Die neue freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbständige
Für relativ wenig Geld können sich die meisten freiberuflichen Medienmacher ab dem 1. Februar 2006 freiwillig arbeitslosenversichern. Für monatlich weniger als 40 Euro Beitrag gibt es bis zu 1.360 Euro Arbeitslosengeld im Monat. „M“ rät: Wer sich nicht völlig sicher ist, dass seine Selbstständigkeit auf Dauer trägt, sollte das neue Angebot der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit unbedingt prüfen – und bei Gefallen annehmen. In den meisten Fällen bleibt dazu eine Überlegungsfrist bis Ende 2006.
Trotz der seit 1983 existierenden Künstlersozialkasse gab es bisher für freiberufliche Künstler, Publizisten und andere Medienschaffende immer noch eine gravierende Lücke bei ihrer sozialen Sicherung: Gegen das Risiko „Arbeitslosigkeit“ konnten sie sich bisher kaum absichern. Wer als Freier scheiterte, war daher häufig auf die Sozialhilfe oder – seit 2005 – auf das neue Arbeitslosengeld II angewiesen. Diese Fürsorgeleistungen gibt es aber nur bei „Bedürftigkeit“ – also nach Anrechnung von Einkommen des (Ehe-)Partners oder Auflösung von Vermögens-Rücklagen.
Ab dem 1. Februar 2006 können sich aber die meisten Selbstständigen – genauso wie pflegende Angehörige und Arbeitnehmer, die einen Job im Ausland außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) aufnehmen – durch freiwillige Beiträge Ansprüche auf Arbeitslosengeld (I) sichern. Die neue freiwillige Arbeitslosenversicherung nach Paragraf 28a des dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III) ist nicht nur für angehende Freiberufler interessant, sondern auch für die „alten Hasen“ in der Branche.
Unter dem Dach der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit können sich nun auch diejenigen noch freiwillig versichern, die schon vor etlichen Jahren ihre
selbstständige Existenz begonnen haben. „Das kann dann sogar 30 oder mehr Jahre her sein“, erklärt Ulrich Waschki, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. An bestimmte Bedingungen ist der Abschluss allerdings geknüpft:
Voraussetzungen: Streng genommen handelt es sich bei dem neuen Angebot aus Nürnberg um eine freiwillige Weiter-Versicherung: Vor Beginn der Selbstständigkeit muss man deshalb entweder sozialversichert beschäftigt gewesen sein und dabei innerhalb der letzten 24 Monate vor dem Start in die Freiberuflichkeit mindestens zwölf Monate in die Arbeitslosenkasse eingezahlt haben. Oder man muss unmittelbar vor der Existenzgründung die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld bezogen haben. Dass auch der Bezug der Bedürftigkeitsleistung Arbeitslosenhilfe (sie gab es bis Ende 2004) unmittelbar vor Beginn der freiberuflichen Existenz zählt, wird derzeit in Nürnberg (noch) verneint. Es bestehen aber gute Chancen, dass die Sozialgerichte das anders sehen.
Darüber hinaus muss die Selbstständigkeit durch „geeignete Unterlagen“ belegt werden, also beispielsweise durch eine Bescheinigung der Künstlersozialkasse oder eines Steuerberaters bzw. eine Gewerbeanmeldung.
Ein Beispiel: Ein Journalist, der sich zum 1. Januar 1980 selbstständig machte, kann sich freiwillig arbeitslosenversichern, wenn er entweder unmittelbar vor der Existenzgründung sozialversichert beschäftigt war und im Zwei-Jahres-Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1978 und dem 31. Dezember 1979 zwölf Monate mit sozialversicherter Beschäftigung nachweisen kann oder im Dezember 1979 Arbeitslosengeld (bzw. Arbeitslosenhilfe) oder Unterhaltsgeld bezogen hat. Wer schon 30 oder 40 Jahre selbstständig ist, wird häufig allerdings keine Belege mehr über Zeiten des früheren Bezugs von Arbeitsamts-Leistungen haben. In diesem Fall kann man auch Unterlagen der Rentenversicherung über rentenversicherte Zeiten vorlegen. Aus dem (Renten-)Versicherungsverlauf geht die Zeit des Arbeitslosengeldbezugs bzw. der abhängigen Beschäftigung eindeutig hervor. Das reicht als Nachweis.
Durch die genannten (Vorversicherungs-)Bedingungen bleibt im Grunde nur für diejenigen die Tür zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung verschlossen, die noch nie ein Jahr lang sozialversichert waren. Insbesondere trifft dies die Medien-Macher, die direkt nach Abschluss ihrer Schul- oder Hochschulausbildung in die Freiberuflichkeit gestartet sind.
Beiträge: Für in Westdeutschland lebende Selbstständige fallen monatlich 39,81 Euro als Beitrag an. In den neuen Bundesländern sind es 33,56 Euro. Ab dem 1. Januar 2007 ist mit (noch) niedrigeren Beitragssätzen zu rechnen. Dann werden – im Zuge einer von der Bundesregierung geplanten Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte – die Sätze voraussichtlich auf 28 bzw. 24 Euro sinken.
Fristen:
Anträge müssen bei der örtlichen Arbeitsagentur gestellt werden. Die Entscheidung müssen langjährig Selbstständige – genauso wie Existenzgründer, die sich erst im Laufe dieses Jahres selbstständig machen – bis zum 31. Dezember 2006 treffen. Danach bleibt für sie das Tor zur Arbeitslosenkasse zu. Tipp: Im Zweifelsfall sollte der Antrag auf die freiwillige Versicherung in jedem Fall gestellt werden. Denn ein Ausstieg ist ohne Kündigungsfristen jederzeit möglich. Wer sich erst am Ende dieses Jahres zur freiwilligen Beitragszahlung entschließt, sollte aber auch bedenken: Die ersten Monate im Jahr 2006 zählen dann noch nicht für den Aufbau von möglichen Ansprüchen (siehe Dauer des Arbeitslosengeld-Anspruchs).
