Schlag gegen Vertriebssystem

Politiker kündigen gesetzlichen Schutz des Presse-Grosso an

Wie nach der mündlichen Verhandlung bereits von Branchenexperten vermutet wurde, hat der Bauer Verlag den Zivilprozess vor dem Kölner Landgericht gegen den Bundesverband Presse-Grosso gewonnen und darf danach mit jedem einzelnen Pressegroßhändler über Preise und Lieferbedingungen verhandeln (M 1/2012). Der Presse-Grosso wird gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen.

Die seit 50 Jahren geübte Branchenpraxis, nach der der Verband im Auftrag seiner Mitglieder zentral mit den Verlagen verhandle, verstoße gegen das Kartellrecht, so das Kölner Gericht. Das Urteil ermöglicht es dem Bauer Verlag aufgrund seiner Marktstellung, Erlös- und Kostenvorteile gegenüber kleinen und mittelständischen Verlagen im Pressevertriebsmarkt durchzusetzen. Es ist nur für den Bauer Verlag bindend und macht nach dessen Meinung den Weg frei für „dringend erforderliche Reformen“. Das Presse-Grosso hingegen sieht nach dem Urteil „Anlass zur Sorge, aber nicht zur Dramatisierung“ und sucht Gehör in der Politik.
Gemeinsam mit den Verlegerverbänden VDZ und BDZV befinde man sich in informellen Gesprächen mit Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums, der Regierung und des Parlaments zur anstehenden 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), um das Pressevertriebssystem gesetzlich abzusichern. Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke begrüßte, „dass sich fast alle Verlage und Verlegerverbände zum flächendeckenden Grosso-System bekennen“ und forderte den Gesetzgeber auf, „im Dialog mit allen Branchenvertretern die nötige Rechtssicherheit für den Pressevertrieb in seiner bewährten Form zu schaffen.“
An einem konkreten Entwurf dafür arbeite nach Brancheninformationen bereits der Stab des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, gemeinsam mit Vertretern von Bündnis 90/Die Grünen. Am Ende müsse eine Lösung gefunden werden, die vor allem der Pressevielfalt sowie den Leserinnen und Lesern und zugleich einer differenzierten Verlagslandschaft diene.

 

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