Einiges läuft schief in der ARD

Matthias von Fintel Foto: privat

Meinung

Nicht nur in der RBB-Krise, auch in der Tarifpolitik lassen die ARD-Intendant*innen einen Schulterschluss mit den Beschäftigten vermissen. Es mangelt am Verständnis der ARD-Intendant*innen für die aufgestauten Probleme. Der Kosten- und Arbeitsdruck steigt in allen Bereichen der ARD-Anstalten enorm. Die Erwartungen multiplizieren sich mit den digitalen Ausspielwegen. Doch es nagt an den Beschäftigten: Die zurecht erwarteten Qualitätsansprüche ans Programm sind mit den realen Arbeitsbedingungen schwer vereinbar.

In der Gesellschaft gibt es hohe Anerkennungswerte für die Programme von ARD, ZDF und Deutschlandradio – noch. Feste wie Freie geben jeden Tag ihr Bestes, damit es so bleibt. Dagegen machen die RBB-Krise und die Ignoranz der Intendant*innen und Direktor*innen gegenüber gärenden Themen und den Nöten der Beschäftigten fassungslos (S. 24/25). Die Causa Schlesinger zeigt: Weder bei der Intendantin noch ihrer Führungsriege herrschte jemals ein Bewusstsein für heraufziehende Krisen durch bestehende Missstände. Der Umgang mit den aktuellen Rechercheergebnissen zeigt dies überdeutlich. Genauso wie das Abstreiten von Fehlverhalten bis heute.

Die Missachtung von Interessen der Beschäftigten hat System. Die von der Unternehmensberatung Kienbaum entwickelten Boni für Sparziele, Stellenstreichungen und Programmabbau beim RBB sprechen Bände. Von diesen Boni war bis vor kurzem im RBB nichts bekannt, das Sparregime schon. Ebenso präsent ist die mangelnde Anerkennung der programmgestaltenden Freien im RBB, die fehlende Vertretung im Personalrat, die vergleichsweise schlechte Tarifentwicklung aller Beschäftigten im RBB.

Die gleiche Ignoranz herrscht in der Tarifpolitik. Die Verhandlungen in der ARD laufen bereits im NDR, WDR, SWR, BR, bei Radio Bremen /Bremedia und im SR, außerdem beim Deutschlandradio und demnächst auch beim ZDF, bei der Deutschen Welle, im RBB, MDR und schließlich auch im HR. Schon jetzt zeichnet sich deutlich ab: Die Geschäftsleitungen sind nicht bereit, über 2,25 Prozent hinausgehende Tariferhöhungen zu verhandeln. Das hätte für die Beschäftigten eine Einkommensentwicklung zur Folge, die weit hinter der aktuellen Preisentwicklung zurückbleibt. Je nach Betrachtung klafft eine Lücke von fünf bis acht Prozent zwischen Inflation und den Tarifangeboten der Senderchef*innen. Steigende Mieten, wachsende Energie- und Lebenshaltungskosten beginnen vielen Beschäftigten über den Kopf zu wachsen. Besonders schwer haben es dabei die Freien und die Angestellten mit niedrigen und mittleren Einkommen. Hier ist die Kluft zwischen der Realität und den beschämenden Angeboten der Sender noch größer.

Ein von ver.di vorgeschlagenes Spitzengespräch, über die Rahmen-bedingungen dieser äußerst schwierigen Tarifrunde, lehnt der amtierende ARD-Vorsitzende Tom Buhrow ab. Dieses Gespräch sei nicht nötig. Es gebe keine Probleme, man sei angeblich Tarifeinigungen in den Verhandlungen schon nah. Das sehen die Gewerkschaften anders, denn über die bisherigen ungenügenden Angebote wollen die Intendant*innen nicht hinausgehen.

Die einzige Antwort auf dieses fehlende Problembewusstsein kann nur gemeinsamer Protest gegen die realitätsferne Haltung der Intendant*innen sein, dies zeigt sich in Streikwellen durch die ARD-Rundfunkanstalten. #jetzteinschalten heißt es für die Rundfunkbeschäftigten bei ARD, ZDF und Deutschlandradio und durch spürbare Arbeitsniederlegungen zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Beschäftigte von NDR, WDR, SWR, RB, SR protestierten und streikten am 12. und 13. September für vernünftige Tariferhöhungen jenseits von Sparorgien zu Lasten eines für die Gesellschaft leistungs-fähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Matthias von Fintel, ver.di Bereichsleiter Medien, Journalismus und Film

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