Lensing-Wolff verliert gegen Dortmund

Gerichtsgebäude in Hamm Foto: Frank Biermann

Die Stadt Dortmund muss ihr Internetangebot nicht umgestalten. Der Dortmunder Zeitungsverleger Lambert Lensing-Wolff („Ruhrnachrichten“) hat vor dem Oberlandesgericht in Hamm eine Niederlage erlitten. Er wollte auf dem Klagewege erreichen, dass die Stadt Dortmund auf ihrem Internetportal dortmund.de nur über eigene Aktivitäten, also aus dem Rathaus und in Sachen der Verwaltung, berichten dürfe.

Alles, was darüber hinausgehe, wie Berichte über Borussia Dortmund oder den „Tatort“ aus Dortmund, gehöre nicht in ein städtisches Informationsmedium und sei der freien Presse vorbehalten. Denn damit würde die öffentliche Hand in Konkurrenz zu den privaten Presseunternehmen treten. Mit dieser Rechtsauffassung hatte Lambert Lensing-Wolff im November 2019 noch vor dem Landgericht Dortmund Recht bekommen.

Das Oberlandesgericht Hamm sah dies in der Berufung jetzt anders und hat das Urteil aus der ersten Instanz aufgehoben.

Dazu führte der Vorsitzende Richter des 4. Zivilsenat in der zweistündigen mündlichen Verhandlung aus: Es könne nicht festgestellt werden, dass das Internetportal der Stadt in unzulässiger Weise die private Presse substituiere. Im Hinblick auf den Umfang des Internetportals, einschließlich der großen Anzahl an Haupt- und Unterseiten, könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass durch den Betrieb des Stadtportals ein Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit eine Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten eintrete. „Sie verkaufen durch das Internetportal der Stadt Dortmund keine Zeitung weniger“, sagte Richter Celso Lopez Ramos.

Jedenfalls sei für das Gericht eine Verletzung des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz folgenden Gebots der Staatsferne der Presse nicht feststellbar. Zwar wäre das bei einzelnen Artikeln konstatierbar. Doch habe die Stadt Dortmund die engen Grenzen, die der Gesetzgeber ihr gelassen habe, um sich auf dem Gebiet der Pressen zu bewegen, nicht überschritten. Verstöße, so der Hinweis des Senats an den Verleger und seinen Rechtsbeistand, hätten zudem im Einzelnen dargelegt werden müssen.

Das Medienhaus Lensing muss die Kosten des Rechtsstreits tragen, Revision wurde zugelassen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass das Thema vor den dem Bundesgerichtshof erneut verhandelt wird. Lensing-Wolff kündigte noch im Gerichtssaal an: „Wir werden an allen Stellen weiter für die Freiheit der Presse kämpfen.“

In dem Verfahren am OLG Hamm spielten immer wieder Entscheidungen anderer Landgerichte und Oberlandesgerichte in der Republik eine Rolle. So hatte etwa das Landgericht München nach Klage von „Süddeutscher Zeitung“ und anderen entschieden, dass die Stadt München ihr Internetangebot umgestalten muss.

Darüber, wie das das Terrain im Internet zukünftig verteilt wird, streiten die Zeitungsverlage nicht nur mit den Städten, sondern auch mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Angefangen hatte dieser Konflikt mit dem Streit um die „tageschau“-App.

Einzelheiten der jetzigen Senatsentscheidung werden sich noch aus der schriftlichen Urteilsbegründung ergeben (Az. 4 U 1/20, OLG Hamm). Das Urteil vom 10. Juni 2021 ist noch nicht rechtskräftig.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Dreyeckland-Journalist wegen Link angeklagt

Am 18. April beginnt der Prozess gegen den Journalisten Fabian Kienert. Dem Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg wird die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen, weil er das Archiv eines Onlineportals in einem Artikel verlinkt hat. Das Portal mit Open-Posting-Prinzip war von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 als kriminelle Vereinigung verboten worden.
mehr »

Wichtiger Schritt gegen Einschüchterungsklagen

Die Europäische Union will Journalist*innen, Menschenrechtler*innen und Nichtregierungsorganisationen besser vor strategischen Einschüchterungsklagen (SLAPPs) schützen. Die Mitgliedstaaten gaben einer entsprechenden Richtlinie am Dienstag grünes Licht, das EU-Parlament hatte bereits Ende Februar zugestimmt. Die Regierungen haben nun zwei Jahre Zeit, sie in nationales Gesetze zu übertragen.
mehr »

EU stimmt für Medienfreiheitsgesetz

Das Europäische Parlament hat den European Media Freedom Act (EMFA) mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Das Medienfreiheitsgesetz soll die Unabhängigkeit und Vielfalt von Medien stärken und Besitzstrukturen im Mediensektor transparent machen. Medienorganisationen begrüßten das Gesetz. An der Frage, inwiefern Journalist*innen vor Ausspähung geschützt werden sollen, wäre das Vorhaben fast gescheitert. Einer Überwachung werden nun enge Grenzen gesetzt – doch Bedenken bleiben. 
mehr »

EU segnet Anti-SLAPP-Gesetz ab

Das Europäische Parlament stimmte in Straßburg mit großer Mehrheit für die sogenannte Slapp-Richtlinie. 546 Parlamentarier*innen stimmten für das Gesetz, 47 dagegen und 31 enthielten sich. Die Regelung soll Einzelpersonen und Organisationen, die sich mit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse wie Grundrechten, Korruptionsvorwürfen und dem Kampf gegen Desinformation befassen, vor missbräuchlichen Klagen schützen. Jetzt muss die EU-Richtlinie am 19. März durch den Europäischen Rat bestätigt werden. Danach haben die 27 EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen.
mehr »