Schon entdeckt? Das ahoy-Radio

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Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.

Ist das neue „ahoy-Radio“ wie das Hamburger Schanzenviertel, das in der Hansestadt nur „die Schanze“ ist? Ein bisschen wild, bunt, neben der Autobahn des Mainstreams – und, nebenbei, unpassend für Schubladen? Bislang nur im Internet oder per App zu hören, klingt „ahoy“ ein wenig wie ein Sender, den man als Freund von inzwischen seltenen Wortprogrammen auch neben der Arbeit hören kann, ohne dass man belanglos zugedudelt würde. Nur die eingestreuten kleinen Werbejingles („ahoy – gutes Radio für gute Leude“) kommen noch ein bisschen steif daher.

Dabei meint Senderchef Lars Meier, der zum Gespräch ins Podcast-Studio bittet, dass mit den „guten Leuden“ durchaus ernst. Er ist nicht nur „Herr Intendant“ des neuen Senders, sondern betreibt auch eine Künstler- und PR-Agentur. Er arbeite nur mit guten Leuten zusammen, Menschen, die soziale Werte, gesellschaftliches Engagement und Nachhaltigkeit vertreten, das sei Voraussetzung. In vier Monaten hat Meier mit einer kleinen Gruppe „ahoy“ zur Sendereife gebracht und erzählt von vielen positiven Reaktionen. Seit 25. Mai läuft das volle Programm.

Was gibt es zu hören? Viel Musik und wechselnde Podcasts, und das 24 Stunden am Stück. Gibt es eine Zielgruppe? „Wir denken nicht in konventionellen Kategorien“, wehrt der Senderchef ab. Sein Publikum eine die Liebe zur Hamburg. Es gebe mit Sicherheit keine Schlager, aber gute Musik, auch jüngere Musiker*innen, Künstler*innen der Hamburger Schule. „ahoy“ wolle das Kulturleben zeigen und sich daran beteiligen, Hamburg-Themen (auch von übergeordneter Relevanz) aufgreifen. Und immer wieder scheint der sehr bestimmte Wille durch, sich nicht billigen Trends anzuschließen. Kein Song, bekräftigt Meier, werde „so oft wie möglich“ gespielt.

Sein Sender braucht keine Lizenz, muss aber die Aufsichtsbehörde von seiner Existenz informieren. Gibt es noch mehr Unterschiede zu anderen Stationen? Nachrichten hat „ahoy“ nicht im Programm, sie seien teuer. Und dann sagt Meier noch einen Kernsatz: „Alles, was wir versprechen, halten wir.“ Das Team ist klein: Fünf Leute plus Freie arbeiten für „ahoy“. Senderdirektor ist Gunnar Astrup, Musikchefin Maike Holzhaus, Hannes Erdmann CvD.

Erstaunlich ist das Konzept schon. Vor allem, weil das Programm ohne nervige Werbespots auskommt; dafür sind, erläutert Meier, Medienpartner mit im Boot, von denen auch Geld kam. „Auf drei Jahre finanziert“, ist das Projekt.

Und da sind die Podcasts. Sie sind nicht nur zu bestimmten Zeiten im Programm, sondern können auch von der Website oder aus der App bezogen werden. Und die Medienpartner machen mit: das „Hamburger Abendblatt“, die „Hamburger Morgenpost“. Im Hamburg-Gespräch tauchen Kolleginnen aus dem NDR (Julia Westlake, Julia Niharika-Sen), aktive und ehemalige Politiker*innen (Senatoren, Ex-Bürgermeister Ole van Beust, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit), die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs und eine lange Liste Schauspieler*innen und Szene-Figuren (von Rhea Harder-Vennewald bis Tim Mälzer oder dem früheren DB-Chef Rüdiger Grube) auf. Der einstige aspekte-Moderator und heutige Rettungssanitäter Tobias Schlegl ist mit einem Podcast („2 Retter1Mikro“) ebenso wie der aktuelle Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider (dann doch mit Werbung) vertreten. Die „Hamburger Morgenpost“ widmet sich der Geschichte der Hansestadt.

Die „Schanze“ jedenfalls passt für diese Unterhaltung und wohl auch für „ahoy“: Mit Charme und Gründen wehrt sich Meier gegen Schubladen. Was dabei herauskommt, wird spannend.

 

 

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