Methoden einer Drückerkolonne

Online-Rechte abgepresst – Verlagskonzerne wollen Freie zu „Total Buy-out“ zwingen

Wenn“s Beschwerden hagelt, distanzieren sich Verlage schon mal. Trotzdem gehören Drückerkolonnen nach wie vor zur deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft. Vortäuschung falscher Tatsachen, Abnötigung von Unterschriften und dubiose Vertragsklauseln im Kleingedruckten. Was auf der Jagd nach neuen Abonnenten bisweilen eingesetzt wird, scheint auch auf andere Geschäftsfelder abzufärben. An die Methoden einer Drückerkolonne jedenfalls fühlt sich erinnert, wer erlebt, wie eine Reihe von Verlagen derzeit mit „ihren“ freien Journalistinnen und Journalisten umgehen.

„Unabhängig von einer eingangs verkündeten, erfreulichen, aber auch längst überfälligen Zeilenpreiserhöhung wollen wir mit diesem Schreiben nochmals klarstellen, dass Sie uns die Nutzungsrechte für die digitale Verwertung bereits übertragen haben und dies mit Ihrem Honorar abgegolten ist“, schrieb die Süddeutsche Zeitung (SZ) zahlreichen freien Mitarbeitern im Dezember. Die waren verdutzt ob dieser Tatsachenbehauptung, vermochte sich doch niemand zu erinnern, jemals eine derartige Vereinbarung getroffen zu haben. Einige der Betroffenen haben es sogar schriftlich, dass ihr bisheriges Honorar ausschließlich für den einmaligen Abdruck gezahlt wurde.

SZ droht mit Auftragsentzug

Da man offenbar bei der SZ weiß, dass man sich auf schwankendem Parkett befindet, schließt der nächste Satz des Schreibens mit der Drohung an, dass freie Mitarbeiter, die den totalen Ausverkauf ihrer Verwertungsrechte nicht zustimmen, künftig keine Aufträge mehr erhalten. Wir kaufen Ihre Werke nur unter der Voraussetzung an, heißt es dort, „dass Sie uns neben dem Recht zur herkömmlichen Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung, nebst dem Recht zur Bearbeitung, Umgestaltung und Übersetzung, ein umfassendes, räumlich und zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht an Ihren Werken auch für elektronische/digitale Verwertung gleich in welcher Form und auf welchem Trägermedium … einräumen.“ Und nicht genug: „Wir sind berechtigt, die eingeräumten Nutzungsrechte auch auf Dritte zu übertragen.“ Zusätzliches Geld gibt es für den totalen Ausverkauf nicht. „Mit Ihrem Honorar ist pauschal jegliche urheberrechtliche Vergütung abgegolten.“ Der „guten Ordnung halber“ bat man mit kurzfristiger Terminsetzung um Rücksendung des Revers mit der Unterschrift unter dem „Einverstanden“.

Nicht immer erfolgreich. Denn erstens machten IG Medien und DJV die Machenschaften der SZ öffentlich, „die Rechte und Verdienstmöglichkeiten der Freien massiv beschneiden zu wollen“, so Veronika Mirschel, Freienreferentin beim Hauptvorstand der IG Medien. Und zweitens reagierten auch eine Reihe von Betroffenen nach dem Motto „Nicht mit uns“: „Anfang der Woche habe ich Ihren Brief erhalten, mit dem Sie die Enteignung freier Journalisten vorantreiben möchten – netter Versuch, aber völlig unannehmbar. Deshalb das Wichtigste zuerst: Selbstverständlich werde ich das Schreiben nicht unterzeichnet zurücksenden“, heißt es beispielsweise in einem Antwortschreiben.

Fallstricke in der Honorarabrechnung

Da die SZ mit ihrem Rundschreiben offenbar nicht den gewünschten Erfolg verbuchen konnte, setzte sie im Januar nach. Mit den Honorarabrechnungen für den Vormonat wurden im Kleingedruckten die obigen Passagen mit verschickt – übrigens auch an diejenigen, die dem Dezember-Schreiben ausdrücklich widersprochen hatten. Damit wurden neue juristische Fallstricke ausgelegt. Denn wer dem nicht ausdrücklich widerspricht, droht in eine „AGB-Falle“ zu geraten.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) können Vertragsbeziehung geregelt werden. Über sie muss nicht verhandelt werden. Wenn ein Vertragspartner den AGBs des anderen nicht widerspricht, werden sie mit Kenntnisnahme wirksam. Auch die Klauseln auf den SZ-Honorarabrechnungen könnten von Gerichten als AGB angesehen werden.

Die Journalistengewerkschaften haben daher allen Betroffenen empfohlen, gegen diese unseriösen juristischen Tricksereien schriftlich Widerspruch einzulegen. Unterstützt vom SZ-Betriebsrat haben IG Medien und DJV auch gemeinsam die Freien der „Süddeutschen“ zu einer Veranstaltung eingeladen, um gegen den Versuch des „Rechte-Klaus“ vorzugehen. Denn es handelt sich nicht um Einzelfälle. „Die Süddeutsche reiht sich in die Reihe der Medienkonzerne ein, die die Rechte und Verdienstmöglichkeiten der Freien massiv beschneiden wollen“, sagt Veronika Mirschel.

