Seit 13 Jahren engagiert sich der Konzernbetriebsrat der Bauer Verlagsgruppe für die Belange der Belegschaften
Sie sind zwischen 26 und 61 Jahre alt. Sie sind Drucker, Journalisten, IT-Spezialisten, Foodstylisten, Personalabrechnerinnen, Callcenter-Agents, Sekretärinnen. 38 Mitglieder hat der Konzernbetriebsrat der Bauer Verlagsgruppe, davon sind 16 Frauen. Delegierte aus mittlerweile 20 verschiedenen Betriebsräten (ein- bis 13-köpfig) treffen sich viermal im Jahr. Sie vertreten fast 4.000 Mitarbeiter.
Seit zwei Jahren leitet Kersten Artus aus Hamburg den Konzernbetriebsrat (KBR). Die 42-jährige Redakteurin ist seit 24 Jahren bei Bauer, fast ebenso lange in der Gewerkschaft. Seit Mai ist Jens-Peter Schwarzfeld stellvertretender KBR-Vorsitzender. Der 39-Jährige stammt aus Magdeburg und arbeitet dort im Callcenter. Auch er ist in ver.di organisiert.
Auf den „neuen“ Konzernbetriebsrat wartet nach den Betriebsratswahlen in diesem Jahr viel Arbeit. Steht eine Konzernbetriebsratssitzung an, ist Organisationstalent gefragt. Beim Bauer-Konzernbetriebsrat machen die Mitglieder alles selbst, ein Sekretariat gibt es nicht. Die Assistentin, die bis 2004 halbtags für den KBR arbeitete, wurde nach ihrem Weggang nicht wieder ersetzt. Die Chancen auf die rechtliche Durchsetzbarkeit einer KBR-Assistenz ist gering“, schätzt Kersten Artus ein. „Das Gesetz ist in dieser Frage nicht auf der Seite eines Konzernbetriebsrates.“
Mehrmals im Jahr gibt der KBR ein Info heraus, mit dem er die Belegschaft über seine Arbeit informiert. Das bezahlt die Konzernleitung nun nicht mehr. Der Grund: Der KBR klagt beim Hamburger Arbeitsgericht darauf, dass bei der Magdeburger Volksstimme, einer 100-prozentigen Tochter der Bauer Verlagsgruppe mit etlichen Regionalgesellschaften in ganz Sachsen-Anhalt, das Info durch die Hauspost versendet wird. Der Geschäftsführer verweigert das, er sei dafür nicht zuständig. Weil der KBR klagt, drehte die Konzernleitung dem KBR den Geldhahn zu. Nicht nur das: In erster Instanz ging das Verfahren verloren. Ein BAG-Urteil aus dem Jahr 1978 verneint für Gesamtbetriebsräte, und damit auch für Konzernbetriebsräte, das Recht auf eigenständige Infos für die Belegschaft. Dem schloss sich der Richter im Jahr 2006 an. „Wir hoffen auf eine Wende in der nächsten Instanz. So lange werden jetzt 20 identische Infos erstellt. Als Herausgeber fungiert der jeweilige Betriebsrat“, so die KBR.Vorsitzende.
Zwischen den Sitzungen gibt es einen regen Austausch. Man schickt sich gegenseitig die betrieblichen Infos zu, die KBR-Vorsitzende spricht auf Betriebsversammlungen. Sind Kollegen von Kündigungen bedroht, werden interne Stellenausschreibungen und Sozialpläne ausgetauscht. Auch bei Einigungsstellen oder der Einrichtung von Großraumbüros reden die Betriebsräte miteinander. Man beauftragt oft die gleichen Sachverständigen und Anwälte. Auf seine Sitzungen lädt sich der KBR regelmäßig Gäste ein. Fast immer sind hauptamtliche Vertreter von ver.di und dem DJV zu Gast. Vor einem Jahr referierte der ver.di-Wirtschaftsexperte Michael Schlecht und auch Wolfgang Gehrke, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, kam schon zu Besuch.
