Berliner Zeitung – Licht an, Licht aus

Berliner Verlag in der Alten Jakobstraße: Hier gerade mal mit Licht und seit September ohne DuMont-Logo über dem Eingang.
Foto: Christian von Polentz

„Die ganze Totgejammerei finde ich schrecklich. Ich wäre nicht hergekommen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass man hier wirklich etwas aus- und aufbauen kann“, sagt Mit-Herausgeber Michael Maier über den Berliner Verlag und seine Zeitungen. Von den akuten Turbulenzen um die neuen Eigentümer Holger und Silke Friedrich scheint er nicht übermäßig beeindruckt.

Das neue Verlagsgebäude in der Alten Jakobstraße ist ein Niedrig- oder gar Nullenergiehaus der besonderen Art, sagt der Pförtner, der hinter einer kleinen 40-Watt-Birne hockt. Wenn sich nichts bewegt, geht permanent das Licht aus. Da müsse man sich mit eigener Technik aus Großvaters Zeiten behelfen. Doch das scheint noch das geringste Problem zu sein, mit dem der Berliner Verlag derzeit zu kämpfen hat. Das wesentlich größere sind die neuen Besitzer Holger und Silke Friedrich, zumindest wenn man den fast täglichen Meldungen anderer Zeitungen glauben darf.

Dass Holger Friedrich Stasi-IM war und das Ehepaar Friedrich undurchsichtige Firmenbeteiligungen unterhält, ist für Michael Maier kein Thema. Die Friedrichs haben den Wiener Profijournalisten vor wenigen Wochen geholt, um den Berliner Verlag auf Vordermann zu bringen. Maier war schon 1996 bis 1998 Chefredakteur der Berliner Zeitung. Die Friedrichs wollen zu alldem gerade kein Interview geben. Maier schon. Es gehe jetzt um eine Neustrukturierung. Die Berliner Zeitung habe im Verbund von DuMont, dem Vorbesitzer, bestimmte Funktionen gar nicht mehr innegehabt, die Technik, die Buchhaltung oder Marktforschungsthemen. Auch die Betreuung der Abo-Kunden wurde von Köln aus jahrelang vernachlässigt. Nun aber soll auch mit Hilfe von Holger Friedrichs Digitalfirma Core alles besser werden. Die Webseite wurde bislang nur rudimentär bestückt. „Im Vordergrund steht jetzt die wirtschaftliche Stabilisierung“, verkündet Maier.

Letztlich geht es auch den Neuen um Profit

Auch er kämpft während des Interviews mit den Beleuchtungskörpern, muss immer wieder mit seinen Armen wedeln oder gar aufstehen, damit er mit dem Interviewer nicht ganz im Dunkeln sitzt. Allen müsse klar sein, dass die Friedrichs keine Mäzene seien. Letztlich gehe es auch ihnen um Profit, sagt Maier im zwischenzeitlich wieder beleuchteten Büro: „Wir haben keinen Sugar Daddy, der jedes Loch stopft, sondern die wirtschaftliche Solidität ist die einzig tragfähige Grundlage für journalistische Unabhängigkeit.“

Redaktionell-journalistische Unabhängigkeit? Holger Friedrich saß etwa im Aufsichtsrat der Rostocker Genanalyse-Firma Centogene, über die die Berliner Zeitung auffallend positiv berichtete. Von dieser Interessenverflechtung hat die Chefredaktion offensichtlich erst im Nachhinein erfahren, wie auch von Holger Friedrichs Stasi-IM-Tätigkeit. Das Manager-Magazin nennt weitere Details: Silke Friedrich sei Executive Director der teuren „Metropolitan School“ in Berlin-Mitte. Die Berliner Zeitung habe nun die Vorzüge solcher Privatschulen gelobt. Die Fragen dazu kamen von einer Redakteurin und – Silke Friedrich. Wird die Berliner Zeitung also zur Werbeplattform für die Geschäftsinteressen der Eigentümer? Chefredakteur Jochen Arntz verneint. Die Redaktion gebe sich deswegen gerade wieder ein Redaktionsstatut. Das hatte man schon einmal, bis 2017. Damals versuchten sich die Redakteur*innen gegen die „Heuschrecke“ Montgomery und die Renditeerwartungen seiner Mecom Group zur Wehr zu setzen. Cornelia Berger, Geschäftsführerin der Deutschen Journalisten Union dju in ver.di sieht in einem neuen Redaktionsstatut zumindest eine Chance: „Das schafft Klarheit. Es schützt die Redaktion, wenn das dann auch noch mit einem starken Betriebsrat kombiniert ist.“ Damit könnte die Berliner Zeitung sogar eine Vorbildfunktion für andere Redaktionen in der Branche einnehmen.

Schwer gebeutelte Marke

Seit August 2017 ruhten Tarifverhandlungen für die Redakteur*innen von Berliner Zeitung, Berliner Kurier und den Onlineauftritten. Sie waren auf Druck von Beschäftigten und Gewerkschaften im Frühsommer unter DuMont wieder aufgenommen worden. „Es geht um eine Annäherung an den Flächentarif und die überfällige Verbesserung der bestehenden Arbeitsverhältnisse, die teilweise deutlich vom Tarifniveau entfernt sind“, auch um Beschäftigungssicherung, erklärt ver.di-Verhandler Jörg Reichel. Mit den neuen Eigentümern habe es Ende September ein erstes Gespräch gegeben, dort sei Verhandlungsbereitschaft auf Basis der bisherigen Entwürfe signalisiert worden. „Zugleich wurde noch Klärungsbedarf angemeldet, etwa hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten, Technologieeinsatz und Kontrollmöglichkeiten.“ Man wolle nun zügig ein weiteres Treffen vereinbaren, so Reichel.

Holger Friedrich wird mit den Worten zitiert, er hätte sich für sein Geld genauso gut eine teure Yacht kaufen können. Eine Zeitung sei aber weit mehr als ein Freizeitvergnügen, warnt Cornelia Berger von ver.di: „Das ist mit einer hohen Verantwortung verbunden, in diesem Fall mit 400 Arbeitsplätzen. Gerade im ostdeutschen Zeitungsbereich halte ich die Berliner Zeitung für eine herausragend starke Marke, und die ist in den letzten Jahrzehnten schwer gebeutelt worden.“

Seit er aus dem SED-Erbe entlassen wurde, durchlebte der Berliner Verlag zahlreiche Stasi-Skandale wie auch mehrfache Wechsel der Besitzer. Akut herrscht nach anfänglichen Aufbruchstimmung auch in der Politik eher Skepsis. Das bisher gemeinsam verantwortete online-Portal „berlin.de“ will der Berliner Senat künftig allein betreiben. Gekündigt wurde allerdings schon lange vor dem Eigentümerwechsel in der Alten Jakobstraße. Neu denkt man im Abgeordnetenhaus nun über eine vollständige Kommunalisierung des Stadtportals nach.

Alles in allem also ein holpriger Neuanfang. Man kann nur hoffen, dass das Licht nicht nur deshalb nicht wieder ausgeht, weil die Mitarbeitenden vor lauter Angst ständig zittern müssen, um so den Bewegungsmelder zu überlisten, sondern weil die Friedrichs ernsthaft an einem Überleben der freien Presse im Berliner Verlag interessiert sind.

 

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