Schon entdeckt? Kohero

Screenshot: kohero.de

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Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.

Sprachtraining, Integrations-Spielfeld, berufliches Sprungbrett und eine authentische hautnahe Informationsplattform – das von Hamburg aus gesteuerte Medienprojekt „Kohero“ bietet vielen Beteiligten einen Zugewinn. Am 10. Februar blickt es auf sein mittlerweile fünfjähriges Bestehen. In dieser Zeit ist es sichtbar gereift. Durch überwiegend digitale Arbeitsformate ist man vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.

„Kohero“ hat sich zu einem Sprachrohr für die Themen Flucht, Migration, Asyl und Integration entwickelt, und damit ist bereits die Hauptzielgruppe skizziert. Der Name bedeutet in Esperanto Zusammenhalt und damit einen wichtigen Baustein für zugewanderte Menschen, sich hierzulande zurechtzufinden, zu behaupten und Gehör zu verschaffen. Gestartet ist das Projekt als eine Art Textfabrik noch unter dem Namen „Flüchtling-Magazin“. 2020 erfolgte dann die Umbenennung hin zu einem Namen mit Alleinstellungsmerkmal.

Vom ersten Moment dabei ist Chefredakteur Hussam Al Zaher, 2015 aus Syrien nach Hamburg geflüchtet. Und so erlebte das crossmediale Projekt seine Geburtsstunde quasi in der Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Stellingen. Der 34-Jährige war bereits als Journalist in Damaskus tätig. Ihm blieb nicht verborgen, dass in deutschen Medien viel über Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund berichtet wurde, aber diese nur wenig selbst zu Wort gekommen sind. Das reizte ihn, einen journalistischen Neustart zu wagen. Über Social Media wurde dafür geworben, und tatsächlich fanden sich etliche Interessenten, die einfach mit dem Schreiben loslegten. Als einzige „Spielregel“ einigte man sich darauf, Beiträge nur in deutscher Sprache zu verfassen, um die Mehrheitsgesellschaft besser zu erreichen.

Seither ist das Projekt immer professioneller geworden. Neben Online-Storys, die aktuell wöchentlich ergänzt werden, gibt es zweimal pro Jahr ein Printmagazin (Auflage 10 000 Exemplare). Als modernes Medium hat „Kohero“ mittlerweile auch bereits drei Podcast-Folgen erstellt. Unter den Autor*innen ist eine breite Vielfalt vereint und damit eine kulturelle Bereicherung von Menschen zum Beispiel mit ursprünglichen Wurzeln aus Afghanistan, Chile, Griechenland, Iran, Pakistan, Palästina, Polen oder Syrien.

Al Zaher mit einer festen Stelle kann auf ein Team von 80 Ehrenamtlichen bauen, darunter ein Pool von 20 bis 40 Autor*innen, mit denen es einmal wöchentlich eine Online-Konferenz gibt. Auf eine Besonderheit blickt „Kohero“: Man hatte zuletzt 16 „Schreibpaare“ im sogenannten Tandemformat, in dem 16 Geflüchtete zusammen mit deutschen Muttersprachler*innen als Schreibduett agieren. Ein Lektorat arbeitet als „Sprachpolizei“. Neben einer weiteren halben Stelle für Organisation, Buchhaltung, Korrespondenz helfen aktuell noch zwei Mini-Jobber. „Der oder die typische Kohero-Leser*in ist zwischen 25 und 35 Jahre alt“, erzählt Al Zaher. Und „Kohero“ dreht an der internationalen Schraube. Auch weil man plant, künftig mit „Guiti News“ aus Frankreich ein europäisches Netzwerk aufzubauen, in dem Texte ausgetauscht werden, sollen in Zukunft vereinzelt Beiträge in Englisch verfasst werden.

Al Zaher wünscht sich für eine Verstetigung der Arbeit möglichst eine institutionelle Förderung, denn derzeit finanziert man sich von 80 Prozent Spenden, dazu Abos, Anzeigen und dem Trägerverein Miteinander Ankern e.V. Als neues Konstrukt hat sich „Kohero“ ab dem 1. Februar für eine gGmbH entschieden.

 

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