Deutschlandradio: Vertretung für Freie in Sicht

Das Leben ist kein Wunschkonzert – das wissen auch die freien Mitarbeiter_innen von Deutschlandradio. Genauso wie in den meisten Landesrundfunkanstalten werden die Bedingungen für die bei Deutschlandradio auf Honorarbasis arbeitenden Kolleg_innen von Tag zu Tag härter. Doch während für angestellte Kolleg_innen zumindest der Personalrat überbordende Forderungen der Geschäftsleitung abwehren kann und die Einhaltung der Tarifverträge prüft, können die Freien bei Deutschlandradio im Konfliktfall nur auf sich selbst und ihre Gewerkschaft zählen. Eine institutionalisierte Vertretung gibt es nicht für sie. Das soll sich nun ändern – und das ist gut so.

Die Ministerpräsidentenkonferenz bestätigte am 28. Oktober den 20. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Er enthält für das Deutschlandradio neue Mitbestimmungsmöglichkeiten für freie Mitarbeiter_innen. Schuld an dem bisherigen anachronistischen vertretungslosen Zustand ist das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPVG), das mit seinen „speziellen“ Paragrafen für die Bundesrundfunkanstalt Deutsche Welle auch für die Länder-Körperschaft Deutschlandradio gilt. Darin werden nämlich Intendant_innen, Direktor_innen und arbeitnehmerähnliche Personen (= Freie Mitarbeiter_innen mit tariflichem Schutz) vom Geltungsbereich des BPVG explizit ausgeschlossen. Eine fast schon zynische Regelung, ausgerechnet die oft in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeitenden Freien auf eine Stufe mit Intendant_innen und Direktor_innen zu stellen. Nur, um ihnen eine moderne und sachgerechte Interessensvertretung zu verweigern.

Diese eklatante Ungerechtigkeit haben etliche ehren- und hauptamtliche ver.di-Aktive nicht länger hingenommen. Zusammen mit Kolleg_innen vom DJV wollten sie die Chance nutzen, bei der anstehenden Änderung des Deutschlandradio-Staatsvertrages die dort festgeschriebene Geltung des BPVG durch eine Zuordnung des Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) NRW zu ändern. Das nordrhein-westfälische LPVG nämlich, das z.B. auch für den WDR gilt, schließt arbeitnehmerähnliche Personen ausdrücklich ein. Mit dieser einfachen, wirkungsvollen und leicht umzusetzenden Forderung konnten sich die Gewerkschaften aber nicht durchsetzen.

Die Gründe, die von der Politik dafür genannt wurden, sind kaum nachvollziehbar. Doch auch wenn das große Ziel nicht erreicht wurde, konnte ver.di dennoch Entscheidendes bewegen. Immerhin haben die Ministerpräsident_innen erkannt, dass gar keine Vertretung auch keine Lösung ist. Nun sieht der Entwurf des Deutschlandradio-Staatsvertrages vor, dass der Intendant eine institutionalisierte Freienvertretung schaffen soll. Welche Rechte und Pflichten diese bekommen wird, das soll dem Entwurf zufolge ein Statut regeln. Blaupause für diese abgeschwächte Lösung ist die Freienvertretung beim Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB), die schon seit einigen Jahren Erfahrung mit der Praxis machen konnte. Die Freienvertreter_innen in Berlin und Potsdam hatten dabei bislang ein großes Problem – all zu oft mussten sie ganz selbstverständliche Mitwirkungsrechte einfordern und auch vor dem Verwaltungsgericht einklagen, weil das Statut von Intendanten Gnade sie nicht vorsieht. ver.di hat die Ministerpräsidenten auf diese dauernde Klage-Gefahr hingewiesen, genauso wie auf die Tatsache, dass nun mit der Freienvertretung bei Deutschlandradio neue Gremien in Köln und Berlin, den Standorten des Senders geschaffen werden müssen. Etliche Betriebsvereinbarungen, mit dem Personalrat alle schon abgeschlossen, sind nun auch für Freie auszuhandeln. Mit der von den Gewerkschaften Personalratslösung wäre das alles überflüssig.

So sorgt die Politik für mehr Bürokratie aus Angst vor mündigen freien Mitarbeiter_innen, die in einem gemeinsamen Personalrat für Feste und Freie eine wirksame Vertretung hätten haben können. Deshalb ist mit der „Freienvertretung“ die Aufgabe für ver.di noch längst nicht erledigt. Jetzt muss es verstärkt darum gehen, endlich das BPVG so zu ändern, dass auch freie Mitarbeiter_innen davon profitieren können. Eine Forderung, die sich vor allem an die nächste Bundesregierung richten wird. Das ist auch deshalb wichtig, weil das renovierungsbedürftige BPVG auch die Freien in der Deutschen Welle und in einigen Landesrundfunkanstalten benachteiligt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »

Mit Perspektiven gegen soziale Spaltung

Die Berichterstattung über den Nahostkrieg zwischen Staatsräson und Menschenrechten ist heikel, denn die Verengung des Diskurses begünstigt einen Vertrauensverlust der Medien und die soziale Spaltung in Deutschland. Beides wird durch den politischen Rechtsruck befeuert. Grund genug, den medialen Diskurs genauer unter die Lupe zu nehmen.
mehr »

Das „Compact“-Verbot wurde ausgesetzt

Das rechte Magazin „Compact“ darf vorerst weiter erscheinen. Nachdem das Bundesinnenministerium im Juni ein Verbot verfügt hatte, gab das Bundesverwaltungsgericht zwei Monate später einem Eilantrag des Unternehmens statt, das das Magazin herausgibt (BVerwG, Beschluss vom 14. August 2024 – BVerwG 6 VR 1.24). Dennoch ist der Beschluss kein Freifahrschein, denn das Gericht hat einem Verbot rechter Medien nicht grundsätzlich eine Absage erteilt.
mehr »

Pressefreiheit gegen rechts verteidigen

Die Wahlergebnisse der AfD in Brandenburg, Sachsen und vor allem in Thüringen sind für unsere offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft eine Katastrophe. Noch ist unklar, wie sich das parlamentarische Erstarken der Rechtsextremisten und Faschisten konkret auf unser Zusammenleben auswirken wird. Absehbar ist aber schon jetzt, dass Medienschaffende und das Mediensystem insgesamt noch stärker unter Druck geraten werden.
mehr »