Unfreiwillige Wahlkampfhelferin der Schill-Partei

Sachsen-Anhalt: Anspruch auf Gegendarstellung gilt nur für Periodika  – Einstweilige Verfügung von zweifelhaftem Wert

Die Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler in Sachsen-Anhalt Helga Elschner ist nicht gerade bekannt dafür, auf den Mund gefallen zu sein. Kürzlich aber verschlug es der wortgewaltigen Wächterin über die öffentlichen Finanzen doch buchstäblich die Sprache.

Die oberste Steuerzählerin des Landes, die penibel auf ihre parteipolitische Unabhängigkeit achtet, fand sich ebenso unversehens wie unberechtigt als Wahlkampfhelferin der Schill-Partei für den Urnengang in Sachsen-Anhalt am 21. April geoutet.

„Eine Frau gegen den roten Filz“ titelt „Schill exklusiv“, die Wahlkampfzeitung des als „Richter Gnadenlos“ bekannt gewordenen Hamburger Innensenators Ronald Barnabas Schill für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt und garniert die Geschichte mit dem Konterfei Helga Elschners. Und dann ziehen Schills Wahlkampfleiter vollends vom Leder. „Sie wirkt freundlich, herzlich, mütterlich, intelligent“, fordert die Wahlkampfpostille der Schill-Partei die Solidarität des Lesers nicht nur mit Helga Elschner, sondern auch mit dem eigenen Haufen hemmungslos ein. „Helga Elschner ist eine durch und durch kämpferische Frau, die ihre Erfahrung, ihr Wissen, ihre Energie den Mitbürgern in Sachsen-Anhalt widmet, die schmutzigen Winkelzügen von Politbürokraten in diesem Land ausgeliefert sind.“

Aus allen Wolken gefallen

Die Landeschefin des Steuerzahlerbundes ist nach eigenen Worten aus allen Wolken gefallen und war wie vom Donner gerührt gewesen. „Ich habe zwar mit einem Journalisten gesprochen, der aus Berlin angereist war“, sagt Helga Elschner. „Der hatte mir aber erklärt, für ein Wirtschaftsmagazin in Berlin zu arbeiten – von Wahlpropaganda war keine Rede.“

Genau diesen Eindruck muss aber der Leser der Wahlkampfzeitung gewinnen. Denn nicht nur auf Seite 1, sondern auch im Heftinneren wird Helga Elschner als Kronzeugin gegen andere Parteien und insbesondere gegen die Landesregierung sowie für die Ziele der Schill-Partei aufgerufen.

Ein gerichtlicher Antrag des Steuerzahlerbundes brachte nur einen Teilerfolg. Zwar wurde die Schill-Partei per Einstweiliger Verfügung verpflichtet, in der nächsten erreichbaren Ausgabe ihrer Wahlkampfpostille eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. Ob diese Gegendarstellung aber jemals das Licht der Öffentlichkeit auch wirklich erblickt, darf indes bezweifelt werden.

„Unsere Wahlkampfzeitung ist in einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren gedruckt worden und von vornherein nur als einmalige Ausgabe geplant gewesen“, sagt der Pressesprecher der Schill-Partei für Sachsen-Anhalt, Toni Rupprecht. „Wir freuen uns, dass wir die Zeitung weiter verteilen dürfen.“

Reformbedarf

Ob es aber eine weitere Ausgabe der „Schill exklusiv“ geben werde, sei noch vollkommen unklar. „Wir werden uns jedenfalls nicht vom Bund der Steuerzahler vorschreiben lassen, ob wir eine zweite Ausgabe der Zeitung herausbringen“, so Rupprecht weiter. „Ich werde doch nicht ohne Notwendigkeit eine weitere Ausgabe unserer Zeitung in einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren machen, nur um Frau Elschners Gegendarstellungsanspruch zu befriedigen.“

Für den Anwalt der Steuerzahler-Chefin, Alexander von Maydell, ist die Schill-Partei damit sogar auf der sicheren Seite. „Es ist tatsächlich so, dass sich das Landesmediengesetz in der Formulierung von Gegendarstellungsansprüchen ausschließlich auf Periodika bezieht“, sagt der Medienrechtler. Und darauf habe er sich mit seinem letztlich erfolgreichen Antrag auch gestützt. „Mit der vom Gericht verhängten Einstweiligen Verfügung können wir aber tatsächlich nur dann etwas erreichen, wenn die Schill-Partei eine weitere Ausgabe ihrer Zeitung herausbringt.“ Bleibt es bei der einmaligen Ausgabe der Wahlkampfzeitung, bleibt auch Frau Elschner im Ruch, Wahlkampfhelferin der Schill-Partei zu sein. Auch wenn diese Partei nicht einmal das Alter ihrer vermeintlichen Kronzeugin korrekt angeben kann.

In der Mediengesetzgebung Sachsen-Anhalts gibt es offenbar Reformbedarf.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Keine Auskunft zu Pegasus

Auch Onlinemedien fallen unter die vom Grundgesetz gedeckte Pressefreiheit. Das erkannte das Bundesverwaltungsgericht  erstmals an. Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, hatte nach Presserecht vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nun erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass Presseauskunft Onlinemedien genau so wie Printmedien erteilt werden muss. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist aber nicht verpflichtet, einem Journalisten Auskünfte über den Erwerb und Einsatz der Software "Pegasus" zu erteilen.
mehr »