Synchronproduzenten dürfen Schauspieler nicht als Selbstständige abrechnen

Hauptberufliche Synchronschauspieler sind nicht als Selbstständige zu beschäftigen, sondern als „unständig Beschäftigte“ einzustufen und gegenüber der Sozialversicherung abzurechnen. Das geht aus zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. April 2016 hervor, die jetzt veröffentlicht wurden. „Wenn Synchronproduzenten jetzt einfach weiter auf Basis der Selbstständigkeit abrechnen, setzen sie sich der Gefahr von Nachzahlungen aus, bei denen sie dann neben dem Arbeitgeber- auch den Arbeitnehmeranteil tragen müssen“, warnt Till Völger, Vorstand des Interessen-Verbands Synchronschauspieler (IVS).

Die Entscheidung des Bundesgerichts wird „aufgrund der günstigen Rechtsfolgen für diesen Sonderstatus“ von Völger sehr begrüßt. Damit seien verpflichtend Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber und Synchronschauspieler bzw. -schauspielerin zu entrichten.

Nach den entscheidenden Passagen für alle Betroffenen muss man in der Begründung des 12. Senats des Bundessozialgerichts allerdings lange suchen. In erster Linie geht es darin darum, warum der Revisionsantrag der Krankenkasse als Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge gegen zwei Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 „nicht entscheidungsreif“ ist. Beide Verfahren laufen bereits seit 2012, wobei der Einsatz des klagenden Synchronschauspielers (Az.: B 12 KR 16/14 R) bei verschiedenen, teils bereits insolventen Produktionsfirmen in den Jahren 2007 und 2008 erfolgte, der der Synchronschauspielerin (Az.: B 12 KR 17/14 R) im Jahre 2008. Geladen zur mündlichen Verhandlung in Kassel waren auch Vertreter der Künstlersozialkasse und der Deutschen Rentenversicherung (DRV), die sich allerdings nicht äußerten.

Erst ganz zum Schluss seiner achtseitigen Ausführungen sind die für die Synchronbranche entscheidenden Passagen zu finden: Die Entscheidungen des LSG, dass bei den Synchroneinsätzen im Rechtssinne „Beschäftigung“ vorgelegen hat, sei „revisionsrechtlich nicht zu beanstanden“, denn die Kläger/in „war in den jeweiligen Betrieb der Synchronisationsunternehmen eingegliedert und unterlag unter Vorgabe von Terminen und zeitlicher Abfolge für die Aufnahmen, von Räumlichkeiten sowie Dialog- bzw. Synchronbüchern im Einzelnen den Weisungen der von den Unternehmen gestellten Regisseure, Cutter und Tonmeister.“ Zweiter entscheidender Punkt der BSG-Entscheidungen: Die Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Synchronsprechern aus dem Jahr vom 30.9.2005 sei „schon vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der Verhältnisse nach Annahme des einzelnen Einsatzangebots ohne Belang.“

Derzeit befinden sich acht weitere Verfahren zu dieser Frage vor verschiedenen Gerichten. Nun werden diese teils ruhend gestellten Verfahren wieder aufgenommen. – Daneben gibt es bereits drei rechtskräftige Urteile des Sozialgerichts Berlin, des Landessozialgerichts Potsdam und des Landessozialgerichts München, wonach die Tätigkeit eines Synchronschauspielers nicht selbstständig, sondern als unständige Beschäftigung abzurechnen ist.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Warnstreik bei der Süddeutschen Zeitung

Für die zweite Tarifverhandlungsrunde am 25. Juli 2024 hatten die Verhandler*innen des Zeitungsverlegerverbandes BDZV der dju in ver.di ein Angebot zu Tariferhöhungen angekündigt. Gehalten haben sie das Versprechen nicht. Konkrete Zahlen zur Tariferhöhung blieb der BDZV schuldig. Stattdessen stellte er Gegenforderungen zum Nachteil der Zeitungsredakteur*innen. Heute streikten dagegen über 100 Beschäftigte der Süddeutschen Zeitung. In Nürnberg gab es eine Aktive Mittagspause vor dem Verlag Nürnberger Presse.
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »