Als ein „Labor für konstruktiven und gemeinnützig finanzierten Lokaljournalismus“ versteht die freie Journalistin Dörthe Ziemer ihr Online-Magazin „Wokreisel“, das sie im Mai 2021 gründete. Als Herausgeberin und Redaktionsleiterin will sie Vielfalt sichtbar machen und Handlungsoptionen aufzeigen – immer im Dialog mit den Menschen vor Ort im Kreis Dahme-Spreewald.
In dem Kunstnamen „Wokreisel“ findet sich die sorbische Minderheit im Landkreis sprachlich wieder. In den Magazin-Beiträgen zu Gesellschaft, Politik und Kultur wird deutlich, dass der Strukturwandel in der ehemaligen Braunkohleregion viele Zukunftschancen bietet. So wird am 2. August in einem Artikel über den „Champagner der Energiewende“ berichtet, wie ein Unternehmen in Luckau Wasserstofftanks aus Faser-Kunststoff-Verbund entwickelt, um sie für die private Anwendung auf den Markt zu bringen.
„Wokreisel“ entsprang einer „spontanen Idee“, als sie sich 2021 beruflich umorientierte und an einem Förderprogramm Lokaljournalismus der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MBB) teilnahm, so Ziemer. Das Konzept: Sie beobachte und berichte, „was läuft“, die Wertung überlasse sie den Leser*innen. Sie wolle „Denkangebote machen“ und zeigen, „was hinter den Nachrichten steckt“. Am 10. August deckte sie zum Beispiel zusammen mit einer Kollegin die zwielichtige Vergangenheit eines Bürgermeisterkandidaten in Wildau auf.
Mit ihrem fünfköpfigen freiberuflichen Team, darunter eine Grafikerin, veröffentlicht sie ein bis zwei Artikel pro Woche, wobei etwa die Hälfte von ihr selbst stammt. Alle bekommen ein Stundenhonorar von 30 Euro und verdienen ihren Lebensunterhalt mit anderen Tätigkeiten. Für Ziemer, die bei der „Lausitzer Rundschau“ volontierte und dann bei Tageszeitungen, dem Netzwerk n-ost und in der Pressestelle der Stadt Lübben arbeitete, sind PR-Aufträge zur Zeit ein Standbein.
Das Magazin erhält noch bis März 2023 Fördermittel von der MBB und im Herbst dieses Jahres läuft ein Grow-Stipendium von Schöpflin-Stiftung und Netzwerk Recherche aus. Das Finanzpolster soll mit einem kostenpflichtigen Newsletter „Wochenkreisel“ aufgebessert werden, für den Privatpersonen drei und Unternehmen zehn Euro bezahlen müssen. Spenden wolle man einwerben, wenn Journalismus endlich als gemeinnützig anerkannt wird, erklärt Ziemer optimistisch. Sie vertraut dabei auf ein Versprechen im Ampel-Koalitionsvertrag. Das Feedback der Leser*innen sei „gut“. Sie schätzten, dass in den Beiträgen „länger erklärt“ und „tiefer ins Thema eingestiegen“ werde. Pro Artikel gebe es 100 bis 400 Aufrufe, die Nutzer*innen seien zwischen 45 und 65 Jahre alt. Ziemer wünscht sich für die Zukunft mehr Bewusstsein dafür, dass “guter Journalismus Geld kostet“ und einen stärkeren Erfahrungsaustausch zwischen Lokaljournalismus-Projekten.