Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.
Wikivoyage ist die kleine Schwester der Wikipedia und bietet nichtkommerzielle Informationen zu Urlaubszielen. Auf dem globalen Mitmachportal schreiben Reisende für Reisende.
Mehr als 20.000 Artikel enthält die deutschsprachige Version des Reiseführers: Es gibt Einträge zu Ländern, Regionen, Groß- und Kleinstädten, Inseln und konkreten Urlaubsdestinationen. Die einzelnen Artikel enthalten neben Basisinformationen jeweils eine Auflistung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten sowie praktische Tipps, etwa zur Anreise, zur lokalen Küche und zum Nachtleben. Der Eintrag zu Barcelona wäre ausgedruckt 15 Textseiten lang und ist in 18 Sprachversionen verfügbar. „Da es ein Wiki ist, können andere Reisende selbst Korrekturen einpflegen“, erzählt der Hallenser Roland Unger, einer der aktivsten Autoren der Reiseplattform. Wer der Meinung ist, dass Informationen fehlen, klickt auf das „Bearbeiten“-Feld am oberen Rand eines Artikels. Die Änderungen sind sofort sichtbar.
Das Mitmachprojekt kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Vor etwa 20 Jahren, im Juli 2003, gründete ein US-Ehepaar das ans Wikipedia-Prinzip angelehnte Portal Wikitravel und verkaufte es zwei Jahre später an einen US-Internetkonzern. Die deutschsprachige Community war damit nicht einverstanden. Sie startete eine unblutige Revolte: In einer „konspirativen Aktion“ habe man alle zu der Zeit 3.000 deutschsprachigen Wikitravel-Artikel kopiert und damit die nichtkommerzielle Alternative unter dem ähnlich klingenden Namen Wikivoyage gestartet, so Unger. Das war möglich, weil die Inhalte unter einer freien „Creative Commons“-Lizenz standen, die solche Abspaltungen explizit erlaubte. Ende 2006 wurde der Verein Wikivoyage e. V. als Rechtsperson mit Sitz in Halle in Sachsen-Anhalt gegründet.
2011 gab es auch in Teilen der englischsprachigen Wikitravel-Community den Wunsch, sich Wikivoyage anzuschließen. Außerdem stand die Idee im Raum, sich einen globalen Partner zu suchen, um die Zukunft des Projekts auf Dauer zu sichern. Anfang 2013 schloss sich Wikivoyage der Wikimedia Foundation an, der Mutterorganisation von Wikipedia. Seitdem ist Wikivoyage ein offizielles Schwesterprojekt der großen Online-Enzyklopädie. Damit sei „das Schiff in einem super sicheren Hafen“, so Roland Unger. Die US-Organisation betreibe die Webseite Wikivoyage.org und stelle die benötigten Rechenzentren-Kapazitäten zur Verfügung. Die Community könne sich deshalb auf die eigentliche Arbeit an den Inhalten konzentrieren.
Und Arbeit gibt es jede Menge. Ein Projekt wie Wikivoyage ist nie fertig. „Es gibt Regionen und Länder, die sehr gut mit Inhalten befüllt sind. Das gilt etwa für Frankreich, Israel und viele Länder in Südostasien. Anderenorts klaffen aber auch noch schmerzliche Lücken“, meint Unger. Das ferne Ziel sei, dass es irgendwann nicht nur 20.000, sondern 50.00 oder gar 100.000 deutschsprachige Wikivoyage-Artikel gebe.