Schlappe für Nancy Faeser

Foto: Jan-Timo Schaube

Meinung

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das vom Bundesinnenministerium (BMI) vor einem Monat exekutierte Verbot des rechtsextremistischen Magazins „Compact“ am 14. August im Eilverfahren ausgesetzt. Das BMI hatte sein Verbot damit begründet, dass die Compact Magazin GmbH ihre Medienerzeugnisse gezielt missbrauche, um verfassungsfeindliche Zielsetzungen reichweitenstark zu verbreiten.

Offenbar im Bewusstsein hoher verfassungsrechtlicher Risiken eines Publikationsverbots hatte das Ministerium in seiner Begründung Zuflucht zum Vereinswesen genommen. Somit betraf das Verbot nicht nur das gedruckte Magazin, sondern auch die Online-Ausgabe sowie die Conspect Film GmbH. 

Ein taktisch riskantes Manöver, das nach hinten losging. Natürlich ist das hohe Gericht kein Fan des vom bekannten Rechtsaußen-Publizisten Jürgen Elsässer herausgegebenen Magazins. Im Gegenteil: Daran, dass „Compact“ gegen die Menschenwürde hetzt und eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ einnehme, besteht auch für die Leipziger Juristen kein Zweifel. Eher schon daran, ob mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit das Verbot verhältnismäßig erscheint.

Entscheidung einstweilig

Denn: Die Verbreitung radikaler, auch extrem unappetitlicher Meinungen ist nicht verboten. Mit dem Mittel des Vereinsrechts pauschal unliebsame Meinungen oder gar Medien zu verbieten, lässt das Grundgesetz nicht zu. Den Nachweis, dass das Compact-Netzwerk womöglich einen Staatsstreich vorbereitet, hat das BMI nicht erbracht.

Daher ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das von Faesers Ministerium verhängte Verbot einstweilen – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – auszusetzen, zu begrüßen. Zu Recht verweist das Gericht auf „mögliche mildere Mittel“, die unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit denkbar seien: presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote.

Gleich der Griff zum schärfsten Schwert

Jetzt rächt sich, dass Nancy Faeser in ihrem Vorgehen gegen „Compact“ gleich zum schärfsten Schwert griff, dass dem Staat zur Verfügung steht: dem Verbot. Ein Verbot, das – wohl zum Ergötzen der „Compact“-Herausgeber – durch eine Publikation der aktuellen Ausgabe unter dem Namen Näncy als kostenpflichtiger Download umgangen wurde.

Dem Kampf gegen Rechtsextremismus dürfte die Ministerin durch ihren unüberlegten Aktionismus eher geschadet haben. In der Szene werden Elsässer und seine Gesinnungsgenossen schon als Helden und Widerständler gegen einen übergriffigen Staat gefeiert. Auch die AfD, als deren Sprachrohr „Compact“ sich in den letzten Jahren profiliert hat, dürfte – zwei Wochen vor zwei Landtagswahlen im Osten – über diese unerwartete Unterstützung frohlocken.

Überdies dräut bis zur finalen Entscheidung womöglich ein absurder Rechtsstreit: Was wiegt schwerer – der Kampf gegen Extremismus oder das hohe Gut der Pressefreiheit?

Ob Nancy Faeser aus dieser Schlappe lernt? Zweifel erscheinen angebracht. In der Pipeline des Ministeriums wartet bereits ein neues hochumstrittenes Paragrafenwerk. Der Entwurf zur Novelle des BKA-Gesetzes enthält Pläne für eine polizeiliche Gesichtserkennungs-Software. Auch das Projekt Bundestrojaner hat es in sich. Demnach will Faeser dem BKA heimliche Einbrüche und Durchsuchungen in Privatwohnungen erlauben, um Spähsoftware auf Smartphones oder Computern zu installieren. Dass zur ihren vordringlichsten Aufgaben der Schutz von Grundrechten gehört, ist der Ministerin offenbar entgangen.

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