WDR Mediagroup in Köln: 170 Stellen weg

WDR Mediagroup in Köln Foto: Jürgen Seidel

Die WDR Mediagroup baut 170 Vollzeitstellen ab. Grund für die Neuausrichtung ist die im Januar vom Landtag in Düsseldorf beschlossene Beschränkung der Werbezeiten bei den Radiosendern des WDR. Über den massiven Stellenabbau als Reaktion auf wegbrechende Werbeeinnahmen wurden die Beschäftigten jetzt bei einer Mitarbeiterversammlung informiert. „Dem Betriebsrat wurde geltendes Recht verweigert. Man hat uns nicht über laufende Verhandlungen informiert und uns damit auch keine rechtmäßige Einflussnahme auf die Entscheidungen ermöglicht“, erhebt der Mediagroup-Betriebsrat massive Vorwürfe gegen die Geschäftsführung, das Betriebsverfassungsgesetz missachtet zu haben.

Denn was WDR-Mediagroup-Geschäftsführer Michael Loeb am 12. September in einer kurzfristig anberaumten Mitarbeiterversammlung verkündete, erwischte die rund 500 Mitarbeiter eiskalt. Niemand hatte geahnt, dass es um messerscharfe Sparpläne gehen würde, die Unsicherheit und Existenzängste heraufbeschwören. Von aktuell 470 Vollzeitstellen sollen 150 bis 170 Stellen bis 2022 wegfallen. Das ist jeder dritte Arbeitsplatz. Betroffen davon sind zwischen 220 und 250 Mitarbeiter_innen.  „45 Prozent aller Mitarbeiter haben befristete Verträge. In den Callcentern arbeiten viele in Teilzeit. Die gucken alle in die Röhre“, erklärte Joachim Boddenberg, Mediagroup-Mitarbeiter und Vorstand des ver.di-Senderverbands im WDR. „Die Stimmung ist katastrophal. Viele sind traurig und wütend. Niemand hat mit dieser Härte gerechnet“, fasst er die Gemütslage in der Belegschaft zusammen. Die Beteuerungen der Geschäftsführung, die Stellen sozialverträglich abzubauen, beruhigen nicht. Aktuell gibt es keine Sozialplanverhandlungen. Erst am 9. September hatte der Aufsichtsrat einen entsprechenden Maßnahmenkatalog der Geschäftsführung der WDR Mediagroup zugestimmt.

„Die Qualität unserer Leistungen ist dem WDR nichts mehr wert. Jetzt werden Alternativen auf dem Billiglohn-Sektor bevorzugt“, machte Betriebsratsvorsitzender Georg Schrameck deutlich. Die Präsenz des WDR in der Öffentlichkeit werde sich spürbar reduzieren. Hauptbetätigungsfeld der WDR Mediagroup (mit den Töchtern Dialog und Digital) sind Dienstleistungen, die den Zweck erfüllen, den WDR für den Hörer erlebbar zu machen und zwar auf allen Kanälen: im Fernsehen, im Netz, am Hörertelefon. Öffentliche Veranstaltungen und Internetauftritte gestaltet die Mediagroup ebenfalls für den WDR.  Schon bald,  so das verkündete Ziel der Geschäftsführung, soll sich die Mediagroup wieder auf das klassische Geschäft der Werbezeitvermarktung und das Verwertungsgeschäft konzentrieren.

Und das wegen einer gesetzlich verordneten Reduzierung der Werbung. Denn ab 2019 darf die öffentlich-rechtliche Anstalt nur noch auf einer Welle Werbung schalten – und das auch nur noch für 60 Minuten am Tag – nicht wie bislang 90 Minuten auf drei Wellen. ver.di wirft der rot-grünen Landesregierung vor, ein politisches Versprechen gebrochen zu haben, die Gesetzesnovelle führe zu keinem Arbeitsplatzabbau. Kritiker der Novellierung hatten immer darauf hingewiesen, dass es keine Reduzierung der Werbezeit im WDR-Hörfunk ohne Kompensation bei den Gebühreneinnahmen geben könne. Dass es nun eine Kompensation an anderer Stelle gibt bzw. viele Arbeitsplätze verloren gehen, ist für ver.di die Konsequenz, vor der man immer gewarnt hat. „Dieses Gesetz wurde ohne Not verabschiedet. Die Initiative ging von der Landesregierung aus. Es gab kein Votum aus der Bevölkerung“, kritisiert Joachim Boddenberg. Betriebsratsmitglied Michael Höch: „Die Politik hat leichtsinnig gehandelt und Entscheidungen gegen Arbeitsplätze und gegen Familien getroffen. Das ist verwerflich.“ „Die Politiker, die uns das eingebrockt haben, sitzen zum Teil im Aufsichtsrat des WDR und winken das durch. Obwohl es um einen massiven Stellenabbau geht“, kritisiert Boddenberg das Verhalten scharf. Der WDR habe einen öffentlichen Auftrag: nämlich Arbeitsplätze zu erhalten und für das Produktionsland NRW zu sichern.

Doch nach Angaben von WDR-Media-Group-Geschäftsführer Michael Loeb sind die Werbebeschränkungen nicht der einzige Grund für die Neuausrichtung. Der WDR habe zahlreiche Geschäftsfelder überprüft. Jedoch: Die finanziellen Auswirkungen der neuen Werberegelungen hätten diesem Prozess eine neue Dynamik verliehen.

Gewerkschaft und Betriebsrat wollen nun nicht in Schockstarre verharren. Sie kündigten an, alles tun, um die Entscheidung der Geschäftsführung abzumildern. Perspektiven, so heißt es,  „damit so viele Mitarbeiter wie möglich in Lohn und Brot bleiben können“, seien Umschulung und andere Ausbildungen.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Mediatheken löschen ihre Inhalte

In Zeiten von Video-on-demand, Streaming und Mediatheken haben sich Sehgewohnheiten verändert. Zuschauer*innen  gucken wie selbstverständlich Filme, Serien, Dokus oder Nachrichten online. Private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender pflegen daher inzwischen umfangreiche Mediatheken. Sendung verpasst? In den Online-Videotheken der TV-Anstalten gibt es nahezu alle Medieninhalte, um sie zu einem passenden Zeitpunkt anzuschauen, anzuhören oder nachzulesen. Irgendwann werden sie dann aber gelöscht.
mehr »

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »