Rechtswidrig

Kein angemessenes Honorar durch Total-Buy-out-Verträge

In gleich drei Entscheidungen haben Gerichte in letzter Zeit verfügt, dass Total-Buy-out-Verträge, wie sie immer mehr Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ihren Freien aufzwingen, rechtswidrig sind und in der üblichen Form nicht mehr verwandt werden dürfen. Zentrales Argument: Die dort vereinbarte honorarfreie Zweit- und Drittnutzung von Artikeln und Fotos verstößt gegen das „Leitbild“ des im Urheberrechtsgesetz verankerten Anspruchs auf ein angemessenes Honorar.

Springer, Bauer und der Nordkurier haben es jetzt schriftlich: Ihre Vertragsbedingungen, mit denen sie ihren Freien einen Total Buy-out abpressen wollten, sind rechtswidrig und dürfen in der bisherigen Form nicht mehr verwendet werden.
Den Anfang machte das Landgericht Berlin. Es bestätigte bereits am 9. Dezember 2008 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Axel Springer Verlag anderthalb Jahre zuvor untersagt worden war, seine Allgemeinen Vertragsbedingungen weiter zu nutzen, da sie zumindest in Teilen die betroffenen freien Fotografen „unangemessen benachteiligen“. Geklagt hatten ver.di, der DJV und FreeLens. Im Kern geht es in dem Urteil darum, dass Springer von seinen Freien sozusagen alle Nutzungsrechte für immer und ewig und auch das Recht verlangte, die Beiträge an Dritte zu vermarkten, ohne dass für diese Fälle ein Honoraranspruch eindeutig geregelt war. Das verstößt nach Meinung des Gerichts gegen das im Urheberrechtsgesetz fixierte „Leitbild“ einer angemessenen Vergütung.
Als rechtswidrig bezeichnet das Gericht außerdem die Bestimmungen, nach denen der Verlag nicht für eine unterlassene Namensnennung haften und das „Ausfallhonorar“ lediglich 50 Prozent betragen sollte. Sie gelten deshalb auch dann nicht, wenn Freie sie unterschrieben haben. Gegen dieses Urteil haben beide Seiten Berufung eingelegt.
Den Hamburger Bauer-Verlag erwischte es Mitte Juli 2009: Ihm untersagte das Landgericht Hamburg auf Antrag von FreeLens per einstweiliger Verfügung, sich von Fotografen per „Rahmenvertrag“ über den einmaligen Abdruck hinausgehende Nutzungsrechte gegen ein einmaliges Pauschalhonorar einräumen zu lassen. Da FreeLens in seinem Antrag leider nur diese eine Klausel angegriffen hatte, nicht aber zahlreiche andere, die nach Ansicht von ver.di ebenfalls rechtswidrig sind, gehen ver.di und der DJV gegen diesen Rahmenvertrag jetzt zusätzlich noch mit dem Mittel der Abmahnung vor.
Auch der Neubrandenburger Nordkurier, der im Mai mit seiner Idee, Aufträge an Freie via Internet zu versteigern, in die Schlagzeilen geraten war, kassierte am 31. Juli eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Rostock für seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu den „Rahmenvereinbarungen für freie Mitarbeiter“. Darin hatte der Nordkurier das Urheberrechtsgesetz geradezu systematisch auszuhebeln versucht und z.B. festgelegt, dass die Zeitung gelieferte Artikel auch aus „inhaltlichen, qualitativen oder rechtlichen Gründen“ ablehnen kann – und dass dann kein Honoraranspruch besteht, dass nur die gedruckten Zeilen bezahlt werden – egal wie viele bestellt oder geliefert wurden, dass die Originale von Illustrationen und Bildern einschließlich der Negative mit Ablieferung ins Eigentum der Zeitung übergehen, dass die Zeitung das Recht hat, Beiträge zu bearbeiten und umzugestalten, dass die Freien zwar ihr „Urheberpersönlichkeitsrecht“ behalten (anderes ist nach dem Gesetz auch gar nicht möglich), sich aber verpflichten, dieses Recht „nicht in einer Weise geltend zu machen, die einen Konflikt mit den … wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft herbeiführen kann“, dass die Freien allein die Verantwortung übernehmen, wenn Dritte gegen ihre Artikel klagen.
All diese Bestimmungen (und natürlich auch die umfassende Abtretung aller Rechte gegen ein einmaliges Honorar) seien, so das Gericht „unwirksam“. Das heißt, auch wer sie schon unterschrieben hat, kann sie getrost vergessen. Sollte der Nordkurier sie trotzdem weiter verwenden, wird ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro fällig und, falls dieses nicht bezahlt wird, eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, „zu vollziehen am Vorstandsvorsitzenden“.
Informationen zu den Rechten Selbstständiger unter: www.mediafon.net

Weitere aktuelle Beiträge

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

Neue Europäische Medienplattform

Es ist ein sehr anspruchsvolles Projekt, das der deutsche Kultur- und Medienstaatsminister Wolfram Weimer und seine französische Amtskollegin Rachida Dati auf den Weg bringen: die Entwicklung einer europäischen Medienplattform. Im Zentrum soll dabei das Internet-Angebot des deutsch-französischen Kulturkanals Arte stehen, dass zu einer solchen Medienplattform mit bis zu 24 Sprachen ausgebaut werden soll.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »