Betriebliche Altersversorgung ARD-übergreifend neu geregelt

Für Neueintretende gilt eine einheitliche, vollständig neu strukturierte Regelung

Die meisten Manteltarifverträge im Rundfunkbereich sehen die Zusage einer Altersversorgung vor, jedoch sind die Einzelheiten in jeweils eigenständigen Versorgungsregelungen verankert. Alle Rundfunkanstalten hatten bereits Anfang der neunziger Jahre ihre Versorgungsregelungen gekündigt. Für die bereits davor eingestellten Beschäftigten blieb diese Kündigung ohne unmittelbare Folgen, da die Verträge nach dem Tarifvertragsgesetz individualrechtlich nachwirken. Für alle inzwischen neu Hinzugekommenen sowie für alle zukünftigen Beschäftigten entfalten die gekündigten Verträge jedoch keine Wirkung mehr.

Mit dem am 23. Juni 1997 unterzeichneten, ARD-einheitlichen Versorgungstarifvertrag (VTV) gibt es nun endlich auch für diesen Personenkreis eine konkrete Altersversorgungsregelung.

Dieser neue Versorgungstarifvertrag unterscheidet sich erheblich von den bisher im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und im öffentlicen Dienst üblichen Altersversorgungsregelungen, aber auch von denen im Bereich privatrechtlicher Unternehmen.

Mobilität: Du muß nicht bleiben, wo du bist

Die alten Versorgungsregelungen des Rundfunks waren optimal auf das typische Erwerbsleben vergangener Generationen zugeschnitten: Es folgte auf die Berufsausbildung allenfalls eine relativ kurze Phase der Suche nach dem geeigneten Berufsweg. Eine Fluktuation gab es fast ausschließlich in den ersten fünf bis zehn Jahren der Berufstätigkeit. Wer erst einmal „seinen“ Platz gefunden hatte, der blieb dort bis zur Rente. Wer aber bereits viele Dienstjahre zurückgelegt hatte, der wechselte nur noch aufgrund eines außergewöhnlich guten Stellenangebots. Es gab in der Regel auch selten zwingende berufliche Gründe für einen Wechsel.

Hintergrund für derartige Lebensläufe war einerseits die individuelle Gewißheit, daß die „Firma“ den einzelnen überdauern würde, man also sicher sein konnte, niemals wechseln zu müssen. Andererseits waren die gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Regelungen nicht für einen beruflichen Wechsel optimiert, schon gar nicht für einen mehrfachen. So erreichte man (und erreicht noch immer) frühestens nach 16 bis 20 Dienstjahren die jeweilige Endstufe im Gehaltsraster der Rundfunkanstalten. Eine akzeptable betriebliche Altersversorgung erzielte man nur, wenn man bis zum Rentenbeginn bei der Anstalt blieb, dann allerdings war sie sehr gut ausgestattet. In Anbetracht der Veränderungen der Arbeitswelt um uns herum ist die Sinnhaftigkeit von Regelungswerken fraglich geworden, die auf ein ununterbrochenes Berufsleben bei einem einzigen Arbeitgeber ausgerichtet sind. Der derzeitige Umbruch in der Medienlandschaft deutete darauf hin, daß sich die zukünftige Erwerbsgeneration auf ständig veränderliche Konstellationen wird einstellen müssen.

Dies erscheint bisher noch vielen als bedrohlich. Es liegt darin jedoch zumindest für die Jüngeren auch eine Chance zu mehr Eigenbestimmung bei der individuellen Lebensplanung. Allerdings nur, wenn die kollektiven Regelungen dem nicht entgegenstehen.

Von Tarifverträgen ging bisher eine stabilisierende, bisweilen aber für den einzelnen auch eine bindende Wirkung aus. Die IG Mediend hat den neuen Versorgungstarifvertrag mit dem Ziel ausgehandelt, dem einzelnen neue individuelle Möglichkeiten zu eröffnen und ihm gleichzeitig den Vorteil kollektiver Regelungen zu bewahren.

Es wurde beim Entwurf des neuen Versorgungstarifvertrags ein besonders hohes Gewicht auf die Selbstverwirklichung bei der individuellen Lebensplanung gelegt. Die Mobilität der zukünftigen Mitarbeiter soll nicht mehr von ihrer Altersversorgung behindert werden.

Deshalb ist der Rentenanspruch nach dieser Regelung schon fast so flexibel wie ein Sparbuch: Wenn man am Ende aus den Diensten einer der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Ruhestand tritt, zählt einfach die Summe aller Zeiten, die man im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gearbeitet hat. Unterbrechungen, egal aus welchem Grund, sind dabei nicht schädlich, sie zählen nur ihrerseits einfach nicht als versorgungsfähige Dienstzeiten mit. So etwas läßt sich natürlich nur sicherstellen, wenn man im ganzen Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine gemeinsame Regelung etabliert. Der neue ARD-einheitliche Versorgungstarifvertrag ist in dieser Hinsicht außerdem auch kompatibel zum Versorgungstarifvertrag „VTV-94“ des ZDF.

Wenn man irgendwann einmal, lange bevor man das Rentenalter erreicht, endgültig aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausscheidet, behält man nach dem neuen Versorgungstarifvertrag seinen bis dahin bereits erworbenen Versorgungsanspruch. Dieser Anspruch nimmt auch noch nach dem Ausscheiden an allgemeinen Nettolohnsteigerungen teil.

Dieser Punkt ist in der Mehrzahl der betrieblichen Versorgungsregelungen – zumindest beim Rundfunk – bisher völlig vernachlässigt worden. Entweder, weil man keinen Bedarf sah, etwas zu regeln, was sowieso so gut wie nie vorkam. Oder vielleicht sogar, weil man nicht auch noch belohnen wollte, wer „dem Haus den Rücken kehrt“. Wo aber die Frage der Mitnahmemöglichkeit im Tarifvertrag nicht explizit geregelt war, galt das „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“, und das ist schlichtweg indiskutabel schlecht.

Das Versorgungswerk der Presse hat es den Journalisten der Printmedien schon immer erlaubt, ohne Nachteile bei der Altersversorgung den Arbeitgeber zu wechseln. Mit der Unverfallbarkeits- und Mobilitätsregelung des neuen Versorgungstarifvertrages ist nun auch für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein beinahe vergleichbarer Zustand erreicht worden.

Hohes Leistungsniveau, aber keine Vollkaskoversicherung

Die bisherigen Regelungen im Rundfunkbereich haben gewisse Ähnlichkeiten mit der Versorgung im öffentlichen Dienst: Ausreichende Dienstjahre vorausgesetzt, sorgt der Arbeitgeber dafür, daß seine Pensionäre ihren zuletzt erreichten Lebensstandard behalten. Wer besonders viel von der gesetzlichen Rente bekommt, dem gibt der Arbeitgeber entsprechend wenig dazu; so kann beispielsweise ein unverheirateter Sachbearbeiter mit einem letzten Jahresgehalt von 50000 DM nach einem langen Berufsleben wegen seiner relativ guten Sozialrente mit gerade mal 6000 DM Versorgungsleistung im Jahr rechnen. Wer hingegen recht wenig gesetzliche Rente hat, dem legt der Arbeitgeber entsprechend mehr drauf; so kann ein verheirateter Abteilungsleiter (diese sind beim Rundfunk noch ausschließlich tariflich vergütet) bei einem letzten Jahresgehalt von 160000 DM durchaus auf über 70000 DM Jahresversorgungsleistung kommen. In beiden Fällen ist eine zusätzliche Eigenvorsorge völlig überflüssig, da der Arbeitgeber alleine dafür sorgt, daß beide weiterhin über beinahe ihr letztes Arbeitsnettoeinkommen verfügen.

Das Versorgungswerk der Presse hat eine völlig andere Struktur. Die Leistung ist unabhängig von der individuellen gesetzlichen Rente, sie ergibt sich versicherungsmathematisch aus der Summe der geleisteten Beiträge. Für die Beiträge wiederum gibt es eine Bemessungsgrenze, die derzeit knapp unter 100000 p.a. liegt. Alle Einkommensbestandteile oberhalb dieser Grenze bleiben unberücksichtigt. Die Leistungen aus dieser Versorgung sind bei Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze durchaus ausreichend, um den gewohnten Lebensstandard abzusichern. Bei höheren Einkommen reichen die Leistungen jedoch bei weitem nicht dafür aus, so daß hier eine namhafte Eigenvorsorge erforderlich ist.

