EU will Tarifierung für Solos ermöglichen

Löchrige Schirme – Symbol ungesicherter Arbeitsverhältnisse für Solo-Selbstständige – auch, aber nicht nur bei Corona.
Foto: Angelika Osthues

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Initiative der EU-Kommission, deutlich mehr Möglichkeiten für Tarifverträge für Solo-Selbstständige zu schaffen, als „Stärkung von Ein-Personen-Unternehmen bezeichnet“. Das europäische Wettbewerbsrecht soll so geändert werden, dass zukünftig kollektive Vereinbarungen zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggebern rechtssicher möglich sein sollen.

„Gerade in der über Plattformen vermittelten Arbeit brauchen die Solo-Selbstständigen den Schutz von Tarifverträgen“, erklärt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Die meisten Selbstständigen ohne Angestellte verfügen gegenüber ihrem Auftraggeber kaum über Verhandlungsmacht. Individuelle Vereinbarungen über Bezahlung und Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe sind in den seltensten Fällen möglich. Durch die zunehmend über Plattformen vermittelte Arbeit verschärft sich das Problem noch“, so Werneke.

Die EU-Kommission schlägt eine Ausnahme für Kollektivverträge von Solo-Selbständigen im europäischen Wettbewerbsrecht vor. Für wen diese Ausnahme gelten soll, ist noch nicht klar. ver.di setzt sich für eine Öffnung ein, die alle Solo-Selbstständigen umfasst.
Vollkommen unterbelichtet sei im Kommissionsvorschlag aber bisher die Rolle der Sozialpartner, kritisiert Werneke: „Es muss klargestellt werden, dass insbesondere die Gewerkschaften die Solo-Selbstständigen organisieren und tarifieren können. Und auch die Gegenseite muss klar benannt werden.“ Überdies dürfe eine Neuregelung keine Einschränkungen des nationalen Tarifrechts mit sich bringen, wie etwa Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen oder heute schon bestehende Möglichkeiten des Abschlusses für bestimmte Gruppen von Soloselbständigen.

Das europäische Wettbewerbsrecht verhindert bislang weitgehend Möglichkeiten für Solo-Selbstständige, ihre Bezahlung und Arbeitsbedingungen gemeinsam mit Gewerkschaften auszuhandeln.
Wettbewerbsrechtlich werden Solo-Selbstständige bislang mit Unternehmen gleichgestellt. Kollektive Regelungen zum Schutz von Solo-Selbstständigen und eine faire Bezahlung sind damit weitgehend ausgeschlossen – das will die EU-Kommission nun ändern. Die Frist, zu diesem Vorhaben eine erste Stellungnahme abzugeben, endete am 3. Februar 2021.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

RSF: Vertrauen Sie der freien Presse!

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählt in diesem Jahr ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, Regional- oder Kommunalpolitiker. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen. Grund genug für die Kampagne „Erste Worte“. Unterschiedliche Menschen hören Auszüge aus den Antrittsreden ihrer Präsidenten: Wladimir Putin aus dem Jahr 2000, Nicolás Maduro aus dem Jahr 2013 und Recep Tayyip Erdogan 2014.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »