Verleger erwarten Vertriebsförderung

„Publishers' Summit 2021“ des Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) am 4. November 2021 in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom in Berlin Foto: Ole Bader/sandwichpicker-berlin.com für VDZ

Die deutschen Zeitschriftenverleger wünschen sich von der nächsten Bundesregierung verlässliche Rahmenbedingungen für gedruckte und digitale Medien. Dazu gehöre auch eine „diskriminierungsfreie Vertriebsförderung“ der periodischen Presse, forderte VDZ-Präsident Rudolf Thiemann auf dem diesjährigen Publishers‘ Summit am 4. November vor rund 250 Branchenvertreter*innen in Berlin.

Die Verhinderung explodierender Kosten für die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften sei „kein Festhalten an veralteten Strukturen“, sagte Thiemann. Wirtschaftlich verkraftbare Zustellkosten seien im Gegenteil „zentrale Voraussetzung einer erfolgreichen Transformation“. Eine diskriminierungsfreie Förderung der Zustellung sei daher „ein wichtiger Baustein zum Schutz der Pressefreiheit und -vielfalt“.  Zeitungs- und Zeitschriftenverleger dürften sich „auf keinen Fall auseinanderdividieren lassen“.

Marktmächtige Digitalplattformen wie Google oder Facebook, so Thiemann, substituierten allmählich klassische Pressevertriebswege. Diese „Torwächter“ müssten im Digital Markets Act der EU verpflichtet werden, allen Printprodukten diskriminierungsfreien Zugang zu fairen Bedingungen zu gewähren. Es könne nicht sein, dass solche Monopole entschieden, welche Publikationen in der digitalen Welt sichtbar seien oder nicht. Ebenso wenig sei es hinnehmbar, wenn diese Plattformen „willkürlich oder dem Eigennutzen folgend auswählen, welche Publikationen sie unterstützen“.

Man habe „lange und erfolgreich“ für ein Leistungsschutzrecht gekämpft. Jetzt müsse sich auch in der Praxis durchsetzen, „dass die Verwendung von Inhalten auf Grundlage des Verlegerrechts zu entlohnen ist, und nicht aufgrund irgendwelcher Beziehungen“.  Es sei daher unverständlich und inakzeptabel, dass die EU-Kommission Google und Facebook von der Verpflichtung auf faire und diskriminierungsfreie Zugangsbedingungen ausnehmen wollten. Thiemann: „Weder die geschäftsführende noch die zukünftige Bundesregierung darf dem zustimmen.“

In seinem Impulsvortrag über die „Zukunft der freien Presse“ warnte auch VDZ-Vizepräsident Philipp Welte vor der ökonomischen Dominanz globaler Technologieplattformen. Die Verlage kämpften „in festkartellierten Strukturen um ein Überleben“, weil es die Regierungen in Berlin und Brüssel über zwei Jahrzehnte versäumt hätten, die Offenheit digitaler Märkte sicherzustellen. Das vom mutmaßlich nächsten Bundeskanzler angekündigte „größte Modernisierungsprojekt der letzten100 Jahre“ bleibe einstweilen „komplett im Nebel“.

Die Welt kämpfe mit Long Covid, die globalen Lieferketten seien „komplett zerstört“. Die Verlage registrierten „dramatisch steigende Preise: Papier, Energie, Logistik“. Nach der „deprimierenden und auf politischer Seite inkompetenten Diskussion“ über die Zustellungsförderung während der letzten Legislaturperiode hoffe er, die neue Regierung verstehe, “wie zentral die Bedeutung der freien Presse für eine funktionierende pluralistische Demokratie ist“. Mit der Verabschiedung der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei es gelungen, das deutsche Kartellrecht mit einer Art von „Beißwerkzeug“ auszustatten, das endlich in der Lage sei, die US-Technologieplattformen „in die Schranken zu weisen“. Es müsse aber verhindert werden, dass der derzeit in Brüssel verhandelte Digital Markets Act nicht diesen Erfolg wieder zunichtemache.

In der folgenden Debatte plädierte Bianca Pohlmann von der Funke-Mediengruppe für neue strategische Allianzen in der Branche. Sie kann sich Kooperationen nicht nur im Vertrieb, der Vermarktung und bei Dienstleistungen, sondern auch im kaufmännischen Bereich vorstellen. Unterstützung fand diese Position auch bei Ingo Klinge von der Bauer Media Group.

Christian Nienhaus von WeltN24/Axel Springer verteidigte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gegen die massive Kritik wegen dessen SMS-Bemerkungen über den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ und Journalisten als „Propaganda-Assistenten“. Das sei „Ironie“, “übertrieben“, „spitzfindig“ gewesen, aber keinesfalls in der Absicht, die Journalist*innen in Deutschland zu beleidigen. Auf die Frage von „Horizont“-Chefreporter und Moderator Jürgen Scharrer, ob Döpfner nach diesem Vorgang als BDZV-Präsident „noch haltbar“ sei, bemerkte VDZ-Vize Welte, dies seien zunächst „innere Angelegenheiten von Springer und dem BDZV“. Er lobte die „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zwischen den Verlegerverbänden, für die auch Döpfner stehe. Er selbst sehe Journalisten nicht in der Rolle von „Propaganda-Assistenten“. Vielmehr habe er während der Pandemie den Eindruck gewonnen, sie hätten ihre Aufgabe wahrgenommen, ein „kontinuierliches, kritisches Korrektiv der Politik“ zu sein.

„Ich bin kein Anhänger eines staatsfinanzierten Journalismus“, konstatierte in seiner politischen Keynote FDP-Vorsitzender Christian Lindner. Ein Journalismus, der dauerhaft aus öffentlichen Haushalten gefördert und unterstützt würde, begäbe sich in die Gefahr von Abhängigkeiten. Dagegen habe die Zustellung unabhängiger journalistischer Produkte „Infrastrukturcharakter“. In diesem Sinne sei eine „ordnungspolitisch saubere und diskriminierungsfreie Unterstützung“ durch den Staat vorstellbar.

Scharf geißelte Lindner die „besondere Dominanz des Silicon-Valley-Plattform-Kapitalismus“. Dieser habe beeindruckende Unternehmen hervorgebracht, die aufgrund ihrer Dominanz inzwischen in der Lage seien, „anderen Marktteilnehmern die Regeln des Spiels zu diktieren“. Dies laufe hinaus auf die „Deformation der Ordnung einer sozial und ökologisch verpflichteten Marktwirtschaft“. Der demokratisch legitimierte Rechtsstaat müsse jedoch immer Partei auch für den „Schwächeren“ und den „Außenseiter“ ergreifen. Vor dem Hintergrund aktueller Entscheidungen der Europäischen Kommission müsse darauf geachtet werden, die „Rolle der Torwächter“ beim Zugang zu journalistischen Angeboten zu regulieren. Und zwar so, „dass es nicht zu einer Fortschreibung der Dominanz kommt, die letztlich auch die Pluralität der Angebote einschränkt“.

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