Die Leistungen nach dem neuen Versorgungstarifvertrag sind ebenfalls völlig unabhängig von der individuellen gesetzlichen Rente und reichen von 7200 DM p.a. bei 40000 DM Jahresgehalt bis zu 43440 DM p.a. ab 164000 DM Jahreseinkommen. Auch diese Leistungen sind im Einkommensbereich bis etwa 100000 DM p.a. für die Beibehaltung des gewohnten Lebensstandards ausreichend. Darüber entsteht auch mit dem neuen Versorgungstarifvertrag eine Versorgungslücke, die allerdings deutlich kleiner ausfällt als die beim Versorgungswerk. Für den betroffenen Personenkreis bietet der Versorgungstarifvertrag darüber hinaus die steuerlich sehr günstige Möglichkeit der Höherversorgung durch Gehaltsverzicht.

Verglichen mit den Regelungen für die vor der Vertragskündigung eingetretenen Rundfunkbeschäftigten ist das Leistungsniveau des neuen Versorgungstarifvertrages zweifelsfrei ein Rückschritt, verglichen mit den Versorgungseinrichtungen anderer Bereiche hingegen ist es gut.

Sicherung: Kapitaldeckung statt Generationenvertrag

Nach den bisherigen Regelungen im Rundfunkbereich wurden und werden die fälligen Versorgungsleistungen überwiegend aus den laufenden Etats der Anstalten bezahlt. Die vor der Vertragskündigung eingetretenen Mitarbeiter erdienen sich zwar momentan gerade ihren Anspruch auf eine spätere Versorgung, aber trotzdem werden aus dem laufenden Etat heute nur die Versorgungsleistungen für die derzeitige Rentengeneration bezahlt. Ob später einmal die dann vollständig erdienten Versorgungsansprüche der heutigen Arbeitsgeneration befriedigt werden können, hängt von der Größe des Etats ab, die den
Anstalten dann zur Verfügung stehen werden. Solange es eine Garantie der Bundesländer für die Anstalten gibt, ist das kein Problem.

In Zukunft wird ein Kapitalstock in einer Rückdeckungspensionskasse zeitgleich mit dem Ansteigen der Versorgungsanwartschaft angesammelt, also bereits während der einzelne sich seinen Anspruch durch Arbeit erdient. Wenn der einzelne dann eines Tages in Rente geht oder ausscheidet, ist seine zukünfige Versorgungsleistung bereits vollständig ausfinanziert, es werden dann keine weiteren Mittel mehr aus dem Etat der Anstalt nötig sein. Damit kann man für die Zukunft sicher ausschließen, daß die zugesagten Leistungen eines Tages doch unbezahlbar werden.

Auch in diesem Punkt der zeitnahen Finanzierung haben wir uns ein Stück weit dem System des Versorgungswerks der Presse angenähert, ohne allerdings dieses ganz zu übernehmen. Beim Versorgungswerk der Presse handelt es sich um eine Direktversicherung, die nur begrenzt steuerbegünstigt ist. Die Rückdeckungsversicherung zum neuen Versorgungstarifvertrag hingegen ist in der Anwartschaftsphase vollständig steuerfrei. Dafür ist formal die Rundfunkanstalt und nicht der Mitarbeiter der Versicherte, die Rückdeckung sichert nur die Zahlungsfähigkeit der Anstalt. Während man beim Versorgungswerk einen Anspruch gegen den Versicherer erwirbt, richtet sich der Anspruch aus dem neuen Versorgungstarifvertrag ausschließlich gegen die jeweilige Anstalt.

Doch eine Art von Generationenvertrag

Für die momentan gewerkschaftlich Handelnden war dieser radikale Neuanfang nicht ganz einfach, weil einerseits gerade die junge Generation, um die es hier vorrangig geht, noch nicht gewerkschaftlich organisiert ist und deshalb auch noch nicht selbst aktiv mitgestalten konnte. Andererseits kann eine Gewerkschaft immer nur so viel erreichen, wie sie die Interessen einer erkennbar großen und entschlossenen Arbeitnehmergruppe vertritt. Unter diesem Aspekt ist der erzielte Tarifvertrag beachtlich.

Unter diesem Aspekt ist dieser Abschluß aber auch eine Investition der heute aktiven Generation zugunsten der nachfolgenden, auf deren Unterstützung sie selbst eines Tages wahrscheinlich noch angewiesen sein wird.

 

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