Von Charlotte Echterhoff |Am 1. Oktober 2016 ist es soweit: Das lang geplante „Junge Angebot“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird starten, es soll auf YouTube, Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat verbreitet werden. Social media eben. Eine Verbreitung auf diesen Drittplattformen läuft besser als die Sendermediatheken – sieht so die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aus?
Die Rundfunkkommission der Länder hat die ursprüngliche Idee eines trimedialen Jugendkanals aufgegeben, und zwar zugunsten eines ausschließlich online stattfindenden öffentlich-rechtlichen Angebots für die 14- bis 29-jährigen. Das Junge Angebot wird dezentral aufgebaut sein, die junge Zielgruppe findet audiovisuelle Inhalte eher auf YouTube als im Regional- oder Spartenprogramm. Nicht wie bisher steht ein bestimmter Sender im Vordergrund, sondern die einzelnen Formate (früher: Sendungen) sollen überzeugen. So will das Junge Angebot nicht als Inhalteanbieter auftreten und auch die dahinterstehenden Riesen ARD und ZDF nicht prominent vermarkten. Die junge Zielgruppe soll eine neue erste Erfahrung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen dürfen, ganz unvoreingenommen. Über verschiedene Social-Media-Kanäle werden die Inhalte verbreitet und es wird Interaktion ermöglicht. Die neun Jugendsender unter dem Schirm der ARD und die Digitalsender wie u.a. ZDFneo produzieren bereits Formate für eigene Websites, YouTube, Facebook & Co.
Puls, der Jugendsender vom BR, produziert seit September 2014 „Mann|Frau“, eine fiktionale Webserie, die über einen eigenen Blog, als Playlist auf YouTube und als Page bei Facebook zu finden ist. Das Genre der Mini-Serie bedient mit Folgen von ca. drei Minuten das spontane Unterhaltungsbedürfnis per Smartphone. Auf jedem der drei Kanäle können alle bisherigen Folgen angeschaut werden.
„Tatort – Die Show“ ist auf der Website von YOUFM, dem Jugendsender des HR, verfügbar. Es ist eine interaktive Talkrunde, die direkt im Anschluss an den Tatort aus Frankfurt läuft, live. Die Show ist eng mit Twitter verknüpft, wo die Interaktion stattfindet. Dieses Format wird seit der dritten Folge vom SWR ko-finanziert, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass es für das Junge Angebot eingeplant ist.
„Neo Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann, das wohl bekannteste Format von ZDFneo, funktioniert ebenso primär online: Die wöchentlich neuen Folgen der Late-Night-Show sind zunächst auf der Sendungs-Website verfügbar und werden erst danach zur jeweils festen Sendezeit auf verschiedenen Fernsehkanälen ausgestrahlt. Das Show-Format hat einen eigenen YouTube-Kanal, auf dem einzelne Clips der Sendung angeschaut werden können. Für die komplette Sendung muss die Website aufgerufen, oder eben der Fernseher angeschaltet werden. Die Twitter-, Facebook- und Instagram-Accounts werden mit je kanaltypischen Inhalten versorgt.
Als ausschließlich online stattfindendes Format schickte der WDR Anfang 2015 „WDR#3sechzich“ an den Start, primär als YouTube-Kanal. Das Experiment, junge Menschen mit Nachrichten zu erreichen, wurde nach einem Jahr aufgrund zu geringer Resonanz wieder eingestellt. Eine Strategie, die junge Zielgruppe anzusprechen, bestand darin, bekannte YouTuber zu engagieren, u.a. Lisa Sophie alias „itscoleslaw“, Arne Fleckenstein von „Stör/Element“ und Benjamin Bode von „SOundSOgesehen“.
Beim SWR hat diese Strategie funktioniert, wie „1080Nerdscope“ zeigt, für die Florian Mundt alias „LeFloid“, einer der bekanntesten deutschen YouTuber, engagiert wurde. Gemeinsam mit Max Krüger (@Frodoapparat) und Robin Blase (@Robbubble) moderiert LeFloid eine wöchentliche Show für Nerds, die zwar als 15-minütige Sendung auch auf dem Digitalsender EinsPlus ausgestrahlt wird, vornehmlich aber online funktioniert, d.h. auf YouTube, denn andere Social-Media-Kanäle werden bisher nicht bespielt.
Auch der Jugendsender vom SWR, „DASDING“, hat Mitte Oktober 2015 einen YouTube-Kanal gegründet: „Alina – die Liebe und der Sex“. Jeden Mittwoch widmet sich Moderatorin Alina Schröder in kurzen Episoden den Themen Liebe und Sex, z.B. im Gespräch mit Musikern. Die Videos werden zusätzlich auf der entsprechenden Facebook-Page hochgeladen und über Instagram beworben.
Mit den jungen Formaten werden zwischen einem und vier Social-Media-Kanäle bespielt, im Mittelpunkt steht entweder eine Website oder YouTube, der für Videos entscheidende Social-Media-Kanal. Über Instagram und Twitter werden die Inhalte zusätzlich beworben. Die Duplizierung des Angebots durch den zusätzlich direkten Upload der Videos auf Facebook erhöht zwar aufgrund des Facebook-Algorithmus die Reichweite, sollte aber aus Rechtegründen vermieden werden.
Die Online-Angebote entsprechen dem Nutzungsverhalten der jungen Zielgruppe, die ihren Lieblingsformaten direkt folgt. Als Vollprogrammlieferant verliert der Sender dahinter an Bedeutung. Es ist die Person, die überzeugen muss und von der abhängt, ob sich die für den Erfolg von Social Media ausschlaggebende gefühlte Nähe einstellt. Die Öffentlich-Rechtlichkeit hinter der Person eines Formats sollte jedoch nicht verschwiegen werden, denn sie steht für Glaubwürdigkeit, journalistische Professionalität und Unabhängigkeit: Werte, die im mittlerweile hoch kommerzialisierten Social Web sehr geschätzt werden.
Die verschiedenen jungen Formate der regionalen Jugendsender sind als Teil eines nationalen Jungen Angebots gut vorstellbar, obwohl es für die „Dritten“ schwer sein würde, sich von ihren Zugpferden zu trennen. Die größte Herausforderung besteht darin, junge Menschen mit Nachrichten anzusprechen. Die öffentlich-rechtliche Stärke liegt in der Kombination von Information und Vielfalt. Die Formatentwicklung ist mit „WDR#3sechzich“ offensichtlich noch nicht abgeschlossen, als Ziel muss weiterhin gelten, die Marktlücke für informative Inhalte zu finden und zu schließen. Sie könnte in persönlichen Hintergrundreportagen zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Debatten liegen.
Bei der Erfolgsbeurteilung neuer Formate darf der Quoten- bzw. Klickdruck nicht das entscheidende Argument sein, insbesondere die Qualität informativer Angebote kann nicht anhand der Quantität des Konsums bestimmt werden. Mit ihrem gesellschaftlichen Auftrag nach §11 Rundfunkstaatsvertrag sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch vom Zwang solcher Phänomene wie des sogenannten Clickbaitings befreit.