Zeitschriften-Vertrieb: Gruner + Jahr wird Marktführer

Gruner + Jahr am Baumwall in Hamburg Foto: Mathias Thurm

Die einen nennen es Kooperation, andere Konsolidierung, im Grunde aber ist es vor allem eines: Konzentration, und zwar Medienkonzentration. Die großen deutschen Zeitschriftenverlage arbeiten immer enger zusammen. Das wirkt sich inzwischen auch auf den Vertrieb aus. Stimmt das Bundeskartellamt zu, übernimmt der Deutsche Pressevertrieb des Verlags Gruner + Jahr im August auch den Vertrieb von etwa 300 Titeln, die derzeit noch von der Axel Springer Vertriebsservice GmbH betreut werden.

Aus zwei Branchen-Riesen wird einer: Gibt das Bundeskartellamt grünes Licht, gehören zum Sortiment, das vom Deutschen Pressevertrieb (DPV) gemanagt wird, künftig etwa 800 Zeitschriftentitel. Mit 500 Printprodukten war das DPV-Portfolio ohnehin schon eines der größten im deutschen Zeitschriftenvertrieb. Durch die Übernahme der Axel Springer Vertriebsservice GmbH (ASVS) kämen nicht nur Springer-Titel wie „Auto Bild“, „Computer Bild“ oder „Sport Bild“ hinzu, sondern auch Publikumszeitschriften, die nicht von Axel Springer SE stammen. Denn die ASVS GmbH ist auch für den Vertrieb anderer Unternehmen zuständig, darunter der Hamburger Jahreszeiten-Verlag mit den Frauentiteln „Petra“ oder „Für Sie“ und dem Reisemagazin „Merian“. Auch der Hamburger Cora-Verlag (Liebesromane, Kochzeitschriften) oder der Klambt-Verlag („Bildwoche“, „Die zwei“, „Funk Uhr“, „Super TV“) tauchen auf der ASVS-Kundenliste auf.
Vertriebs-Dienstleister kümmern sich bei der Vermarktung von Zeitschriften und Zeitungen um die Betreuung von Abonnenten, um das Direktmarketing und darum, dass die jeweils aktuellen Ausgaben an die Verkaufsstellen gelangen. Als sogenannte Distributoren sind die Vertriebsfirmen dafür zuständig, dass Zeitschriften bei Pressegroßhändlern, Bahnhofsbuchhandlungen oder direkt bei den Abonnenten landen. Zu diesem Zweck haben die großen Zeitschriftenverlage eigene Vertriebsunternehmen gegründet, die auch kleineren Verlagen die Abwicklung des Vertriebs anbieten.

DPV „führender Full-Service-Anbieter“

Sowohl die ASVS GmbH als auch die DPV GmbH haben ihren Sitz in Hamburg. Als hundertprozentige Tochtergesellschaft von Gruner + Jahr ist DPV Vertriebsdienstleister für Verlage im In- und Ausland. „Mit der Übernahme der Publikumszeitschriften von ASVS positioniert sich der DPV als der führende Full-Service-Anbieter unter den Nationalvertrieben in Deutschland“, wurde Nils Oberschelp, Vorsitzender der Geschäftsführung von DPV, in einer Pressemitteilung des Hamburger Unternehmens zitiert. Welche Folgen die Übernahme der ASVS GmbH für deren etwa fünfzig Mitarbeiter hat, wurde in der Verlautbarung nicht erwähnt.
Das Internet, sinkende Umsätze und schwindende Gewinnmargen setzen den Zeitschriftenverlagen so zu, dass sie nach Allianzen, Kooperationen und Synergien suchen. So werden zumindest beim Vertrieb aus Wettbewerbern Partner. Aus diesem Grund wollte auch die Axel Springer SE ursprünglich mit der Funke Mediengruppe aus Essen eine gemeinsame Vertriebsfirma bilden. Beide Unternehmen arbeiten bereits im Anzeigengeschäft eng zusammen, nachdem die Funke Mediengruppe vor zwei Jahren Zeitungen und Zeitschriften von der Axel Springer SE für 920 Millionen Euro übernahm.

Bündnis von Funke und Springer

Beim Zeitschriften-Vertrieb allerdings mussten die Medienhäuser Funke und Springer ihr geplantes Joint-Venture schließlich aufgeben, nachdem das Kartellamt Bedenken signalisiert hatte. Stattdessen übernimmt die Springer-Tochterfirma Newspaper Impact ab 2017 den kompletten Einzelhandelsvertrieb aller Funke-Zeitungen („Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“, „Westfalenpost“, „Berliner Morgenpost“, „Hamburger Abendblatt“, „Bergedorfer Zeitung“, „Braunschweiger Zeitung“, „Thüringer Allgemeine“).
Den Vertrieb der vor zwei Jahren von Funke übernommenen ehemaligen Springer-Zeitschriften (u.a. „Hörzu“, „TV Digital“, „Bild der Frau“) organisiert ab Juli die Moderne Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co. KG (MVZ) mit Sitz in Unterschleißheim. An dem Unternehmen, das auch andere Funke-Zeitschriften vertreibt, ist außer der Funke Mediengruppe der Münchener Burda-Konzern beteiligt.
Sollte die ASVS-Übernahme nicht noch an kartellrechtlichen Barrieren scheitern, steigt Gruner + Jahrs DPV GmbH zum größten Vertriebsunternehmen der deutschen Zeitschriften-Branche auf, gefolgt von der VU Verlagsunion der Bauer Media Group (mehr als 600 Zeitschriften) und der MVZ GmbH & Co. KG (mehr als 500 Objekte). Bereits seit Jahren dominieren beim Vertrieb von Zeitschriften in Deutschland genau die Verlage, die – gemessen an den Auflagen – den Markt der Publikumspresse zu fast zwei Dritteln dominieren: Bauer, Burda, Funke, Gruner + Jahr (Bertelsmann) sowie Springer.

Konzentration auch beim Presse-Grosso

Im Bereich der Pressegroßhändler, von denen Zeitschriften – mit Ausnahme des Bahnhofsbuchhandels – an die Verkaufsstellen (ca. 88.000 Einzelhändler, Kioske etc.) gebracht werden, lässt sich ebenfalls ein starker Konzentrationsprozess beobachten. Existierten in Deutschland 2002 achtzig Grossisten, waren es im vergangenen Jahr nur noch 54 – und das trotz der Tatsache, dass die allermeisten Großhändler über Gebietsmonopole verfügen. Insgesamt ist in den vergangenen zwanzig Jahren fast jeder zweite Grossist vom Markt verschwunden, das heißt, er verkaufte sein Unternehmen oder fusionierte mit einem anderen Anbieter. Auslöser dieser Entwicklung sind sinkende Erlöse. Insgesamt hat der deutsche Pressegroßhandel (Presse-Grosso-System) in den vergangenen zehn Jahren etwa ein Fünftel seines Umsatzes eingebüßt. Diese Entwicklung zeigt, dass der wirtschaftliche Druck auf die gesamte Zeitschriften-Branche und damit auch auf den Pressevertrieb zunimmt.
► Siehe auch Dossier „Publikumszeitschriften – ein bewegter Markt“

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