Nur formal (noch) nicht Recht bekommen

Tina Groll, Vorsitzende des dju-Bundesvorstandes in ver.di
Foto: Kay Herschelmann

Die ZDF-Reporterin Birte Meier, die seit Jahren für gleiche Bezahlung wie die männlichen Kollegen kämpft, ist ein Vorbild – und keineswegs gescheitert. Wie oft musste sie Schlappen und allenfalls Etappenziele vor den Gerichten hinnehmen: Birte Meier streitet seit Jahren dafür, genauso wie ihre männlichen Kollegen bezahlt zu werden. Es ist der wohl bekannteste Fall einer Klage gegen den Gender-Pay-Gap und gegen Lohndiskriminierung.

Hieß es zunächst, der Fall sei quasi aussichtslos, weil sie als feste Freie beim ZDF tätig war, ihr Gehalt jedoch auch mit festangestellten Kollegen verglich, änderte sich die juristische und auch öffentliche Einschätzung spätestens im Juni 2020, als sie einen Teilerfolg damals schon vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erzielte. Die höchsten Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter nämlich sahen es als zulässig an, dass auch die Reporterin als feste Freie einen Auskunftsanspruch auf Grundlage des Entgelttransparenzgesetzes hat.

Dieses Gesetz für Lohntransparenz war unter der früheren Bundesregierung 2018 in Kraft getreten und sollte eigentlich vor allem Frauen dabei helfen, etwas gegen Lohndiskriminierung zu tun. Jedoch ist das Gesetz ein zahnloser Tiger – Auskunft haben Beschäftigte nämlich nur, wenn mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem Unternehmen tätig sind. Und auch nur, wenn es eine vergleichbare Gruppe von Kolleginnen und Kollegen gibt. Und ein Recht darauf, mehr Geld zu bekommen, sieht das Gesetz so präzise ohnehin nicht vor.

Dennoch kann es nun im Fall von Birte Meier durchaus nützlich sein: Denn mit dem Auskunftsanspruch erhielt sie die Information, dass sie rund 800 Euro weniger Gehalt als männliche Kollegen erhielt– außerdem verweigerte das ZDF ihr bestimmte Zulagen.

Sie hatte vor dem BAG geklagt, um das gleiche Gehalt zu erhalten wie die Männer – nur fair – und sie wollte die Differenz nachträglich ausgezahlt bekommen – ebenfalls richtig. Denn gleiche Arbeit muss auch gleich bezahlt werden. Außerdem sind jahrelange Rechtsverfahren durch alle Instanzen vor allem eins: sehr, sehr teuer. Doch genau in diesem Punkt war die Revision nicht zugelassen worden.

Mit dem Urteil des BAG schien der Fall fast schon beendet zu sein und der Rechtsweg ausgeschöpft. Also legte die Journalistin Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Das ist nur möglich, wenn es keine anderen juristischen Wege mehr gibt, zu seinem Recht zu kommen.

Doch nun lehnten die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts die Beschwerde ab. Ein erneutes Scheitern? Keineswegs, denn die Begründung hat es in sich: Die Klage sei wegen inhaltlicher Mängel nicht zur Entscheidung angenommen worden, teilte Karlsruhe mit. Es lasse sich nicht überprüfen, ob die Frau bei den Arbeitsgerichten wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe (Aktenzeichen: 1 BvR 75/20  ). Klingt komisch? Keineswegs:  Denn die höchsten Richterinnen und Richter verweisen auch darauf, dass mit den Auskünften über das Vergleichsentgelt nun ein Zahlungsanspruch geltend gemacht werden könne. Ein solcher Versuch bei den Arbeitsgerichten sei “jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos”.

Birte Meier ist damit alles andere als gescheitert, sondern bestens präpariert für eine weitere Klage. Und die Rechtsprechung hat damit eine sehr wichtige Präzisierung erfahren. Bislang war es nämlich unklar, ob man das zu wenig gezahlte Gehalt einklagen kann – jetzt gibt es dazu Klarheit aus Karlsruhe. Wunderbar. Damit könnte ein neues Verfahren möglich sein, um Nachzahlung des seit Jahren zu gering bemessenen Gehalts.

Abschließend muss man der Kollegin Birte Meier Respekt für ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit zollen. Sie ist damit auf dem gesamten deutschen Arbeitsmarkt ein Vorbild  für viele Frauen, die schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen und die sich dies nicht gefallen lassen wollen. Wenn erst einmal eine Rechtsprechung bei Gender-Pay-Gap-Klagen gibt, kann es für weitere Fälle einfacher werden. Und daher muss man Birte Meier ganz deutlich Danke sagen.

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