Zehn Klarstellungen für den Alltag
Seit dem 1.1.1999 gelten Freie nach (section) 7 Abs. 4 Sozialgesetzbuch IV als scheinselbständig, wenn sie mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen: n Sie sind im wesentlichen, d.h. zu mehr als 5/6 für ein und denselben Auftraggeber tätig,
- sie beschäftigen selbst keine Angestellten,
- sie sind mit typischen Arbeitnehmertätigkeiten betraut oder
- sie treten nicht „als Unternehmer am Markt“ auf.
Für diese Scheinselbständigen gilt folgendes Verfahren:
- Die Auftraggeber mußten den Krankenkassen bis zum 31. 3. 1999 alle Scheinselbständigen melden, die sie beschäftigen. Haben sie das unterlassen, müssen sie gegebenenfalls die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – und zwar den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil für bis zu vier Jahre! Von den Freien können sie in diesem Fall rückwirkend nur maximal drei Monatsbeiträge verlangen.
- Um herauszukriegen, wer überhaupt scheinselbständig ist, dürfen die Auftraggeber ihre Freien befragen – auch per Fragebogen. Antworten müssen diese aber nur auf Fragen, die zur Beurteilung der vier Kriterien nötig sind, also zum Beispiel, wieviel Prozent des Gesamthonorars sie bei anderen Auftraggebern verdienen, ob sie Angestellte haben, ob sie studieren oder nebenberuflich tätig sind, ob sie in der KSK versichert sind. Fragen nach den Namen anderer Auftraggeber und dem dort erzielten Umsatz sind unzulässig.
- Da die meisten Auftraggeber die unter 1. genannte Frist versäumt haben, sind solche Fragebogenaktionen auch noch in nächster Zeit zu erwarten. Ob die Auftraggeber tatsächlich alle Scheinselbständigen gemeldet haben, das prüfen die Rentenversicherer im Rahmen von Betriebsprüfungen, die regelmäßig alle vier Jahre stattfinden. Prüfungen bei Freien sind von den Sozialversicherern nicht geplant.
- Bei Leuten, die zwei (oder mehr) Kriterien für Scheinselbständigkeit erfüllen, wird vermutet, daß sie in Wirklichkeit Arbeitnehmer sind. Sie müssen vom Auftraggeber zur Sozialversicherung angemeldet werden – es sei denn, „die Vermutung der Beschäftigung gegen Entgelt“ wird gegenüber der Krankenkasse widerlegt. Als Beweis reicht den Krankenkassen zum Beispiel die Mitgliedschaft in der KSK aus. KSK-Versicherte brauchen daher der Krankenkasse gar nicht erst gemeldet zu werden – auch wenn sie zwei Kriterien erfüllen.
- Ist die Vermutung der Scheinselbständigkeit widerlegt, so ändert sich gar nichts: Die Freie bleibt in der KSK und bekommt ihre Honorare weiter in voller Höhe ausgezahlt. Wird die Vermutung nicht widerlegt, so stellt die Krankenkasse fest, daß die „Freie“ eine Arbeitnehmerin im Sinne der Sozialversicherung ist. Dann gibt es wieder zwei Möglichkeiten: Entweder der Arbeitgeber stellt sie als ganz normale Arbeitnehmerin an, oder er zahlt ihr weiter ein „freies“ Honorar, muß davon dann aber den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung einbehalten. In beiden Fällen ist sie – mit Arbeitgeberanteil – in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versichert.
- In diesem Fall darf der Arbeitgeber die Beiträge jedoch nicht prozentual vom Honorar berechnen. Da nur die Einkünfte (Honorar minus Betriebskosten) versicherungspflichtig sind, werden die Beiträge aus den Einkünften des Jahres berechnet, für das der letzte Steuerbescheid vorliegt. Also: Die „frei“ honorierte Arbeitnehmerin muß dem Arbeitgeber jeweils mitteilen, wie hoch die Einkünfte aus der zu versichernden Tätigkeit im letzten Steuerbescheid waren; der Arbeitgeber multipliziert diesen Betrag mit einem „Dynamisierungsfaktor“, teilt das Ergebnis durch zwölf und berechnet davon prozentual den Monatsbeitrag zur Sozialversicherung.
- Solange die Arbeitnehmereigenschaft nicht verbindlich festgestellt ist und solange noch kein einschlägiger Steuerbescheid vorliegt, werden die Beiträge prozentual von der Bezugsgröße (für 1999 monatlich 4410 DM, im Osten 3710 DM), auf Nachweis aber auch von höheren oder niedrigeren Einkünften und bei Berufsanfängern in den ersten drei Jahren auf Antrag von der halben Bezugsgröße berechnet.
- Daß die Auftraggeber ihren Freien nur den Arbeitnehmeranteil vom Honorar abziehen und den Arbeitgeberanteil selbst tragen, sollte sich von selbst verstehen.
- Eine Rentenversicherungspflicht auf eigene Kosten, wie das Gesetz sie für „arbeitnehmerähnliche Selbständige“ vorsieht, kommt im Kunst- und Medienbereich nicht in Frage. Hier geht im Zweifelsfall das Künstlersozialversicherungsgesetz als Spezialgesetz vor: Die Hälfte der Beiträge muß in jedem Fall entweder der Arbeitgeber oder die KSK zahlen.
- Wer nach diesem Gesetz Arbeitnehmerin im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist, hat gute Chancen, vom Arbeitsgericht auch als Arbeitnehmerin im arbeitsrechtlichen Sinne – also festangestellt mit Kündigungsschutz und Tarifgehalt – anerkannt zu werden. Eine solche Feststellungsklage ist auch rückwirkend möglich, etwa wenn der Auftraggeber einer Scheinselbständigen die Aufträge entzieht, um das neue Gesetz zu umgehen. Den Rechtsschutz in einem solchen Verfahren übernimmt die IG Medien für ihre Mitglieder kostenlos.
Zu den Details des Gesetzes siehe M 1-2/98(Zu Punkt 2.):
Eine ausführliche Anleitung zu diesen Fragebogen enthält das IG-Medien-Papier „Informationeller Striptease“.