzern geworden, der die Hälfte seines Umsatzes im Ausland macht, der ein Jobportal betreibt und auch die Mehrheit an einer Wohnungsplattform besitzt.
Das kann natürlich eine Strategie für ein modernes Medienunternehmen sein, dann müsste aber das auf den anderen Plattformen verdiente Geld auch in Journalismus reinvestiert werden. Denn wer Journalismus machen will, der muss eben auch Journalismus liefern. Und das heißt auch: die redaktionellen Angebote ausbauen, Redaktionen stärken, den Profit nicht nur den Heuschrecken und Eigentümern überlassen, sondern damit einen Beitrag für die Demokratie, für gute Arbeitsbedingungen und für sinnvolle Innovationen leisten, die eben diesen Zielen dienen.
Wer die Privilegien von Presseverlagen in Anspruch nimmt, muss auch als Digitalkonzern ein schlagendes und vitales journalistisches Herz haben. Und dieses Herz sollte für einen Qualitätsjournalismus schlagen, welcher der Meinungspluralität dient. Es darf sich gerade nicht nur um einen künstlich am Leben gelassenen Titel handeln, der vor allem mit Boulevard und Sensationsberichterstattung Klicks erhascht und nebenbei noch Nutzerdaten sammelt, analysiert und verkauft. Die Gefahr ist groß, dass die neue Finanzstrategie eher dazu führen wird, den Rest-Journalismus bei Springer zu nur notdürftig aufrechterhaltenem Beiprodukt in einem sonst vor allem auf Rendite getrimmten Bauchladen aus Digitalangeboten und Mediendienstleistungen verkommen zu lassen.
Für uns als Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten steht jedoch fest: Mehrwertsteuervergünstigungen oder einen Tendenzschutz darf es in so einem Fall nicht mehr geben!
Wohin die Entwicklungen bei Springer gehen werden, ist derzeit noch nicht öffentlich bekannt. Auch, weil es noch viele kartellrechtliche Fragen gibt. Eines steht aber jetzt schon fest: Wir als dju in ver.di werden genau hinsehen.