Leserbrief: Mechanismen nennen

„Hochmut und Niedergang?“ in «M» 12 / 2004 – 01 / 2005

Wer einem Feuilleton der „Rezensionen, die Lust auf ein Konzert, ein Buch, einen Film“ machen, das Wort redet, sollte nicht schweigen von den Mechanismen, die dort zum Tragen kommen: die zunehmend unklare Abgrenzung gegenüber redaktionell gewandeter PR-Arbeit, die tendenziell ins Korrupte changierenden Netzwerke von Abhängig- und Gefälligkeiten, in denen sich insbesondere (aber nicht nur) freie Autoren solcher Textformen gegenüber den Anbietern und Herausgebern der zu besprechenden Kulturgüter befinden. Zuzustimmen ist auch dem Einwand des Kollegen Peter Korfmacher (Leipziger Volkszeitung), was die besondere Problemstellung abseits der drei, vier relevanten (bzw. sechs, sieben relevant sich wähnenden) Blätter im Lande angeht.

Mir – sei es als Leser, sei es als gelegentlich für Feuilletons Arbeitender – erscheint ein am eigenen Anspruch sich dann und wann überhebendes (im weitesten Sinne) „politisches Feuilleton“ allemal gebotener als eines, das sich mit besseren Einkaufsempfehlungen begnügt, wahrscheinlich macht es am Ende auch schlicht die Mischung aus. Wer indes Anstoß daran nimmt, dass – so es denn überhaupt stimmt – „Vom Zahnersatz zu ökologisch bedenklichen Bremsbelägen, vom Schmelzen der Polkappen bis zu Geschlechtskrankheiten der Sänger im 17. Jahrhundert … kein Gegenstand … von irgendwie kulturkritischer Betrachtung verschont“ bleibt, stellt damit wenig mehr unter Beweis als den eigenen, durchaus engstirnigen Begriff von der Kultur selbst; diese findet demnach nur auf Sprech- oder Tanztheaterbühnen statt, zwischen Buchdeckeln oder – aber nur, wenn es denn unbedingt sein muss – auf silbernen Ton- oder Datenträgern.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Schmuddel-Liste aus Bayern

Die bayerischen Verfassungsschützer haben Schreckliches entdeckt. In ihrem jüngsten Halbjahresbericht 2024 warten sie mit brandneuen Erkenntnissen zu russischen Desinformationskampagnen auf, unter anderem zu sogenannten Doppelgängerseiten. Das sind solche, die aussehen wie echte Nachrichtenportale, aber gefälschte Inhalte verbreiten. Der bayerische VS begnügt sich jedoch nicht mit Doppelgängern, sondern nimmt die originalen Inhalte deutscher Medien ins Visier. Unter der Kategorie „Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten“ listet er eine Reihe von Medien auf, deren Berichte angeblich öfter von „Doppelgängern“ aufgegriffen werden, um die Reichweite…
mehr »

Schlappe für Nancy Faeser

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das vom Bundesinnenministerium (BMI) vor einem Monat exekutierte Verbot des rechtsextremistischen Magazins „Compact“ am 14. August im Eilverfahren ausgesetzt. Das BMI hatte sein Verbot damit begründet, dass die Compact Magazin GmbH ihre Medienerzeugnisse gezielt missbrauche, um verfassungsfeindliche Zielsetzungen reichweitenstark zu verbreiten.
mehr »

Putins Geiseln

In Russland wurden Mitte Juli zwei westliche Journalist*innen aufgrund fingierter Anschuldigungen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Westliche Regierungen werden nun einen zynischen Deal mit dem Kreml eingehen müssen, um Evan Gershkovich und Alsu Kurmasheva freizubekommen. Doch gleichzeitig sollten sie klar machen, dass sie Putins „Verständnis“ von Journalismus nicht teilen.
mehr »

Tarifbindung statt Mehrwertsteuersenkung

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder möchte Verlagen, “Begleitschutz” geben. Das hat er bei einer Veranstaltung des Medienverbandes der freien Presse kürzlich angekündigt. Diejenigen unter ihnen, die Presseerzeugnisse herausgeben, sollen nach dem Willen Söders von einer - weiteren - Senkung der Mehrwertsteuer profitieren.
mehr »