Auch intern unbequem

Thomas Gehringer, freier Journalist in Köln Foto: privat

„Panorama“ ist nicht das erste, aber das älteste Politikmagazin im deutschen Fernsehen. Und es hatte eine schwere Geburt. Was da am 4. Juni 1961 auf dem Bildschirm in Schwarz-Weiß Premiere feierte, war ein ziemlich unverdaulicher Kessel Buntes aus aktueller Politik, Auslandsreportage und Unterhaltung. Doch schon bald hatte „Panorama“ seine erste Sternstunde.

Am Tag des Mauerbaus in Berlin, am 13. August 1961, glänzte die Redaktion vor dem noch überschaubaren Publikum von ARD2, dem damals zweiten Fernseh-Programm in Deutschland, mit Schalten in verschiedene Hauptstädte. Nach zwei Jahren war „Panorama“ der regierenden CDU bereits derart auf die Nerven gegangen, dass die Partei-Vertreter in den NDR-Gremien die Verlängerung des Vertrags von Redaktionsleiter Gert von Paczensky blockierten. Es sollte nicht der letzte Versuch der Politik bleiben, kritischen Journalismus in öffentlich-rechtlichen Medien zu stutzen.

Nun wollen wir uns noch ein wenig mit der Bundesregierung anlegen“, hatte von Paczensky im April 1963 einen Beitrag mit selbstbewusster Ironie anmoderiert. Doch das Adenauer-Deutschland war von lebendiger Debattenkultur weit entfernt. Dem Redaktionsleiter wurde insbesondere übel genommen, dass „Panorama“ die Kritik am Vorgehen der Bundesregierung in der „Spiegel-Affäre“ 1962 in die Öffentlichkeit getragen hatte. 1978 kündigte Schleswig-Holsteins

Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) sogar den NDR-Staatsvertrag. Die Berichterstattung zum Bau des Atomkraftwerks Brokdorf missfiel dem Konservativen. Für die Sendung arbeiteten namhafte Journalistinnen und Journalisten wie Sebastian Haffner, Peter Merseburger, Joachim Fest, Franziska Hundseder, Alice Schwarzer, Luc Jochimsen, Stefan Aust und Gerd Ruge. Den Mächtigen auf die Finger schauen und sich im Zweifel mit ihnen „noch ein wenig anlegen“ ist bis heute Anspruch und Markenzeichen von „Panorama“ geblieben. Allerdings haben sich Medienwelt und Öffentlichkeit grundlegend gewandelt, der NDR hat darauf auch mit weiteren Formaten reagiert, mit „Panorama – Die Reporter“ und „Panorama 3“ im dritten Programm sowie „Strg_F“ bei Funk, dem ARD/ZDF-Netzwerk für das junge Publikum. In den vergangenen Monaten war die Corona-Pandemie Thema Nummer eins, aber zum „Panorama“-Profil gehören auch regelmäßige Berichte über rechtsextreme Netzwerke.

Kein Wunder also, dass die durch soziale Medien beschleunigten Empörungswellen über die vermeintlichen „Staatsmedien“ insbesondere auch „Panorama“ treffen, obwohl das Magazin nach wie vor mit Regierenden kritisch ins Gericht geht und etwa über die Rolle des ehemaligen Hamburger Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) im Cum-Ex-Skandal recherchierte. Angesichts der Debatte um den Rundfunkbeitrag und die Zukunft von ARD und ZDF greift innerhalb der Sender allerdings Nervosität um sich. Ein Interview, das der Evangelische Pressedienst mit Redaktionsleiter Volker Steinhoff führte, wurde nicht autorisiert. Unbequem zu sein sei „eine Dienstleistung, die in der Demokratie dringend gebraucht wird“, schreibt Steinhoff im Presseheft, mit dem der NDR das kritische Magazin (und sich selbst) feiert. Intern ist die „Dienstleistung“, unbequem zu sein, gerade aber nur bedingt willkommen.

 

 

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