Meinung
Die Entscheidung setzt die Tradition bedeutender Rundfunkurteile des obersten deutschen Gerichts fort. In einem Präzedenzfall hatten die Ministerpräsidenten schon 2004 den von der unabhängigen KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) errechneten Erhöhungsbedarf von 1.09 Euro auf 88 Cent zurückstutzen wollen. Die Sender klagten in Karlsruhe und bekamen Recht. Schon damals argumentierten die Verfassungshüter in ihrem Urteil, die Festsetzung der Rundfunkgebühr habe unabhängig von medienpolitischen Zielsetzungen zu erfolgen. Der Gesetzgeber habe jede Abweichung von der Empfehlung der KEF „nachvollziehbar zu begründen“.
Zumindest die Provinzpolitiker Sachsen-Anhalts hatten aus dieser Schlappe nichts gelernt. Sie führten wahlweise angeblich mangelnde Sparanstrengungen der Öffentlich-Rechtlichen, unzumutbare Belastungen der Bürger durch die geplante Beitragserhöhung um 86 Cent oder gar das „mangelhafte Engagement“ von ARD und ZDF im Osten als Blockadegrund an. Solchen Überlegungen erteilten die Richter nun abermals eine klare Absage: Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehe ein „grundrechtlicher Finanzierungsanspruch“ zu. Zwar dürfe es im Rahmen des gestuften Beitragsfestsetzungsverfahren durchaus Abweichungen von der Bedarfsfeststellung der KEF geben. Aber: „Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags muss frei von medienpolitischen Zielsetzungen erfolgen.“
Das Gericht würdigt darüber hinaus die besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Aufgabe, „als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt“. Die Digitalisierung der Medien und speziell die Netz- und Plattformökonomie des Internet einschließlich der sozialen Netzwerke begünstigten „Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen bei Anbietern, Verbreitern und Vermittlern von Inhalten“. Damit werde es immer schwieriger, „zwischen Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung zu unterscheiden“. Gerade „in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“ trage daher der beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk eine besondere Verantwortung.
Der Frontalangriff der Gegner von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf die Rundfunkfreiheit ist damit einstweilen gestoppt. Das Urteil ist zugleich eine indirekte Mahnung an die Öffentlich-Rechtlichen, ihrer privilegierten Rolle im deutschen Mediensystem gerecht zu werden. Die Pläne zu Kürzungen bei politischen Magazinen und anderen Informationsprogrammen, die bei der ARD derzeit ventiliert werden, entsprechen jedenfalls nicht der Logik dieses Urteils. Die Verantwortlichen sollten entsprechende Konsequenzen ziehen.