Ab 2007 ist eine freiwillige Arbeitslosenversicherung nur noch für Neu-Selbstständige möglich. Sie müssen sich dann gleich innerhalb des ersten Monats ihrer Selbstständigkeit entscheiden.
Versicherungsfall: Der Versicherungsfall tritt ein, wenn die Auftragslage der freien Medien-Macher so schlecht läuft, dass sie weniger als 15 Stunden pro Woche zu tun haben. Wer ein Gewerbe angemeldet hat, muss dieses – derzeit jedenfalls – nicht abmelden, um Arbeitslosengeld (I) zu bekommen. Die selbständige Tätigkeit kann sogar im Nebenjob (mit weniger als 15 Stunden pro Woche) fortgeführt werden. Einkünfte werden dann aber als Nebeneinkommen angerechnet, wobei 165 Euro Gewinn (Einnahmen minus Ausgaben) pro Monat anrechnungsfrei sind.
Wichtig ist allerdings: Wer Arbeitslosengeld (I) bezieht, muss bereit sein, jede zumutbare abhängige Beschäftigung anzunehmen.
Achtung: Die Kriterien zum Nachweis der Arbeitslosigkeit könnten künftig noch verschärft werden.
Dauer des Arbeitslosengeld-Anspruchs: Nach einem Jahr freiwilliger Beitragszahlung erwerben freiwillig versicherte Selbstständige – wie Arbeitnehmer – einen Anspruch auf sechs Monate Arbeitslosengeld (I). Nach zwei Jahren auf zwölf Monate. Wer bereits 55 Jahre oder älter ist, hat nach drei Beitrags-Jahren ein Anrecht auf die Versicherungsleistung für 18 Monate.
Leistungshöhe: Einen besonderen Anreiz zur freiwilligen (Weiter-)Versicherung in Nürnberg gibt es für vormals arbeitslose Medien-Schaffende, die ein recht hohes Arbeitslosengeld (I) bekommen hatten. Falls ihre Existenzgründung innerhalb der ersten zwei Jahre schief geht, können sie sich auf einen Bestandsschutz berufen. Das Arbeitslosengeld (I) für sie wird dann mindestens auf Grundlage ihres letzten sozialversicherten Gehalts berechnet.
Befristung: Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige ist zunächst „versuchsweise“ eingeführt worden. Die entsprechenden Regelungen des dritten Sozialgesetzbuchs sind zunächst auf fünf Jahre befristet und laufen am 31. Dezember 2010 aus.
Allerdings: Wer bis dahin freiwillig versichert ist, den werden die Arbeitsagenturen kaum von Heute auf Morgen aus der Versicherung herausschmeißen können.
Mehr Informationen
Link für Selbständige: www.mediafon.net
Den Antrag und ein Hinweisblatt zur freiwilligen Arbeitslosen-Weiterversicherung gibt es bei den örtlichen Arbeitsagenturen oder unter www.arbeitsagentur.de. Suchweg: Informationen für Arbeitnehmer _ Geldleistungen _ Arbeitslosengeld _ Link und Dateiliste
Ausführliche Berechnungsbeispiele, Erläuterungen und Kommentierungen zur neuen freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige enthält das Heft 1/2006 der vom DGB herausgegebenen sozialpolitischen Fachzeitschrift Soziale Sicherheit. Das Einzelheft kostet 8,00 Euro (incl. Versand). Bestellungen über Leseservice Tel. 02203 / 10 02 – 66 oder www.aib-verlag.de/soziale_sicherheit.html
Arbeitslosengeld nach freiwilliger Arbeitslosenversicherung (in Euro)*
(in Euro nach mindestenszwölf Monaten Beitragszahlung) | Monatl. Arbeitslosengeld West** | Monatl. Arbeitslosengeld Ost** | ||
Qualifikationsstufe ohne Kind | Steuerklasse I / IV mit Kind |
Steuerklasse III ohne Kind |
Steuerklasse I / IV mit Kind |
Steuerklasse III ohne Kind |
Ohne Berufsausbildung | 616,80 | 767,40 | 546,90 | 665,80 |
Ausbildungsberuf | 762,90 | 1003,20 | 669,30 | 862,20 |
Meister | 906,30 | 1200,00 | 794,40 | 1048,50 |
Uni / Fachhochschule | 1041,90 | 1364,10 | 914,70 | 1210,50 |
* nach fiktiver Bemessung und den Werten von 2006
** sofern kein Bestandsschutz auf eine noch höhere Leistung aus früherer Arbeitslosigkeit besteht
Monatliche Beiträge zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung ab Februar 2006 (in Euro)
Ost: | 33,56 Euro |
West: | 39,81 Euro |
Bei allen anderen arbeitslosen Freiberuflern wird das Arbeitslosengeld (I) „fiktiv“ bemessen: Die Höhe hängt dann von einer von vier Qualifikationsgruppen (siehe Tabelle) ab, in die bei Arbeitslosigkeit vermittelt werden könnte. Für die meisten selbstständigen Journalisten, Kameraleute oder Regisseure dürfte die Gruppe 1 „Hochschul- und Fachhochschulausbildung“ gelten. Nach den derzeitigen Sätzen (2007 werden diese entsprechend der Lohnentwicklung angepasst) würde ein in Westdeutschland lebender freiberuflicher Hochschulabsolvent mit Steuerklasse III und Kind monatlich 1.364,10 Euro Arbeitslosengeld