Schweriner lagern Mantelredaktion aus – Nordkurier im Visier
„Streik beim Nordkurier“, „Schweriner Volkszeitung gliedert Mantelredaktion aus“ lauten die Schlagzeilen, die die Leser beider Blätter freilich entbehren müssen. Überraschend kommen die Nachrichten über ihre Zukunft auch für die Mitarbeiter. Bis Anfang September ließ sich die Leitung der Schweriner Volkszeitung Zeit, um Betriebsrat und Betroffenen mitzuteilen, dass Anfang Oktober die Mantelredaktion ausgegliedert wird.
Die neue Firma mv:m soll nicht nur die als lästig empfundene Tarifbindung beseitigen, sondern ihre Dienste Dritten anbieten. „Hier wird die Braut geschmückt“, vermutet Ernst Heilmann vom ver.di-Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern mit Blick auf den möglichen Verkauf des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages, der die Zeitung aus der Landeshauptstadt Anfang 2005 erworben hat.
Ganz oben auf der Schweriner Akquiseliste steht der Neubrandenburger Nordkurier. Dass dort die Mantelredaktion entbehrlich sein soll, scheint logische Konsequenz einer Verlagsstrategie des Kahlschlags: Die Flucht aus dem Tarif im vergangenen Jahr hat sich als Auftakt einer rigiden Sparorgie erwiesen, in deren Ergebnis der Verlag in zehn Firmen zerlegt und Dutzende Beschäftigte auf die Straße gesetzt wurden.
Nun scheint eine neue Dimension erreicht: Mit der Schließung der Anfang 2006 ausgegründeten MV Medien-Service und Verlagerung der Anzeigenproduktion an einen Leipziger Billiganbieter konterkariert das Management endgültig die gern beschworene Verbundenheit mit der Region. Mit einem verzweifelten Streik wehrten sich die rund 35 Betroffenen gegen den Rauswurf, nachdem sie in der Vergangenheit harte Einschnitte über sich hatten ergehen lassen. Geschäftsführer Lutz Schumacher, in dessen Biografie die Pleite der Nachrichtenagentur ddp ebenso dunkle Flecken hinterlassen hat wie die über Nacht auf die Straße gesetzte Redaktion der Münsterschen Zeitung, wird längst „Zumacher“ genannt.
Doch die Diskussion um die Zukunft der Heimatzeitungen wird längst öffentlich geführt. Nach einer Aktuellen Stunde und einer Anhörung im Innenausschuss beschloss der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einstimmig, dass künftig jährlich ein Bericht über die Entwicklung der Medienlandschaft im Nordosten erarbeitet werden soll. „Dabei soll die Landesregierung auch darstellen, wie sich die Meinungsvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern in den Medien widerspiegelt“, heißt es in dem von den Fraktionen der Großen Koalition eingebrachten Antrag.
Heilmann wertet das als Erfolg der Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern“, die ver.di gemeinsam mit Partnern ins Leben gerufen hat: „Durch unsere Informationsarbeit hat die Politik den Umbruch als Risiko für den gesellschaftlichen Auftrag der Presse erkannt.“ Er setzt darauf, dass jetzt auch Bewegung in die Diskussion um eine Überarbeitung des Landespressegesetzes und damit eine Stärkung der Mitsprache- und Mitwirkungsrechte der Journalisten kommt. Dass den Lesern an der Zukunft ihrer Regionalzeitungen gelegen ist, zeigen Tausende Unterschriften für die Forderungen der Initiative nach Sicherung des Medienstandorts Mecklenburg-Vorpommern, für die Gestaltung von Arbeitsbedingungen durch Tarife, mehr Transparenz über Besitz- und Beteiligungsverhältnisse in den Verlagen und Regelungen zur inneren Pressefreiheit.