Bereits Mitte 2000 wurden ähnliche Schreiben an die Freien der „Handelsblatt“-Gruppe verschickt, in denen diese aufgefordert wur-den, per Unterschrift „der guten Ordnung halber“ zu bestätigen, dass das Honorar „die Einräumung des Multimedia-, des Datenbank- sowie des Werberechtes zur ausschließlichen(!), räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzung“ einschließt. Und parallel zu den Aktivitäten der SZ-Verlagsleitung wird auch im Springer-Konzern versucht, umfassende Urheber-Nutzungsrechte von Freien einzukassieren – hier sogar für eine „kostengünstige“ Zweitverwertung in anderen Objekten des Konzerns. So soll bei Übernahme von Artikeln aus der „Berliner Morgenpost“ in die Berlin-Seiten der „Welt“ ganze 20 Pfennig pro Zeile gezahlt werden.

Geschäft mit elektronischen Pressespiegeln

Auslöser der emsigen Aktivitäten in den Großverlagen ist das Bestreben, das Online-Geschäft als lukratives zweites Standbein der Zukunft auszubauen. Im Moment geht es vor allem um so genannte elektronische Pressespiegel. Doch die Sache hat einen Haken: Die Vergütungen für Pressespiegel fließen – festgeschrieben in § 49 Urheberrechtsgesetz (UrhG) – an die Verwertungsgesellschaft Wort, die sie an die Autorinnen und Autoren weiterleiten. Für 1999 wurden immerhin 7,7 Millionen Mark ausgeschüttet – nicht nur an freie Journalisten, sondern auch an Redakteurinnen und Redakteure, denen diese Vergütung laut Manteltarifvertrag allein zusteht.

Das wird weniger werden, denn die Zukunft gehört den elektronischen Pressespiegeln. Für sie wird von Verlegerseite ein künftiger Jahresumsatz von mindestens 50 bis 100 Millionen Mark prognostiziert (siehe M 1-2/1999). Die wollen die Großverlage alleine kassieren – ohne die Urheber an den Erlösen zu beteiligen. Als 1998 (noch unter der Kohl-Regierung) in einem Entwurf für eine fünfte Gesetzesnovelle des UrhG der Pressespiegel-Paragraf auch auf elektronische Pressespiegel ausgeweitet werden sollte, wurden die Zeitungs- und Zeitschriftenverlegerverbände BDZV und VDZ mehrfach aktiv.

Erstens starteten sie eine öffentliche Kampagne gegen die „Enteignung“ der Verlage. Zweitens ließen sie sich ein Rechtsgutachten zimmern, nach dem alle Nutzungsrechte ohnehin bei ihnen liegen. Drittens zogen mehrere große Zeitungsverlage – bisher dreimal erfolgreich (siehe M 5/2000) – vor Gericht, um der VG Wort zu untersagen, Lizenzverträge für elektronische Pressespiegel abzuschließen. Und viertens gründeten die Verlage Axel Springer, Hubert Burda Media, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Gruner + Jahr, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Handelsblatt sowie BDZV und VDZ die Presse-Monitor Deutschland GmbH & Co. KG (PMG).

Startschwierigkeiten der Presse-Monitor GmbH

Sie sollte im Januar 2001 mit der Vermarktung von elektronischen Pressespiegeln beginnen. Zielstrebig wurde darauf hingearbeitet: Seit Mitte 2000 ist die PMG im Internet präsent (http://www.presse-monitor.de). Zum 1. Oktober 2000 wurde Michael Diesing zum Geschäftsführer berufen und wenig später die picturesave media/data/bank GmbH beauftragt, ein Datenbank-Internet-Angebot, Presse-Monitor (R)-System auf der Basis von „picturesave@DAM“, aufzubauen. Nach Auskunft der PMG ist die Testphase erfolgreich angelaufen, weitere Verlage seien am Einstieg interessiert und täglich meldeten sich in der Berliner Geschäftsstelle Interessenten („auch Großkunden“), die elektronische Pressespiegel abonnieren wollen. Diese bekommen sie aber noch nicht.

„Unser Start hat sich auf Ende März / Anfang April verschoben“, erklärt Alexandra Haenzler von der PMG. Technische Probleme gäbe es allerdings nicht. „Die Probleme liegen bei den Lieferanten“, also den Verlagen. Offensichtlich waren ihre emsigen Aktivitäten, mit massivem Druck die Nutzungsrechte für die digitale Verwertung im Handstreich einzukassieren, bisher nicht durchgängig von Erfolg gekrönt. Und auch Drückerkolonnen bewegen sich nicht im rechtsfreien Raum.

Sind die Rechte nicht individuell oder durch Tarifvertrag (bisher nur für Zeitschriftenredakteure gegen 40 Prozent Erlösbeteiligung) eingeräumt worden, dürfen die Verlage die journalistischen Beiträge nicht in elektronischen Pressespiegeln nutzen. Da die Online-Verwertung der Zukunftsmarkt ist, wären freie Journalisten schlecht beraten, wenn sie auf ihren Erlös verzichten würden. Natürlich ist die Drohung mit Auftragsentzug eine harte Keule. Ob die Verlage aber wirklich auf alle verzichten können, die sich dem Druck nicht beugen? Gegenwehr der Betroffenen gibt es zumindest bei der SZ und der „Berliner Morgenpost“.

 

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