Urheberrechte verletzt: „Focus“ muss Schadensersatz zahlen

Hannoverscher Fotograf gewinnt wiederholt mit IG-Medien-Rechtsschutz Prozess gegen „Focus“

Das Nachrichtenmagazin „Focus“ muss Paul-Ernst Kämmer, einem Fotografen aus Letter bei Hannover, Schadensersatz in Höhe von mehr als 25.000 Mark wegen Verletzung seiner Urheberrechte zahlen. Das hat das Landgericht Hannover im Dezember entschieden. „Focus“ hatte elf Fotos von Kämmer für eine Bertelsmann-Buchclub-Ausgabe verwendet, ohne zuvor dessen Einverständnis einzuholen.

Schon einmal, 1997, wurde „Focus“ zu knapp 11.000 Mark Schadensersatz verurteilt. Damals hatte das Magazin dieselben Kämmer-Fotos unberechtigt an einen CD-Verlag weitergereicht (M 10/97).

Die Sache „Kämmer gegen Focus“ – mittlerweile acht Jahre und drei Gerichtsprozesse alt – ist ein Lehrstück über dreiste Geschäftspraktiken und die Wichtigkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für Fotojournalisten. Denn ohne seine AGB hätte Kämmer keinen Schadensersatz bekommen. Begonnen hat alles damit, dass Paul-Ernst Kämmer für die „Focus“-Serie „Die 500 besten Ärzte“ im Frühjahr 1993 elf Fotos lieferte. Alle fein säuberlich verpackt, mit Lieferschein und seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) versehen: zur einmaligen Verwendung und nicht exklusiv. Doch ohne vorher bei Kämmer die Nutzungsrechte – wie in den AGB vorgeschrieben – einzuholen, erschienen seine Fotos auch im „Focus Ratgeber Medizin – Die 1000 besten Ärzte“, der in zwei Auflagen im Bertelsmann Verlag, sowie als Paperback im Bertelsmann Buchclub herauskam und zusätzlich auf eine Demo-CD-ROM eines weiteren Verlages gepresst wurde. Während Kämmer sich bei den ersten beiden Buchauflagen noch außergerichtlich mit Focus einigen konnte, platzte ihm der Kragen, als er durch Zufall auch noch das Buch inklusive einem Teil seiner Fotos als Demo-CD-ROM entdeckte. Er ging vor Gericht, klagte auf Schadensersatz und stellte Strafanzeige gegen „Focus“-Chef Helmut Markwort wegen fortgesetzter Urheberrechtsverletzung. Den ersten Schadensersatzprozess 1997 gegen den Focus Verlag gewann Paul-Ernst Kämmer. Der Strafprozess gegen Markwort endete mit dessen Freispruch, weil kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte. Doch auch danach verheimlichte „Focus“ weitere Urheberrechtsverletzungen. Nur durch Zufall stieß Kämmer im Verzeichnis der Deutschen Bibliothek (dort sind alle deutschsprachigen Buchtitel erfasst) auf eine Lizenzausgabe des besagten „Focus“-Ratgebers im Bertelsmann-Buchclub. Es kam erneut zum Prozess.

In beiden Schadensersatzurteilen von 1997 (OLG Celle) und 2000 (Landgericht Hannover) bestätigten die Gerichte die rechtliche Wirksamkeit seiner AGB. Schon die unberechtigte Weitergabe seiner Fotos, nicht erst deren Verwendung, stellen eine Urheberrechtsverletzung dar. Auch die Höhe des Schadensersatzes, das Fünffache des Nutzungshonorars laut Kämmers AGB, wurde anerkannt. Für die IG Medien, die Kämmer bei den „Focus“-Prozessen Rechtschutz gewährt, sind dies Musterprozesse mit einer Botschaft an alle Fotojournalisten: „Ohne ordentlichen Lieferschein plus AGB geht es nicht! Die AGB geben Sicherheit und erhöhen die Erfolgsaussichten vor Gericht“, so Wolfgang Schimmel, Rechtsexperte beim IG-Medien-Hauptvorstand in Stuttgart.

Doch die beste AGB schützt erst einmal nicht vor dreister Verlagspolitik. Nach Kämmers Recherchen seien mindestens 31 Agenturen oder Fotografen bei den verschiedenen Buchausgaben und der CD-ROM von „Focus“ getäuscht worden. Außer ihm habe sich jedoch keiner vor Gericht gewagt. So hofft Kämmer, dass seine Prozesse Signalwirkung haben und die Verlage sehen: „Schwarzfahren mit Urheberrechten lohnt sich nicht“.

Übrigens, die Fortsetzung der Geschichte folgt: „Focus“ geht gegen das hannoversche Urteil in Berufung. (Landgericht Hannover Az: 18 O 5368/99; OLG Celle Az 13 U 81/96 + 13 U 139/96)).

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Keine Auskunft zu Pegasus

Auch Onlinemedien fallen unter die vom Grundgesetz gedeckte Pressefreiheit. Das erkannte das Bundesverwaltungsgericht  erstmals an. Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, hatte nach Presserecht vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt. Nun erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass Presseauskunft Onlinemedien genau so wie Printmedien erteilt werden muss. Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist aber nicht verpflichtet, einem Journalisten Auskünfte über den Erwerb und Einsatz der Software "Pegasus" zu erteilen.
mehr »