Keine „Gläsernen Rechner“ im Konzern zulassen
Mit der Konzernleitung konnten bislang vier zentrale Vereinbarungen abgeschlossen werden – zur Telefonanlage, zu SAP, zu E-Mail und zum Intranet. Derzeit wird über die Einführung einer Software verhandelt, die IT-Lizenzmanagement und -Inventarisierung ermöglichen soll. Die Schutzrechte der Belegschaft stehen dabei im Zentrum: Alle Rechner der Verlagsgruppe sollen täglich auf ihren Hard- und Softwarebestand gescannt werden. „Keine Gläsernen Rechner im Konzern!“, beschreibt Kersten Artus das Ziel des KBR.
Die Strukturen der Informationstechnologie bei Bauer sind im Umbruch. Seit eineinhalb Jahren gibt es eine neue Bauer-Tochter, die Systems KG. Sie bündelt die IT-Infrastruktur neu. In Folge verlieren Beschäftigte, die zum Teil über 30 Jahre bei Bauer arbeiten, ihren Job: Die Arbeit wird in die Systems KG verlagert, ein Betriebsübergang bestritten. Die Kollegen „dürfen“ sich zwar auf Stellenausschreibungen der Systems bewerben, aber nicht jeder kriegt seinen alten Job wieder. Wer genommen wird, verliert seine Betriebszugehörigkeit. Der neue Arbeitsvertrag regelt zwölf Gehälter und 25 Tage Urlaub. Tarifverträge kennt die Systems nicht. Die Kollegen, die nicht übernommen werden, erhalten magere Abfindungen: ein halbes Gehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Kaum einer wehrt sich. Dem Konzernbetriebsrat wurden umfassende Informationen verweigert, trotz Übertragungsbeschlüssen aller Betriebsräte. Der KBR schlug eine Beschäftigungssicherung vor: IT-Strukturen erneuern ja, Kollegen dafür rausschmeißen nein. Bauer verweigerte den sozialen Pakt. Der KBR ist auch deswegen vor Gericht. Noch fiel in erster Instanz keine Entscheidung. „Wir sind optimistisch, diesen Prozess zu gewinnen“, sagt Kersten Artus. „Wenn nur die Mühlen des Gerichts nicht so langsam mahlen würden!“ Der nächste Termin ist erst im Januar! Die Umstrukturierung geht ungebremst weiter. Immer wieder scheiden Mitarbeiter aus. Sie resignieren vor der Macht des Konzerns. Immerhin gibt es in der Systems seit kurzem einen Betriebsrat – mit 90-prozentiger Beteiligung gewählt.
Ein großes Projekt soll im kommenden Jahr realisiert werden: der Europäische Betriebsrat. Im „Besonderen Verhandlungsgremium“ (BVG) treffen sich acht Vertreter – aus Deutschland drei, aus Polen, Großbritannien, Spanien, Polen und Tschechien jeweils eine/r. Auch hier lässt die Konzernleitung wenig unversucht, den Interessenvertretern ihre Arbeit schwer zu machen: zu wenige Übersetzer, rigorose Ablehnung aller inhaltlichen Vorschläge. Verleger Heinz Bauer will keinen Europäischen Betriebsrat: Er sei aufgesetzt, überflüssig, koste nur Geld, ließ er über den Personalchef ausrichten. Das Gesetz macht den Europäischen Betriebsrat davon zum Glück nicht abhängig, die Interessenvertreter der Bauer Verlagsgruppe in Europa sind engagiert dabei, sich eine weitere Struktur zu schaffen, um sich besser austauschen zu können. Der Jurist Frank Siebens von ver.di unterstützt als Sachverständiger das BVG.
Aufgestückelte Mitbestimmung
Seit 13 Jahren gibt es den Konzernbetriebsrat bei Bauer. 20 Jahre wurde um ihn gerungen, bis er 1993 konstituiert wurde. Firmenausgliederungen und in deren Folge aufgestückelte Mitbestimmung durch immer kleinere Betriebsräte und immer weniger Freistellungen konnten nicht aufgehalten werden – aber durch den KBR gibt es eine stabile Ebene, auf der neue und alte Bauer-Betriebsräte austauschen und unterstützen. „Fakt ist aber auch“, so Kersten Artus, „dass immer weniger Betriebsratsmitglieder in der Gewerkschaft sind. Trotzdem: der Bauer-Konzernbetriebsrat ist zäh, durchsetzungsstark und zielbewusst – und damit im Grunde ein Spiegelbild des Verlegers Heinz Bauer. Kriegt nicht jeder Unternehmer den Betriebsrat, den er verdient?“