Angriff der Populisten abgewehrt

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Die Blockade der zum 1. Januar 2021 vorgesehenen Erhöhung des Rundfunkbeitrags durch Sachsen-Anhalt war verfassungswidrig. Mit der heute verkündeten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wird die bedarfsgerechte Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio einstweilen abgesichert. Das Urteil ist zugleich eine krachende Niederlage für die schwarz-braunen Populisten im Magdeburger Landtag.

Die Entscheidung setzt die Tradition bedeutender Rundfunkurteile des obersten deutschen Gerichts fort. In einem Präzedenzfall hatten die Ministerpräsidenten schon 2004 den von der unabhängigen KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) errechneten Erhöhungsbedarf von 1.09 Euro auf 88 Cent zurückstutzen wollen. Die Sender klagten in Karlsruhe und bekamen Recht. Schon damals argumentierten die Verfassungshüter in ihrem Urteil, die Festsetzung der Rundfunkgebühr habe unabhängig von medienpolitischen Zielsetzungen zu erfolgen. Der Gesetzgeber habe jede Abweichung von der Empfehlung der KEF „nachvollziehbar zu begründen“.

Zumindest die Provinzpolitiker Sachsen-Anhalts hatten aus dieser Schlappe nichts gelernt. Sie führten wahlweise angeblich mangelnde Sparanstrengungen der Öffentlich-Rechtlichen, unzumutbare Belastungen der Bürger durch die geplante Beitragserhöhung um 86 Cent oder gar das „mangelhafte Engagement“ von ARD und ZDF im Osten als Blockadegrund an. Solchen Überlegungen erteilten die Richter nun abermals eine klare Absage: Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehe ein „grundrechtlicher Finanzierungsanspruch“ zu. Zwar dürfe es im Rahmen des gestuften Beitragsfestsetzungsverfahren durchaus Abweichungen von der Bedarfsfeststellung der KEF geben. Aber: „Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags muss frei von medienpolitischen Zielsetzungen erfolgen.“

Das Gericht würdigt darüber hinaus die besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Aufgabe, „als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt“. Die Digitalisierung der Medien und speziell die Netz- und Plattformökonomie des Internet einschließlich der sozialen Netzwerke begünstigten „Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen bei Anbietern, Verbreitern und Vermittlern von Inhalten“. Damit werde es immer schwieriger, „zwischen Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung zu unterscheiden“. Gerade „in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“ trage daher der beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk eine besondere Verantwortung.

Der Frontalangriff der Gegner von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf die Rundfunkfreiheit ist damit einstweilen gestoppt. Das Urteil ist zugleich eine indirekte Mahnung an die Öffentlich-Rechtlichen, ihrer privilegierten Rolle im deutschen Mediensystem gerecht zu werden. Die Pläne zu Kürzungen bei politischen Magazinen und anderen Informationsprogrammen, die bei der ARD derzeit ventiliert werden, entsprechen jedenfalls nicht der Logik dieses Urteils. Die Verantwortlichen sollten entsprechende Konsequenzen ziehen.

Weitere aktuelle Beiträge

Medien im Wahlkampf: AfD gepusht

Wie sollen die Medien mit der AfD umgehen? Keine ganz neue Frage – sie ist so alt wie die AfD selbst - aber eine, die sich vor der Bundestagswahl mit zugespitzter Dringlichkeit stellte. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten hatten sich viel vorgenommen. Schließlich liegen die Fakten seit Jahren auf dem Tisch: Die AfD ist eine im Kern rechtsextreme Partei mit national-völkischer Programmatik. Punkt. Demgegenüber sind ARD und ZDF laut Medienstaatsvertrag bei der Erfüllung ihres Auftrags der verfassungsmäßigen Ordnung verpflichtet, inklusive der Einhaltung elementarer journalistischer Standards.
mehr »

Mit mehr Sorgfalt über Gewalttaten berichten

Hanau, Halle, Solingen, Mannheim, Magdeburg, Aschaffenburg, München – die Angst vieler Menschen in Deutschland vor Anschlägen wächst, angefeuert durch Hetze in „social media“, aber auch durch Politiker*innen, die diese Gewalttaten – gerade im aktuellen Wahlkampf – instrumentalisieren. Dem sollten demokratische und verantwortungsbewusste Journalist*innen mit Haltung entgegentreten.
mehr »

Rechtsruck als Geschäftsmodell? 

Der erste medienpolitische Aufreger zur Jahreswende war Elon Musks „Gastkommentar“, samt AfD-Wahlempfehlung in der Welt am Sonntag. Geschickt eingefädelt: Eine Zeitung, die alle sieben Tage gerade noch mal 0,5 Prozent der Bevölkerung erreicht, war mal wieder in aller Munde. Gefreut haben dürfte das nicht nur den Verlag, sondern auch die AfD, hat dieser der extrem rechten Partei doch eine weitere Brücke ins bürgerlich-konservative Lager gebaut.
mehr »

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »