Medienpolitik bleibt Stiefkind der Parteien

Rundfunkanstalten mit Logos

Um die Zukunft des RBB wird heftig gerungen. Foto: ver.di

Medienpolitik ist überwiegend Ländersache. Dennoch positionieren sich die politischen Parteien bei den anstehenden Bundestagswahlen zu einigen Kernthemen. An erster Stelle wie üblich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Denn gerade der ÖRR ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Demokratie. Mit seinem Auftrag, unabhängig und vielfältig zu berichten, trägt er wesentlich zur Meinungsbildung und gesellschaftlichen Debatte bei.

Die AfD bleibt ihrer Linie treu. Unter dem Slogan „Grundfunk statt GEZ-Zwangsabgabe“ sagt sie dem „nicht mehr zeitgemäßen“ ÖRR den Kampf an. Er müsse „grundlegend reformiert, verschlankt und entideologisiert“ werden. Denn: „Der strukturell, personell und finanziell eng mit den etablierten Parteien vernetzte Apparat“ nutze seine Finanzmacht „entgegen den Anforderungen des Medienstaatsvertrags gezielt zur Meinungsmache bis hin zur Manipulation“. Als einzige Aufgabe weist die Partei dem ÖRR die „gebührenfreie Grundversorgung mit Informations-, Kultur- und Regionalprogrammen“ zu. 2021 plädierte man noch für einen „schlanken Heimatfunk“ als Schaufenster der Regionen und einen „freien Funk für freie Bürger“. Gemeint ist in beiden Versionen wohl dasselbe: Kahlschlag bei ÖRR durch finanzielle Austrocknung.

Was tun mit dem Rundfunk?

Für die SPD bleibt der ÖRR weiterhin eine „zentrale Säule des dualen Mediensystems“, weshalb er auch „durch eine auftragsgerechte, rechtssichere Finanzierung gestärkt“ werden soll. Die bisherigen Partner in der Ampel-Regierung sehen das nuancierter. Für Bündnis90/Die Grünen sichert der ÖRR die „pluralistische, staatsferne und unabhängige Berichterstattung“. Notwendige Reformen will man „mit einer auskömmlichen Finanzierung und verlässlichen Rahmenbedingungen“ sichern. Von Beitragserhöhung ist bei beiden Parteien keine Rede.

Höhere Ansprüche stellte die FDP. In der Bevölkerung entstehe „zunehmend der Eindruck, dass der ÖRR mehr Meinungsvielfalt benötigt und die sachliche Berichterstattung mehr Raum einnehmen muss“.  Mittels einer „Reform von innen“ streben die Liberalen einen „moderneren und schlankeren ÖRR“ an, der sich auf seine Kernaufgaben – Nachrichten, Bildung und Informationen – konzentriert. Das Rezept dafür: Reduktion der Kanäle, Abbau von Doppelstrukturen und „deutliche Senkung des Rundfunkbeitrags“. Lauter Zutaten, wie sie gerade auch von der Rundfunkkommission der Länder zusammengerührt wurden.

Die CDU will sparen

Geradezu rachitisch fallen die medienpolitischen Vorhaben der voraussichtlich kommenden Kanzlerpartei aus. „Mut und Tempo“ bei der Reform des ÖRR wünschen sich CDU/CSU. Das Ziel: ein „Informationsangebot, das nicht überwältigt, belehrt oder bevormundet, nicht tendenziös oder einseitig ist“, ein Rundfunk, dessen Kernauftrag drei Elemente umfasst: „Sparsamkeit, mehr Meinungsvielfalt und Neutralität“. Besonders am Herzen liegen den Christlich-Sozialen offenbar die Privaten: Um für die Kommerzfunker sprudelnde Werbeeinnahmen abzusichern, wollen sie Sorge dafür tragen, „dass das Wettbewerbsumfeld, in dem sie arbeiten, fair gestaltet ist“. Das war’s.

Die Linke begreift den ÖRR als Gegengewicht zur großen Meinungs- und Marktmacht der privaten Tech-Plattformen samt ihren Hassbotschaften und Fake News. Sie setzt sich ein für den Erhalt der Programmvielfalt einschließlich Arte, 3sat und Kulturradios. Allerdings wünscht sie sich eine Überprüfung und Offenlegung der Gehalts- und Ausgabenstrukturen bei ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Medienstaatsvertag in Frage gestellt

Wesentlich kritischer geht das BSW mit den Anstalten ins Gericht. Es fordert eine „grundlegende Reform“ des ÖRR und eine „Neuverhandlung des Medienstaatsvertrages“. Fehlentwicklungen sieht das Bündnis in den „exorbitanten Gehältern an der Spitze, erdrückenden Pensionslasten und durch nichts gerechtfertigte Mehrfachstrukturen samt überbordender Bürokratie“. Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags lehnt die Partei ab. Einsparpotential sieht man bei der Vergütung von Intendanten und Direktoren. Deren Bezüge sollen künftig an die Besoldung des öffentlichen Dienstes gekoppelt werden.

Harsche Kritik äußert das BSW auch an der inhaltlichen Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Informationsprogramme. In den Redaktionen, so der Vorwurf, herrsche „allzu oft eine journalistische Einheitsmeinung“ vor. Die unterstellte „Einseitigkeit in der Berichterstattung und die Verengung des Meinungskorridors in der politischen Kommentierung“ möchte die Partei von einer Enquete-Kommission untersuchen lassen.

Gemeinnütziger Journalismus

Nach jahrelangem Hickhack um eine staatliche Presse- und Vertriebsförderung zur Unterstützung der darbenden Printmedien ist dieses Projekt inzwischen gecancelt – hauptsächlich aufgrund der desolaten Staatsfinanzen. Eine Nummer kleiner will die SPD nunmehr „lokale und regionale Medien fördern und innovative Medienformate unterstützen, um die Teilnahme und Vielfalt im Mediensystem zu sichern“. Das Fortschreiten der Medienkonzentration, speziell im Lokalen, dürfte auf diese Weise kaum gestoppt werden.

Allein Die Linke versucht mit der Forderung nach einer verstärkten Medienfusionskontrolle gegenzuhalten. Zugleich fordert sie die Anerkennung von Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig – ein reformpolitischer Dauerbrenner, der auch im Ampel-Koalitionsvertrag enthalten war, am Ende aber mitsamt der „Fortschrittskoalition“ unterging.

Im aktuellen Wahlprogramm der Grünen taucht der Begriff „gemeinnütziger Journalismus“ nur noch in einem Nebensatz auf. Das Ziel  – eine „lebendige Medienlandschaft“ – soll durch „eine kluge und mit den Ländern abgestimmte Förderung“ speziell des Lokaljournalismus  angesteuert werden. Die wenigen restlichen medienpolitischen Aussagen sind versteckt im Kapitel „Für IT-Sicherheit und gegen systematische Desinformation“.  Offenbar hat hier ein Netzpolitiker seine Spielwiese gefunden, dafür spricht die fast schon obsessive Fixierung auf mögliche Cyberattacken. Medienbildung könne die Menschen „bei der Erkennung von Desinformation unterstützen“. Die großen Medienplattformen sollen verpflichtet werden, „wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung von Desinformation vorzunehmen“. Die systematische Verbreitung von – na was wohl – „Desinformation“ im Auftrag eines fremden Staates – „insbesondere aus China und Russland“ – wollen die Grünen „strafrechtlich fassen“.  Geschlagene sieben Mal taucht dieser Begriff in einem kurzen Kapitel auf.

Das explizite Bekenntnis zu einem Presseauskunftsgesetz auf Bundesebene – auch eines dieser vergessenen Reformprojekte der Ampel –  haben FDP und Die Linke dagegen programmatisch exklusiv. Fazit: Medienpolitik bleibt das Stiefkind der Parteien. Prognose: In vier Jahren dürften einige der aktuellen Forderungen erneut zur „Wiedervorlage“ anstehen.

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