Tabubruch bei Bertelsmann

Zu einem spektakulären Anteilstausch kam es Anfang Februar zwischen der Bertelsmann AG und der belgisch-kanadischen Holding Groupe Bruxelles Lambert (GBL), die zukünftig mit einem Anteil von 25,1 Prozent Mitgesellschafter in Gütersloh ist. Das bisher auf Eigenständigkeit bedachte Medienunternehmen im Ostwestfälischen mit einer Zweigstelle in New York bekam im Gegenzug von der GBL deren 30-Prozent-Anteil an der RTL-Group (früher CLT-UFA).

Nach drei Jahren darf GBL-Eigner Albert Frère seinen Anteil an die Börse bringen. Bei Bertelsmann hatte man einen Börsengang bisher kategorisch ausgeschlossen.

Lediglich einzelnen Bertelsmann-Töchter war bisher der Gang an die Börse zugestanden worden: RTL-Group, Pixelpark, Barnes & Nobel und Lycos Europe; nach Bekanntgabe des neuerlichen Deals stieg die RTL-Aktie um sieben Prozent auf knapp 100 Euro. In der Fachwelt wird das Tauschgeschäft als „Revolution“ und „Bruch mit einem Dogma“ gefeiert. Das „quartalsgetriebene Hecheln des börsenkontrollierten Vorstands“ sei nicht immer die beste Geschäftsstrategie, resümiert die „Financial Times Deutschland“.

„Verliererin“ des Deals ist die Bertelsmann-Stiftung, die jetzt noch über 57,6 Prozent (bisher 71,2 Prozent) der Anteile verfügt. Die übrigen 17,3 Prozent sind im Besitz der Familie Mohn. Bei der RTL-Group erhöhte Bertelsmann seinen Anteil nun auf 67 Prozent, 22 Prozent werden von der englischen Pearson-Gruppe gehalten und 11 Prozent der Anteile befinden sich im Streubesitz. Die RTL-Group ist Europas größter kommerzieller Rundfunk- und Fernsehkonzern mit 22 TV- und 18 Radiostationen. In elf Ländern werden 120 Millionen Zuschauer erreicht. Die Gruppe ist weltweit die zweitgrößte Produzentin von Fernsehfilmen und führend in der Sportrechte-Vermarktung.

Der belgische Finanzjongleur und Multimillionär Frerè verfügt über ein verschachteltes und kaum überschaubares Industrie-, Finanz- und Dienstleistungsimperium. Seine Unternehmensbeteiligungen werden von Experten auf weit über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt; im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden 1,28 Milliarden Euro Gewinn ausgewiesen. GBL ist an der Brüsseler Börse mit einer Marktkapitalisierung von 6,5 Milliarden Euro gelistet.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »