In der Berliner Zeitung erstmals Kündigungen kompensiert
Die Zerschlagung des Verlages DuMont Schauberg durch Entlassungen und Tarifflucht ist weiter im Gange. Nun setzt man auch im Kölner Mutterhaus auf ein freiwilliges Abfindungsangebot. ver.di hat einen Altersteilzeittarifvertrag ausgehandelt. Damit sollen vorrangig die für 2014 avisierten Kündigungen abgefedert werden.
Der Anfang Februar veröffentlichte Konzernabschluss der Mediengruppe DuMont Schauberg (MDS) weist einen 112-Millionen Euro-Verlust für 2012 aus. Nicht nur die Insolvenz der Frankfurter Rundschau hat dazu beigetragen. Auch die hauptstädtischen Zeitungstitel fuhren Defizite in Millionenhöhe ein, Verluste gab es im Buchgeschäft, bei der israelischen Zeitungsbeteiligung (Haaretz) und im Kölner Lokalfernsehen (Center.TV) Für 2013 erwartet man bei M. DuMontSchauberg wieder ein ausgeglichenes Ergebnis. Einsparen und Auslagern gilt als Rezept. Mehr als 120 Beschäftigte der Abteilungen Vertrieb/Marketing und Anzeigen sind in Köln zu Jahresbeginn in die tariflose Tochtergesellschaft Media Vermarktung Rheinland (MVR) ausgelagert worden. „Vollständige unternehmerische Freiheit“ reklamierte Verlagsgeschäftsführer Froben dafür in einem „War of Talents“.
Wegen der in Köln für dieses Jahr angekündigten 84 betriebsbedingten Entlassungen in Druck, Vorstufe und Bildbearbeitung wurde seit Herbst verhandelt. Die Geschäftsführung holte sich einen Mann von außen: den als Hardliner bekannten Juristen Johannes Weberling, einst Personalchef beim Berliner Verlag. Der Betriebsrat strebt einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung an und hatte in November ein eigenes Vorschlagspaket übergeben. Als „kleinen Fortschritt“ sieht die Interessenvertretung das Zwischenergebnis, das der Belegschaft am 6. März verkündet wurde. Ein freiwilliges Abfindungsangebot soll verbindlich für die von betriebsbedingten Kündigungen bedrohten Bereiche, aber auch darüber hinaus gelten. Beschäftigte ab 55 mit zehn Jahren Betriebszugehörigkeit können zudem eine Altersteilzeitregelung für maximal sechs bzw. acht Jahre nutzen, die bis zu 80 Prozent der Bezüge sichern soll. Dass bei entsprechender Resonanz Kündigungen weitgehend vermieden werden können, hofft man im Betriebsrat. Zudem sollen über eine Einigungsstelle Verhandlungen zu Interessenausgleich und Sozialplan beginnen.
Ein Abfindungsmodell ist für MDS nicht neu. Viele profilgebende, langjährige Redakteurinnen und Redakteure hatten 2013 die Berliner Blätter (Berliner Zeitung, Berliner Kurier) nach einem Freiwilligenmodell verlassen. „Die Arbeitsbelastung für die Verbliebenen steigt weiter, wir sehen das mit Sorge“, so die Betriebsvorsitzende Renate Gensch. In der Redaktion der Berliner Zeitung konnte sie Ende Februar einen bislang einmaligen Erfolg vermelden: Vier der im Juni 2013 ausgesprochenen Kündigungen wurden zurückgenommen. Die Kollegen können bleiben, weil 13 andere mit Arbeitszeitverkürzung bis zu zwei Jahren eine Alternative gegen weiteren Kahlschlag schaffen. Gensch freut sich, dass das von Beschäftigten initiierte Modell fruchtet: „Es lohnt sich zu kämpfen.“ Verhandlungen über den vom Unternehmen gekündigten Haustarif des Berliner Verlages kommen allerdings nur langsam in Fahrt. Die Geschäftsführung zielt offenbar darauf, Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Redakteure auf das Niveau der Verlagsangestellten abzusenken. Nach Berechnungen der Arbeitnehmerseite brächte das für die Einzelnen jährliche Einbußen zwischen 450 und 1 800 Euro. ver.di will dagegen Beschäftigungssicherung und Tarifbindung auch für die bislang tariflose Redaktionsgemeinschaft durchsetzen.
Sechs der insgesamt 57 Kolleginnen und Kollegen aus der hauptstädtischen Anzeigenabteilung haben den Betriebsübergang in eine tariflose BerlinMedien Vermarktung GmbH zum 1. Januar 2014 verweigert. Der Betriebsrat widersprach entsprechenden Kündigungen. Bereits avisiert ist die konzernweite Auslagerung von Personalabteilungen und Gehaltsbüros in eine ebenfalls tariflose DuMont Personalmanagement GmbH. Sie werde ab April Leistungen für die Standorte Köln, Berlin und Halle zusammenfassen. Zentralisiert werden soll demnächst in Köln auch das Archiv. Deshalb wurden bei der Mitteldeutschen Zeitung im Februar ebenfalls Kündigungen ausgesprochen. Der Hallenser Betriebsrat beklagt die „Kälte des Vorgehens“.