Warnstreik bei Radio Bremen gegen Ausgliederung der Technik und für einen neuen Gehaltstarifvertrag
Wohl zum ersten Mal in der Geschichte von Radio Bremen (RB) sind Beschäftigte des Senders in einen Warnstreik getreten und haben damit eine zweistündige Sendepause bewirkt. Sie forderten einen neuen Gehaltstarifvertrag und wandten sich gegen das geplante Outsourcing der fast kompletten Hörfunk- und Fernsehtechnik.
„Dass ich das noch erleben darf!“, freute sich ein Fernsehmitarbeiter, als er hörte, dass beim Hörfunk gestreikt wurde. Die Frühschicht hatte um 5.15 Uhr den Sendebetrieb der populären RB-Welle „Bremen Eins“ lahmgelegt. Als um sechs Uhr auch das „Nordwest-Radio“ starten sollte, herrschte hier ebenfalls Funkstille. Erst um 7.15 Uhr sorgten Vorgesetzte dafür, dass auf den bestreikten Frequenzen andere Programme zugeschaltet wurden. Bis alles wieder ganz normal lief, waren insgesamt fast fünfeinhalb Stunden vergangen.
Als sich gegen Ende des Ausstands 150 Technikerinnen und Journalisten vor dem Hörfunkgebäude zu einer Kundgebung trafen, trugen sie ein Transparent, das den Hintergrund der Aktion deutlich machte: „Ein Sender – eine Belegschaft“. Unter dieser Parole wehren sich ver.di, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden (VRFF) gegen die Pläne von Intendant Heinz Glässgen, aus Spargründen in ungefähr zwei Jahren fast die gesamte Hörfunk- und Fernsehproduktionstechnik in eine Tochterfirma unter Führung der Bavaria-Film auszulagern – ein ARD-weit wohl einmalig weitgehendes Outsourcing. Betroffen wäre etwa ein Drittel jener 412 RB-Beschäftigten, die Ende 2006 nach ständigem Personalabbau noch auf der Gehaltsliste des Senders stehen sollen (siehe M 2/2005).
„Wir wollen Radio Bremen zeigen, was es bedeutet, wenn die Techniker rausgeschickt werden“, rief Monika Grüning, die Vorsitzende des ver.di-Betriebsverbandes bei RB, auf der Abschlusskundgebung den frierenden Kolleginnen und Kollegen zu. Sie sei „ganz überwältigt“ von dem Warnstreik, sagte sie, nachdem zuvor schon ver.di-Sekretär Herbert Behrens von einem „vollen Erfolg“ gesprochen hatte. Monika Grüning bekräftigte die Bereitschaft, notfalls Einschnitte bei den Gehaltserhöhungen hinzunehmen, wenn die Sendeanstalt bis 2008 komplett auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Und dieser Schutz müsse eindeutig auch für die 120 bis 150 Kolleginnen und Kollegen in der geplanten Tochtergesellschaft gelten.
Bereits seit einem Jahr verhandeln die Gewerkschaften mit dem Sender erfolglos über einen neuen Gehaltstarifvertrag. Da das bisherige Abkommen bereits seit 2002 gilt, haben die RB-Beschäftigten seit drei Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen. „Das ist ein Skandal!“, befand der Personalratsvorsitzende Bernd Graul. „Gute Arbeit braucht gute Bezahlung“, meinte er und warf der Leitung des Hauses vor, mit immer wieder neuen Forderungen die Verhandlungen verzögert zu haben. Dem abwesenden Intendanten rief er zu: „Kommen Sie endlich runter vom Kutschbock! Verhandeln Sie endlich auf Augenhöhe!“ – eine Anspielung auf eine frühere Äußerung von Glässgen: Programme ließen sich auch mit wenigen Festangestellten machen; schließlich müssten ja auch bei Kutschen nicht alle Pferde aus eigenem Stall stammen, solange es einen Kutscher gebe, „der sagt, wo es langgeht“. Radio-Bremen-Redakteur Wilhelm Bartnik stellte die Frage, wie das geplante Outsourcing Kosten sparen könne, wenn für jeden Einsatz zunächst ein Auftrag geschrieben werden müsse, 16 Prozent Umsatzsteuer fällig würden und dazu noch Gewinn erwirtschaftet werden solle. Seine Devise: „Produktion und Technik sind Kernkompetenzen – und die gibt man nicht weg.“
Uneinsichtige Gewerkschaften
Intendant Glässgen war während des Ausstandes gerade auf Dienstreise. Als er am Nachmittag zurückkehrte, schrieb er gleich eine Hausmitteilung in gewohnt konfrontativer Weise: „Dieser Streik ist unverantwortlich“, rügte er seine Mitarbeiter. „In einer Zeit, in der Berufstätige auf den Radiowecker vertrauen und Verkehrsteilnehmer vor Glatteis und Unfällen gewarnt werden müssen, blieb unsere Hauptservicewelle stumm. Deshalb ist der Streik auch unverhältnismäßig!“ Und den Gewerkschaften warf er „Uneinsichtigkeit“ vor.
Glässgen bestand auf Outsourcing im Wege des „Betriebsübergangs“, während die Gewerkschaften eine „Personalgestellung“ fordern, wenn sich die Ausgliederung schon nicht verhindern lässt. Denn dann wären die Kollegen besser geschützt. Immerhin versicherte Glässgen: „Die Leitung von Radio Bremen strebt keine betriebsbedingten Kündigungen an.“ Aber ein eindeutiger Verzicht darauf könne „allenfalls (und hoffentlich)“ erst am Ende der Verhandlungen stehen, „wenn der Reformprozess abgesichert ist“. Das kann noch dauern. Die Gewerkschaften stellen sich unterdessen darauf ein, notfalls nochmals zum Warnstreik aufzurufen – dann vielleicht beim Fernsehen?