Berlinale 2013: ver.di FilmUnion diskutiert über Arbeitsbedingungen
Immer noch lockt die Filmbranche mit Glitzern und Glamour. Aber die Arbeitsbedingungen hinter den Kulissen sind oft hart, die Honorare reichen teilweise weder für die soziale Absicherung, die Altersvorsorge oder die Ernährung einer Familie. Oft ist der Alltag eher grau als glitzernd. Die Berlinale – größtes Filmereignis in Berlin – bot der ver.di FilmUnion den Rahmen, mit einer gut besetzten Podiumsdiskussion die Situation unter die Lupe zu nehmen. Kaum verwunderlich, dass es dabei immer wieder ums liebe Geld ging.
Mit einer Bestandsaufnahme läutet Moderatorin Maike Rademaker die Runde ein. Stefan Nowak, freier Kameramann und Vorstandsmitglied der ver.di FilmUnion, schildert seinen Alltag: Er drehe im non-fiktionalen Bereich für Reportagen, Dokumentationen und Wissenschaftsmagazine. Die Programmplätze dafür würden angesichts der ungebrochenen Talk- und Kochlust im deutschen TV jedoch immer rarer. Seit 20 Jahren seien die Honorare gleich geblieben, was für ihn einen „gefühlten Kaufkraftverlust von 50 Prozent“ bedeute. Wenn mal – im Winter nicht selten – kein Job komme, müsse er vom Eingemachten leben.
Der Kameramann schildert sein Geschäft: Wenn ein Produzent einen Auftrag vergibt, biete er dafür ein bestimmtes Honorar. Dafür müsse er aber nicht nur drehen, sondern auch recherchieren, eine Kamera besorgen und den Kameraassistenten bezahlen. Die Produzenten gingen immer mehr dazu über, anstelle von Tagessätzen Pauschalen zu zahlen. Spielt etwa das Wetter für einen Unterwasserdreh nicht mit, werde nicht nachbudgetiert. Für das in der Branche verbreitete Problem macht Nowak die sinkenden Budgetierungen der Sender verantwortlich. „Meine Arbeit ist nichts mehr wert“, lautet Nowaks bitteres Fazit.
Filmmarkt hart umkämpft
Die Mehrheit der Produzenten bekenne sich zu ihrer Verantwortung und halte sich an tarifliche Bedingungen, beteuert Alexander Thies, Produzent und Geschäftsführer der Produzentenallianz. Auch Thies klagt über sinkende Budgets. Einerseits werde die gesellschaftliche Bedeutung des Films proklamiert, in der finanziellen Wertschätzung durch Sender und Filmförderung spiegle sich dies aber nicht wider. Zudem drängten Jahr für Jahr neue Produktionsfirmen auf den Markt. Der Wettbewerb werde dadurch härter, die Preise gedrückt. Die 2008 gegründete Produzentenallianz sei eine „Notgemeinschaft der Produzenten, um zu sichern, dass sie wenigstens selbst auf ihre Rente kommen.“
Regina Ziegler, Chefin von Ziegler Film und Produzentin von mehr als 500 Kino- und Fernsehfilmen, sagt: „Wir haben gelernt, mit dem Tarifvertrag zu leben und halten ihn ein.“ Knappe Budgets und die Notwendigkeit, professionell arbeitende Teams zu beschäftigen, zwängen die Produzenten in ein enges Korsett: Öffentlich-rechtliche Sender zahlten für einen 90-Minüter in der Regel 1,3 bis 1,4 Millionen Euro, womit man 20 bis 21 Tage drehen könne. Nichts sei schlimmer als unvorhergesehene Drehverzögerungen und Überstunden, deren Kosten letztlich von den Produzenten getragen werden müssen.
Für ver.di-Tarifsekretär Matthias von Fintel kann filmische Qualität nur von Profis geleistet werden, die öffentlich-rechtlichen Sender müssten mehr darauf setzen. Der Preis für Qualität müsse sich in der Gage abbilden, Tarifverträge spielten dabei eine wichtige Rolle. Leider wisse ver.di nicht, welche Firmen nach Tarifvertrag zahlen. Auch die Produzentenallianz mache dies nicht transparent, lasse laut Satzung auch Mitglieder ohne Tarifbindung zu, bedauert von Fintel. Laut Produzentenstudie sei aufgrund regelmäßiger Tariferhöhungen der Anteil der Personalkosten für Kino und TV von 2000 bis 2012 moderat gestiegen. Im non-fiktionalen Bereich hingegen verhindere kein Tarifvertrag das Durchschlagen von Budgetsenkungen auf die Honorare – ein Beleg für die Wichtigkeit von Tarifverträgen.
Fördermittel an Tarifstandards knüpfen
Angelika Krüger-Leißner, medienpolitische Sprecherin der SPD, hofft auf die anstehende Novellierung des Filmfördergesetzes (FFG). An die Fördermittelvergabe sollten Bedingungen – etwa die Einhaltung von Tarifen und Standards – geknüpft werden. Zwar stehe schon seit 2009 im Gesetz, dass die Filmförderanstalten die Belange der Filmwirtschaft und der Beschäftigten unterstützen sollen. „Das Signal wurde aber nicht von jedem Produzenten gehört“, kritisiert sie. In der Novellierung müsse man daher deutlicher werden. Matthias von Fintel hält das FFG bisher für ein reines Wirtschaftsförderungsgesetz, das die Beschäftigtenstruktur kaum im Blick habe. Mit einer Nachweispflicht sozialer Standards bei der Fördermittelvergabe wäre es möglich, Produktionen besser zu vergleichen.
Stefan Nowak schließlich wünscht sich besser kalkulierte Budgets, mit denen Tarifverträge eingehalten werden können und in denen die Honorierung als zweckgebunden festgeschrieben ist. Dass in dieser Hinsicht mehr geht, zeigt der „Hoffnungsschimmer“, ein nicht dotierter Preis für Filme, die unter besonders fairen Bedingungen produziert wurden. Während der Berlinale wurde der Preis zum dritten Mal verliehen, 2013 an den im Januar von der ARD ausgestrahlten Polizeiruf 110 „Fischerkrieg“.