50 Jahre VWD – 35 Stunden sind genug!

Der erste Tarifvertrag mit der klaren Perspektive „35- Stunden pro Woche sind genug“ in der Bundesrepublik Deutschland wurde 1984 für die Nachrichtenagentur VWD, Eschborn, abgeschlossen.

Damit setzte sich die Agentur, die gerade ihren 50. Geburtstag feierte, fortschrittlich von den Ergebnissen der zeitgleich stattfindenden großen Auseinandersetzung von IG Metall und IG Druck und Papier mit ihren Arbeitgeberverbänden ab: Dort wurde zunächst nur eine 38,5-Stunde festgeschrieben. Der VWD-Streik war die Antwort der Beschäftigten auf eine große Rationalisierungswelle im Zuge der Umstellung auf neue Techniken, die innerhalb von wenigen Jahren zur Halbierung der Arbeitsplätze in der Wirtschaftsnachrichtenagentur geführt hatte. Die 35-Stunden-Woche ist heute nicht mehr wegzudenken und längst geübte Praxis auch in anderen Agenturen.

Peter Völker, der damalige Streikleiter und heutige Bundesgeschäftsführer der Fachgruppe Rundfunk/Film/AV-Medien beim Hauptvorstand der IG Medien, erinnert sich: „Der Erfolg war nur möglich, weil wir einen Tag länger durchhielten als der Rest der Republik. Nachdem der neunwöchige Streik der Kolleginnen und Kollegen der Druckindustrie am Sonntag geschlichtet zuende gegangen war, lag für den VWD-Haustarifvertrag kein entsprechendes Angebot der Geschäftsleitung vor. Deshalb entschlossen wir uns in der Nacht zum Montag, weiter zu streiken, was nicht nur zu Unverständnis der durch die Sonntagstagesschau über das bundesweite Streikende informierten zahlreichen Passanten vor dem VWD-Streiklokal und der Geschäftsleitung führte, sondern auch die Streikleitung der IG Druck und Papier in Hessen irritierte. Der einsame Streik brachte uns immerhin einen Einspalter auf der Titelseite der ,Frankfurter Rundschau‘ und viele andere Sympathien. Das Angebot der Geschäftsleitung, die Arbeitszeit in Stufen auf 35 Stunden zu verkürzen, lag kurze Zeit später vor.“

Dem Streik vorausgegangen war eine Urabstimmung, in der sich mehr als 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen für Streik entschieden hatten. „Trotzdem war der Arbeitskampf nicht leicht zu führen“, erklärt Peter Völker weiter, „denn der Organisationsgrad der IG Druck und Papier in unserem Betrieb lag gerade einmal bei 40 Prozent. Der DJV hatte sich am Streik nicht beteiligt. Doch viele der unbeteiligten knallharten Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten wurden im Zuge der Auseinandersetzung weich. Streikbruch leisteten nur die wirklichen Hardliner. Im Laufe der Streikwochen kam es immer häufiger vor, daß den Streikposten, wenn auch still und heimlich, Beweise der Sympathie in Form Pralinen oder auch Wirtschaftsagenturbeschäftigten angemessene Geldbeträge für eine „Runde Äppelwoi“ zugesteckt wurden. Wir kämpften ja auch nicht gegen die Belegschaft, sondern für unsere Arbeits- und Lebensqualität. Trotzdem herzlichen Glückwunsch VWD. Ich habe dort viel gelernt.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Initiative: KI besser nutzbar machen

Der Dominanz der globalen Big-Tech-Konzerne etwas entgegensetzen – das ist das Ziel einer Initiative, bei der hierzulande zum ersten Mal öffentlich-rechtliche und private Medienanbieter zusammenarbeiten. Sie wollen mit weiteren Partnern, vor allem aus dem Forschungsbereich, ein dezentrales, KI-integriertes Datenökosystem entwickeln. Dadurch soll die digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Medienstandorts gestärkt werden.
mehr »

Anteil von Frauen in Führung sinkt

Nach Jahren positiver Entwicklung sinkt der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus das zweite Jahr in Folge. Der Verein Pro Quote hat eine neue Studie erstellt. Besonders abgeschlagen sind demnach Regionalzeitungen und Onlinemedien, mit Anteilen von knapp 20 Prozent und darunter. Aber auch im öffentlichen Rundfunk sind zum Teil unter ein Drittel des Spitzenpersonals weiblich.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »